Rezension: Richard Heubergers "Der Opernball" Opernball im Harztheater: "Komm mit mir ins Chambre séparée"
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09. Januar 0024, 17:24 Uhr
Richard Heubergers Operette "Der Opernball", 1898 in Wien uraufgeführt, war sogleich ein Welterfolg. Oft nachgespielt, gab es bis in die 1970er Jahre vier Verfilmungen. "Komm mit mir ins Chambre séparée" ist eine der bekanntesten Melodien aus dieser Operette, die vor, während und nach dem Pariser Opernball spielt. "Der Opernball" ist allerdings das einzige bekannte Werk des zuvor vor allem als Kulturjournalist anerkannten Komponisten Richard Heuberger geblieben. Mit diesem Opernball hatte das Harzertheater zum festlichen Jahreswechsel eingeladen: als Silvesterpremiere.
Glücklich ist, wer vergisst
Heubergers Operette führt das Publikum der Harzer Kleinstadt ins mondäne Paris der vorletzten Jahrhundertwende, wobei sich einige Parallelen zu jenem Operettenklassiker, der an vielen Opernhäusern zu Silvester am Spielplan steht, zu Johann Strauß´ "Die Fledermaus", zeigen: "Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist", singt die Festgesellschaft in der "Fledermaus" beim Ball des Prinzen Orlowski.
Auch in Heubergers Operette sucht man Flucht vor der Realität beim Ball, zunächst: Vorbereitungen für den Opernball zu Hause, Seitensprünge der Ehegatten und familiäres Versteckspiel, dann: das Fest mit seinen Überraschungen und schließlich Ernüchterung und Kater der Eheleute: Die Männer waren von ihren Frauen reingelegt worden.
Theater vor Pariser Opernlogen
Wie die "Fledermaus" geht auch Heubergers Operette auf ein französisches Vaudeville beziehungsweise den französischen Schwank "Die roten Dominos" zurück und ist voll theatralischer Schwank- und Verwechslungskomik des 19. Jahrhunderts, gleichzeitig aber bezieht die Inszenierung von Wolfgang Dosch auch das Publikum in das Opernball-Event unmittelbar ein.
Über den Zuschauerraum gelangt man in die Chambres séparées. Der Kellner Philippe (der Operettenkomiker Norbert Zilz) kommentiert dabei nicht nur die eintrudelnden Theaterfiguren, arrangiert deren Logenzuteilung und befördert die Theater-Intrigen, sondern er wendet sich auch an das Halberstädter Publikum. Das Halberstädter Theater liegt nun mitten in Paris! Auf der Bühne die Zugänge zu Pariser Opernlogen (Ausstattung: TOTO).
Der Opernball ein Ensemblestück
Im Harztheater ist Heubergers Operette gut aufgehoben: Ein musikalisch schon in der Ouvertüre durchaus ambitioniertes oft komplexes Werk ist bei den Harzer Sinfonikern unter Fabrice Parmentier in guten Händen. Vor allem aber ist das Werk ein Ensemblestück des imponierenden, schon einige Zeit zusammengewachsenen Sängerinnen- und Sänger-Ensembles: Fünf ebenbürtige Paare treten auf. Wobei das alte Paar, die sittenstrenge Tante und ihr Mann, von zwei Männern gespielt werden. Der Regisseur Wolfgang Dosch sprang für die Rolle der alten Tante ein. Das junge Paar, das sich ins "Chambre séparée" verlockend einlädt, ist mit zwei Frauen besetzt: Regina Pätzer und Bénédicte Hilbert, der man auch als betrunkenem Dienstmädchen und bei ihrem Kater nach dem Ball gerne folgt.
Silvesterritual und Theatergemeinschaft
Noch bis Mitte der 2010er Jahre gab es auf deutschen Bühnen zahlreiche Silvester-Premieren, doch diese Tradition scheint es kaum mehr zu geben. Am 31.12.2023 fand außer in Halberstadt nur in Mannheim eine solche Premiere statt. Für das kleine Harzertheater ist es aber ein schönes Lebenszeichen, wenn das Theater zum Jahreswechsel Mittelpunkt einer städtischen Öffentlichkeit ist und sich am Ende der Vorstellung die Stadtgemeinschaft und das Theater gegenseitig beglückwünschen. Der Pariser Opernball aus Halberstadt wird im Karneval auf Tournee gehen.
Weitere Vorstellungen:
Freitag, 12. Januar
19:30 Uhr / König Albert Theater Bad Elster
Sonntag, 21. Januar
16 Uhr / Theater der Altmark Stendal
Dienstag, 30. Januar
15 Uhr / Großes Haus Quedlinburg
Sonntag, 03. März
15 Uhr / Großes Haus Halberstadt
Mittwoch, 13. März
15 Uhr / Großes Haus Halberstadt
Sonntag, 31. März
18 Uhr / Großes Haus Quedlinburg
Donnerstag, 11. April
19:30 Uhr / Kulturhaus Salzwedel
Samstag, 13. April
19:30 Uhr / Ernst Barlach Theater Güstrow
Samstag, 27. April
15:00Uhr / Großes Haus Quedlinburg
(letzte Vorstellung)
Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 02. Januar 2024 | 09:10 Uhr