Finale WGT 2022 in Leipzig endet mit 15.000 Besuchern und Freudentränen
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06. Juni 2022, 19:31 Uhr
Endlich wieder schwarze Pfingsten in Leipzig: Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause feierten 15.000 Menschen beim 29. Wave-Gotik-Treffen. Nach der Eröffnung mit dem Viktorianischen Picknick am Freitag startete das Programm mit fast 200 Bands, Lesungen, Mittelaltermärkten oder einem Treffen der Leichenwagen. WGT-Festivalsprecher Cornelius Brach erklärte, auch wenn der alte Besucherrekord noch nicht wieder erreicht sei, Freude und Erleichterung seien allenthalben spürbar gewesen, beim Publikum ebenso wie bei den Künstlerinnen und Künstlern.
Rund 15.000 Fans aus dem In- und Ausland sind zu Pfingsten zum 29. Wave-Gotik-Treffen nach Leipzig gepilgert. Festivalsprecher Cornelius Brach sagte zum Finale am Montag im Gespräch mit MDR KULTUR, allenthalben sei die große Freude spürbar gewesen, dass das Festival nach zwei Jahren Corona-Pause wieder habe stattfinden können. Nicht nur die Fans, sondern auch die Künstlerinnen und Künstler seien erleichtert gewesen. Gestandene Musikerinnen und Musiker hätten Tränen in den Augen gehabt, weil sie nach so langer Zeit wieder vor großem Publikum hätten auftreten können, so Brach weiter.
Highlight zur Eröffnung: Viktorianisches Picknick im Leipziger Clara-Park
Mit dem Viktorianischen Picknick im Clara-Zetkin-Park begann das 29. Wave-Gotik-Treffen am 3. Juni bei strahlendem Sonnenschein. Für viele Goths ist es der wichtigste Termin beim WGT, um sich in den aufwändigen Roben und Outfits zu präsentieren, aber auch, um Freunde wiederzutreffen.
Brach zufolge mischen sich längst auch viele Leipziger und Leipzigerinnen ins Picknickgeschehen. Aus Respekt in angemessener Bekleidung. "Den Schwarzen" werde ansonsten meist mit freundlicher Gelassenheit begegnet. Inzwischen sei bekannt, dass deren Aufmachung, ob nun viktorianisch, als Grufti oder Cyberpunk, keine Kostümierung, sondern Ausdruck einer Lebenseinstellung sei. Aus seiner Sicht wird die Szene immer heterogener. Das Motto sei dabei immer noch: "Toleranz. Und: Erlaubt ist, was gefällt."
200 Bands in Leipzig: Gary Numan, Die Arbeit, Makarios
Zum viertägigen WGT-Festival hatten sich fast 200 Bands aus dem musikalisch weiten Goth-Spektrum angekündigt. Mittelalterliches mit Dudelsack und Pauke kam von den "Königen der Spielleute" um Corvus Corax. Besonders gefeiert wurde laut Festivalsprecher Cornelius Brach das Mitternachtsspezial mit Gary Numan am Pfingstsonntag auf der agra: "Das ist ein Veteran der New-Wave-Szene, der selten live spielt und jetzt erstmals in Leipzig war. Das war eine tolle Show mit großer Präsenz." Zu Tränen gerührt, endlich wieder vor großem Publikum aufzutreten, war am selben Ort Ronan Harris mit VNV Nation, wie Brach berichtet.
Auch 2022 bot das WGT-Lineup den traditionellen Mix aus alten Helden und neuen Stimmen. Postpunk lieferte die Dresdner Band Die Arbeit, eine Art Geheimtipp auf dem WGT 2022. Als Legende kam Makarios, Frontmann der Kultband Die Art aus Leipzig. Im vollen Saal des Schauspielhauses trat der schwedische Neoklassiker Peter Bjärgö auf und schwärmte hinterher auf Facebook: "Wieder mal beim WGT aufzutreten, war traumhaft, ein absolutes Vergnügen." Das Schweizer Dark Wave- und Metal-Duo Lacrimosa traf die Gemeinde auf dem agra-Gelände. Im Täubchenthal im Leipziger Westen reiste die deutsche Rhythmic-Noise-Band Winterkälte mit einer Performance durch ihre 30-jährige Band-Geschichte. Die Goth- und Postpunk-Musikerin Dark wiederum performte im Stadtbad Songs vom Debütalbum "Nightmare".
Enden wird das Festival, dessen Kern die Musik ist, erst am späten Pfingstmontagabend mit Philipp Hochmaier und der Elektrohand Gottes im Schauspielhaus, Combichrist im agra-Treffenpark oder bei der traditionellen Abschlussparty in der Moritzbastrei.
"Familientreffen in gewohnter Vielfalt"
Das WGT 2022 fand nach zwei Jahren Corona-Zwangspause laut den Veranstaltern in altem Umfang, mit gewohnter Vielfalt und ohne besondere Auflagen statt. Neben den Konzerten standen wieder die Mittelaltermärkte auf der Moritzbastei mitten in der Stadt oder im Heidnischen Dorf am Torhaus in Dölitz sowie ein Leichenwagentreffen auf dem Südfriedhof auf dem Programm.
Inzwischen ist das WGT im doppelten Sinne ein Familientreffen. Die Besucherinnen und Besucher der ersten Jahre kommen mit ihren Kindern oder gar Enkeln. Darauf zugeschnitten sind Angebote wie das "Gotische Kinderspektakel" im Heidnischen Dorf. Darüber hinaus beschreibt sich die WGT-Community gern als "große Familie", die sich beim "Treffen" in Vielfalt vereint. 2022 kamen sehr weit entfernte "Verwandte" sogar aus Neuseeland. Dabei waren die Hürden für Fans aus dem Ausland hoch, wie Brach betont. Aufgrund der Pandemie-Unwägbarkeiten verbunden mit teuren Tickets für kurzfristig zu buchende Flüge und horrende Hotelkosten in Leipzig hätten Einige auf den Besuch des WGT 2022 verzichtet.
WGT-Feeling mit und ohne Bändchen
Das erste Wave-Gotik-Treffen fand 1992 statt, ein Ticket kostete damals noch acht D-Mark. 2022 waren es 170 Euro. Angeboten wurden allerdings auch kostenfreie Veranstaltungen "ohne Bändchen". Dazu gehörten Lesungen wie die von Deutschlands bekanntester forensischer Psychologin Lydia Benecke oder von Christian von Aster beim Programm "WTF? WTF! Wissenschaft trifft Freundschaft". Als Kultur-Partner ziehen, wenn WGT ist, auch das Schauspielhaus als Konzertbühne, die Oper oder die Museen der Stadt mit besonderen, auf die WGT-Fans abgestimmten Programmen mit. So gab es diverse Ausstellungen rund ums Jenseitige: Totenköpfe im Grassi, Grabkunst im Leipziger Hauptbahnhof oder Särge im Ägyptischen Museum. Die Oper Leipzig zeigte am Pfingstmontag noch die Ballettaufführung "Rituale".
Vorfreude aufs Jubiläum 2023
Das Festival war zwei Jahre in Folge wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden, ein kleiner Teil der Szene organisierte sich zu spontanen Treffen. Auch das 29. Wave Gotik Treffen stand im März kurzzeitig in Frage. Die Stadt plante, auf dem agra-Gelände Geflüchtete aus der Ukraine unterzubringen. Damit hätte der angestammte Ort für das Festivalzentrum und die größten Konzerte nicht zur Verfügung gestanden. Angesichts der Kosten für eine Verlegung kam es dann zur Kehrtwende auch aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Festivals, das in Vorcorona-Zeiten um die 20.000 Besucherinnen und Besucher hatte. Im nächsten Jahr steht mit der 30. Ausgabe ein Jubiläum an. Festivalsprecher Cornelius Brach lässt keinen Zweifel daran, dass das gebührend gefeiert werden wird.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 06. Juni 2022 | 18:00 Uhr