Deutscher Meister "Einer der kreativsten Berufe, die wir haben" - Florist Christopher Ernst im Interview
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24. August 2022, 16:09 Uhr
Christopher Ernst ist Deutscher Meister der Floristen 2022. Der Florist aus Kindelbrück im Kreis Sömmerda setzte sich beim Wettbewerb in Berlin gegen acht weitere Kandidaten durch. Mit MDR Garten sprach er über die Anforderungen und Pannen des Wettbewerbs und darüber, welche Schwerpunkte er als Deutscher Meister setzen will.
Im Frühjahr waren Sie einer von drei Kandidaten beim Wettbewerb zum MDR Garten-Florist 2022. Welche Aufgaben haben Sie bei der Deutschen Meisterschaft der Floristen in Berlin gemeistert?
Es gab vier Aufgaben, alle zum Oberthema "Freiheit". Die erste Aufgabe wurde als meine beste Arbeit ausgezeichnet: Eine Pflanzarbeit zum Thema "Freiheit der Natur", hier habe ich den Klimawandel aufgegriffen und thematisiert, dass Pflanzen Freiraum brauchen. Ich habe verschiedene Klimazonen auf Ebenen angeordnet: von oben läuft Wasser auf die untere Ebene mit dem Effekt, dass sich daraufhin dort die Erde bewegt.
Wie viele Leute durften mitarbeiten, dass eine derartige Skulptur entsteht? Und wie viel Zeit hatten Sie?
Zu meinem Team gehörten nur eine Assistentin und eine Helferin. Das war streng so vorgegeben. Für die Pflanzarbeit hatten wir zwei Stunden Zeit, für die anderen Aufgaben zwischen 45 und 90 Minuten.
Sind das ähnlich große Arbeiten?
Die zweite Aufgabe war ein hoher Raumschmuck zum Thema "Freiheit der Gesellschaft". Also habe ich mir überlegt: Was verbindet uns Menschen, egal welcher Herkunft? Es sind unsere Wurzeln, sie prägen unsere Vergangenheit und Zukunft. Mein Raumschmuck vereint also stilisiertes Wurzelwerk aus Draht und Pflanzen, die aus allen Teilen der Welt kommen, und symbolisiert eine Gruppe. Außerdem habe ich über 200 Spiegel angebracht. Indem die Betrachter sich in ihrem Spiegelbild wiederfinden, werden sie Teil dieser Gruppe.
Für die dritte Aufgabe sollten wir einen Strauß zum Motto "Freiheit der Farben" binden. Und für die finale Aufgabe "Wie Pool ist das denn?" - hier sollte ein schwimmendes floristisches Werk entstehen - bekamen wir erst am Tag die Werkstoffe gestellt.
Das heißt, für die anderen Aufgaben hatten Sie bereits alles parat?
Ja, für die ersten drei Aufgaben mussten sich alle Teams selbstständig vorbereiten. Wir sind also mit unseren Pflanzen und allem nötigen Material angereist. Alle Arbeiten wurden hintereinander weg am selben Tag live angefertigt. Das heißt, während ich im Wettbewerb mit einer Arbeit beschäftigt war, hat mein Team die nächste Aufgabe vorbereitet. Anschließend 30 Minuten Umbau, und nächste Aufgabe!
Neben dem Binden die ganzen Abläufe mitdenken - das erfordert viel Kopfarbeit.
Das klingt wie ein Staffellauf!
Die Anspannung den ganzen Tag über… es war anspruchsvoll! Neben dem Arrangieren und Binden die ganzen Abläufe mitdenken - das erfordert viel Planen, viel Kopfarbeit. Es ist schwer, für so einen Tag zu proben. Zum Wettbewerb prüft neben der Fachjury außerdem eine technische Jury: Dass die Abmessungen stimmen, dass die richtigen Materialien verwendet werden und sich jedes Team an die Aufgabenteilung hält.
Während einer derartigen Trockenphase einen Floristik-Wettbewerb durchzuführen - ist das nicht eine besondere Herausforderung?
Es war zum Beispiel so, dass bestimmte Materialien nicht in der gewohnten Länge da waren. Oder bei manchen Blumen war die Blüte schon vorbei. Außerdem herrschte vorab tatsächlich etwas Panik: Der Wettbewerb ist ja Open Air, und es waren ursprünglich für Berlin extrem heiße Temperaturen angekündigt worden. Das hat sich zum Glück nicht bewahrheitet. Das wäre sonst eine Katastrophe für die Kolleginnen und für die Pflanzen geworden.
Gab es denn, bei aller Planung, auch eine Panne?
Leider ja: Eine Ware hatte nach dem Transport zu viele Flecken, die musste ich ersetzen. Aber für solche Fälle hat man immer ein Back-up dabei. Damit muss man rechnen. Die Fachjury macht keine Ausnahmen aus Kulanz, weil zum Beispiel etwas kaputtgegangen ist.
Unsere Arbeit ist nicht nur "Blumen zusammenstecken".
Mit dem Titel in der Tasche können Sie sich nun für die Weltmeisterschaft der Floristen in Manchester 2023 bewerben. Welche Aufgaben stehen außerdem an?
Zunächst sicher viele Branchen-Anfragen zu Vorträgen, Seminaren oder Gesprächen. Ich bin bis 2024 amtierender Deutscher Meister. Damit übernehme ich auch eine Vorbildfunktion. Besonders die Ausbildung junger Talente liegt mir sehr am Herzen. Es ist schade, dass so wenige Menschen handwerklich und kreativ arbeiten wollen.
Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ein Punkt ist sicher die Bezahlung. Florist ist kein Beruf mit einem großen Gehalt. Außerdem, denke ich, werden wir sehr unterschätzt. Dabei ist unsere Arbeit eben nicht nur "Blumen zusammenstecken". Florist ist einer der kreativsten Berufe, die wir haben. Wo sonst ist man so nah an den Menschen dran? Wir begleiten sie vom Anfang bis zum Ende ihres Lebens, von der Geburt über Geburtstage und Gedenken bis zur Beerdigung. Ich würde mir also wünschen, junge Leute stärker für diesen Beruf zu motivieren.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR GARTEN | 28. August 2022 | 08:30 Uhr