Jubiläum Vor 30 Jahren: Chemnitzer Opernhaus nach Sanierung wiedereröffnet
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18. Dezember 2022, 04:00 Uhr
Wie viele Theaterhäuser wurde auch die Chemnitzer Oper im Zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört. Es wurde zwar schnell wieder aufgebaut, aber hatte so große Mängel, dass es in den 80er-Jahren wieder schließen musste. Nach einer großen Sanierung konnte das Haus vor 30 Jahren wieder öffnen. Doch die Stadt hatte sich inzwischen verändert. Doch vielleicht rückt das Kulturhauptstadtjahr 2025 das Opernhaus ins Zentrum eines Kulturquartiers.
Die drei großen sächsischen Opernhäuser in Chemnitz, Dresden und Leipzig ergänzen sich prächtig – und weisen doch die denkbar größten Unterschiede auf: Die Semperoper an der Elbe hat die älteste Tradition, wurde in seiner Geschichte mehrfach zerstört, zuletzt im Februar 1945. Vierzig Jahre später wurde deren Wiedereröffnung gefeiert. Da strahlte die Oper Leipzig, ebenfalls im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs in Schutt und Asche gelegt, als erster Theaterneubau der DDR schon seit einem Vierteljahrhundert wieder in neuem Glanz.
Das Opernhaus Chemnitz ist in dieser Riege der jüngste Bau, erst 1909 eingeweiht, dann völlig zerbombt und gleich nach Kriegsende rasch wieder hochgezogen, in seiner jetzigen Gestalt aber nach einer fünfjährigen Verjüngungskur im Dezember 1992 wiedereröffnet worden. Ein kleines Jubiläum also, das am Haus allerdings nicht gesondert begangen werden soll, sagt Christoph Dittrich, seit 2013 Generalintendant der Städtischen Theater. Dies sei nicht nur, aber auch eine Langzeitfolge der Pandemie. Man wolle sich zuerst auf den Normalbetrieb einstellen. Vor fünf Jahren, zum 25. Jubiläum der Wiedereröffnung, war das noch anders.
Star-Sopranistin singt im Chemnitzer Opernchor
"Das war sehr berührend", erinnert sich der Theaterchef. "Denn es waren auch Künstlerinnen und Künstler mit dabei, die hier ihren Berufsweg begonnen haben: wie die Kammersängerin Ildiko Raimondi, die große Sopranistin von der Staatsoper Wien, die in Karl-Marx-Stadt im Chor angefangen hat! Sie ist 2017 gewissermaßen noch einmal zu ihren Wurzeln zurückgekehrt und hat sich zu ihren Kolleginnen und Kollegen gesellt, um in einem Chor von "Eugen Onegin" mitzusingen. Das ist sehr, sehr bewegend gewesen."
Das Chemnitzer Opernhaus steht mitten im Zentrum der Stadt. Links das Gebäude der Kunstsammlungen, rechts eine Kirche, ein harmonisches Ensemble vom Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Oper in der Mitte, die den Theaterplatz selbstbewusst prägt. 1909 ist das Haus mit Richard Wagners Bühnenweihfestspiel "Parsifal" eröffnet worden. Damals war Chemnitz im Wachsen begriffen, bis der Krieg auch diese Stadt schwer zerstörte.
Mit dem Wiederaufbau zu DDR-Zeiten wurden andere Prämissen gesetzt. "Man war ja der Meinung, dass dieses Areal mitten im Zentrum dieser ewig wachsenden Stadt liegen würde, was dann nicht so ganz eingetreten ist", weiß Christoph Dittrich. "Aber das damals so genannte Neue Theater wurde sofort ins Herz geschlossen und es diente mit einer wunderbaren Bühnentechnik der Wiedergabe von Werken der Opernliteratur, die man in den anderen Häusern der Stadt nicht adäquat spielen konnte." In besonderer Weise sei etwa das Werk von Wagner und Verdi gepflegt worden. Das Opernhaus habe sich rasch zum Stolz der Bürger entwickelt.
"Ein kleines Wunder, ein echtes Geschenk!"
Daran sollte nach 1945 sofort wieder angeknüpft werden. Aus den Trümmern entstand die alte Oper rasch wieder neu, entsprach dann aber baulich schon bald nicht mehr den gültigen Standards, so dass in den 80er-Jahren der Spielbetrieb eingestellt werden musste. Christoph Dittrich hat sich gründlich mit der Geschichte des Hauses befasst: "Es geschah gewissermaßen ein kleines Wunder, dass eine relativ großzügige Planung der DDR-Zeit mit den Standards der Bundesrepublik ausgeführt und auch zu Ende gebaut wurde. Dass es in diesen Wirren der Wendezeit überhaupt so realisiert wurde, ist ja schon ein echtes Geschenk." Und in dieser neuen Fassung – außen die bauliche Hülle im Original der späten Gründerzeit, innen aber alles modern – steht das Opernhaus noch heute.
Seit etwa einem Drittel der Zeit nach der Opern-Wiedereröffnung prägt Generalintendant Christoph Dittrich die Geschicke der Chemnitzer Theater, zu denen auch Spielstätten für Schauspiel, Ballett, Philharmonie, Figuren- und Junges Theater zählen. Auf sein Opernhaus lässt er nichts kommen: "Die Rangkubaturen sind komplett geändert und die Foyers völlig neu gemacht worden, ohne dem Haus Gewalt anzutun. Aber alles eben eindeutig aus der modernen Zeit stammend. Von jedem Platz gibt es perfekte Seh- und Hörverhältnisse. Das Foyer ist einer der Lieblingsplätze der Chemnitzerinnen und Chemnitzer bis in die heutigen Tage hinein. Davon profitieren wir und empfinden es als Aufgabe, das auch gut zu pflegen und in die Zukunft zu tragen."
Die Vision von einem Kulturquartier
Immer mal wieder ist Chemnitz als sächsisches Bayreuth bezeichnet worden, als etwa Michael Heinecke zur Jahrtausendwende Wagners "Ring des Nibelungen" inszenierte. Und auch unter Christoph Dittrich gab es eine aufsehenerregende, von vier Regisseurinnen betreute "Ring"-Produktion. Der Hausherr ist sichtlich stolz, dass dies im gründlich renovierten Bühnentempel so wieder möglich gewesen ist. Man habe den Eindruck, dass es wirklich zeitgemäß sei, meint Dittrich, und dass es mit seinem angenehmen Ambiente auch weiter in die Zukunft reichen werde.
Nur den eigentlichen Anschluss ans Zentrum von Chemnitz wird das Opernhaus wohl nicht mehr schaffen. Ein brutaler Neubau, im Volksmund "Parteisäge" genannt, stellt Museum und Oper im wortwörtlichen Sinn in den Schatten.
Für Lichtblicke sorgen immerhin Zusagen des Bundes, die Wiedereröffnung des 1980 nach einem Brand neu errichteten Schauspielhauses von Chemnitz finanziell zu unterstützen. Und wer weiß, vielleicht lässt sich irgendwann auch einmal Christoph Dittrichs Vision von einem Kulturquartier rund ums Opernhaus realisieren – in zwei Jahren ist Chemnitz schließlich Kulturhauptstadt Europas.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 16. Dezember 2022 | 12:40 Uhr