NÄCHSTE GENERATION Wie sich junge Künstlerinnen und Künstler gesellschaftlich engagieren
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23. Oktober 2022, 04:00 Uhr
Ob Klimaschutz, Feminismus, psychische Gesundheit oder Tierschutz – in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt es viele junge Künstlerinnen und Künstler, die in ihren Arbeiten die Gesellschaft kritisch in den Blick nehmen und Debatten anregen. Im MDR KULTUR Youtube-Format "Nächste Generation" stehen die jungen Kreativen und ihre Ideen für die Zukunft im Fokus. Wir stellen Ihnen einige Künstler*innen vor, die sich mit ihrer Kunst, Musik oder Filmen gesellschaftlich engagieren:
Inhalt des Artikels:
- Svenja Gräfen aus Leipzig will die Leistungsgesellschaft wachrütteln
- Franziska Burkhardt aus Weimar thematisiert Mutterschaft und Reue
- Jessy James LaFleur baut die erste Spoken Word-Akademie in Görlitz auf
- Stefan Richter aus Halle bricht mit dem Tabu sexueller Gewalt
- Simon Surjasentana aus Weimar verarbeitet die Corona-Krise mit Kunst
- Claudia Tuyết Scheffel macht Alltagsrassismus im Erzgebirge sichtbar
- Julia Gonchar verbreitet ukrainische Literatur im Exil
- Leipziger Kollektiv engagiert sich für eine autofreie Stadt
- Spielekollektiv Gaiagames aus Könnern entwirft ökologische Brettspiele
- Matthias Garff aus Leipzig gestaltet Kunst aus Müll
- Thüringer Betterov macht Musik über psychische Gesundheit
- Shaima Dief aus Leipzig bricht mit Vorurteilen gegenüber dem Islam
- Leipziger Maler Hartmut Kiewert zeigt die Welt ohne Massentierhaltung
Svenja Gräfen aus Leipzig will die Leistungsgesellschaft wachrütteln
Svenja Gräfen kritisiert die Leistungsgesellschaft mit ihrer 40-Stunden-Woche und fordert in ihrem Sachbuch "Radikale Selbstfürsorge jetzt!" dazu auf, mehr zu schlafen – aus Protest gegen das kapitalistische Hamsterrad. Ihre These: Nur wenn man sich Pausen gönnt und sich selbst pflegt, kann man auch gut für andere da sein und sich z.B. politisch engagieren. Denn machen uns Karriere, Auto und Haus wirklich glücklicher oder stressen wir uns zu sehr? Aktuell lebt und arbeitet die Schriftsteller:in im Leipziger Osten und gibt auch Workshops.
Franziska Burkhardt aus Weimar thematisiert Mutterschaft und Reue
Als sie als junge Mutter in einen Erschöpfungszustand geriet, begann sich Franziska Burkhardt mit dem Thema "Regretting Motherhood" zu beschäftigen. Die Mutterschaft zu bereuen, statt im Glück zu schwelgen, das ist ein Tabu-Thema. In Performances und Fotografie geht die Medienkünstlerin aus Weimar diesem Phänomen auf den Grund und setzt sich für ein Umdenken der Gesellschaft in Bezug auf das stereotype Mutterbild ein.
Jessy James LaFleur baut die erste Spoken Word-Akademie in Görlitz auf
Autorin, Rapperin und Spoken Word-Künstlerin Jessy James LaFleur möchte Jugendlichen im ländlichen Raum eine Stimme geben: Abseits der Großstädte will sie in der Lausitz die erste Akademie für Spoken Word aufbauen und mit Literatur ein neues Selbstbewusstsein in die Region bringen. Ansprechen will sie besonders jene, die weniger Zugang zu Kunst haben. Die Belgierin wählte nach Stationen weltweit Sachsen zu ihrer neuen Heimat – eine Region, die ihrer Meinung nach zu Unrecht abgestempelt wird.
Stefan Richter aus Halle bricht mit dem Tabu sexueller Gewalt
Der Künstler Stefan Richter hat eine Novelle über seine Erlebnisse rund um den Umgang mit sexueller Gewalt und Traumaverarbeitung geschrieben. Ein Kapitel der Geschichte hat er als Installation umgesetzt und dafür mit Foto-Collagen, Jacquard-Gewebe und Glas gearbeitet. Beides bildet seine Diplomarbeit mit dem Titel "A. Room", mit der er sein Studium der Textilen Künste und Malerei an der Burg Giebichenstein in Halle abschließt. Mit der Installation will der gelernte Modedesigner mit dem Tabu von Missbrauch und Gewalt an Männern brechen.
Simon Surjasentana aus Weimar verarbeitet die Corona-Krise mit Kunst
Simon Surjasentana ist Pfleger auf der Intensivstation eines Weimarer Klinikums und ein Künstler. Zu Beginn der Krise war die Kunst ein Mittel, die dramatischen Szenen, die er erlebte, verarbeiten zu können – und ein Grund, am nächsten Tag wieder zu Arbeit zu gehen. Mit seinen Ölgemälden, in denen er seinen Arbeitsalltag während der vergangenen Pandemie-Jahre verarbeitet, gibt er Einblicke in eine Welt, die den Betrachterinnen und Betrachtern meist verborgen bleibt.
Claudia Tuyết Scheffel macht Alltagsrassismus im Erzgebirge sichtbar
Die Filmemacherin Claudia Tuyết Scheffel hat mit "Lonig & Havendel" einen Science-Fiction-Film über Alltagsrassismus im Erzgebirge gedreht. Dabei hat sie auch eigene Erfahrungen eingearbeitet, die sie in ihrer Kindheit und Jugend in Annaberg gemacht hat. Aus vietnamesisch-migrantischer Perspektive erzählt sie vom Dilemma der Abwanderung junger Menschen aus Ostdeutschland und will mit ihrem Film zur Reflexion über Rassismus anregen.
Julia Gonchar verbreitet ukrainische Literatur im Exil
Die Theaterautorin Julia Gonchar kämpft in Leipzig dafür, dass ukrainische Literatur im Exil weiterlebt. Seitdem der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sie zur Flucht zwang, organisert die Kiewerin in der Schaubühne Lindenfels eine Veranstaltungsreihe, bei der einmal im Monat zeitgenössische ukrainische Texte, Videokunst, Performance und Musik präsentiert werden. Dort trägt die Autorin, die Stift und Papier als Waffe versteht, auch eigene Texten über "Das Gefühl des Krieges" vor.
Leipziger Kollektiv engagiert sich für eine autofreie Stadt
Das Projekt "Superblocks Leipzig" will in den nächsten Jahren die Möglichkeiten von autofreiem Stadtraum aufzeigen. Der Fokus liegt dabei auf dem Leipziger Osten: Hier soll ein fußgängerfreundlicher öffentlicher Raum mit Fahrrad- und Spielstraßen entstehen, in denen sich die Nachbarschaft trifft und Autos nur beschränkt Zufahrt haben. In Zusammenarbeit mit der Leipziger Design-Gruppe "Kollektiv Plus X" sollen die Straßen Pop-up-mäßig verwandelt werden, um so Raum zu schaffen für Kultur, Workshops und Mitmachprogramme.
Spielekollektiv Gaiagames aus Könnern entwirft ökologische Brettspiele
Das Spielekollektiv Gaiagames aus Könnern entwickelt ökologische Brett- und Kartenspiele rund um Natur und Umwelt. Auch in der Herstellung der Spiele setzen die Entwickler Micha Reimer und Kevin Luhn auf Nachhaltigkeit. Sie vermitteln komplexe Themen spielend leicht, sei es das Funktionieren eines Ökosystems oder die Folgen des Klimawandels. Dabei steht an erster Stelle aber immer eines: der Spaß am Spiel.
Matthias Garff aus Leipzig gestaltet Kunst aus Müll
Der Leipziger Künstler Matthias Garff baut Tierskulpturen aus Alltagsgegenständen, die andere wegwerfen: Putzlappen werden zum Gefieder eines Rotkehlchens, Fahrradklingeln zu Vogelaugen. Die detailverliebten Skulpturen beeindrucken durch ihre überragende Größe – sie sind Menschen ebenbürdig. So will Garff auf mehr Freiräume für Tiere in der Stadt aufmerksam machen und mit seiner Upcycling-Kunst für den Umweltschutz sensibilisieren.
Thüringer Betterov macht Musik über psychische Gesundheit
Der Thüringer Musiker Betterov setzt sich auf seinem ersten Album "Olympia" mit mentalen Problemen auseinander. Er selbst war depressiv und in psychologischer Behandlung, was ihm auch über die Krankheit hinaus sehr geholfen hat. Als Jugendlicher begann er als Klavierspieler am Theater Eisenach und ging schließlich für ein Schauspielstudium nach Berlin, wo er bis heute lebt. Inzwischen widmet er sich jedoch wieder ganz seiner größten Leidenschaft: der Musik.
Shaima Dief aus Leipzig bricht mit Vorurteilen gegenüber dem Islam
Für die in Leipzig lebende Künstlerin Shaima Dief sind Galerien ein Ort für gesellschaftliche Debatten. In ihrer Kunst bricht sie mit Vorurteilen über den Islam und provoziert mit der Neuinterpretation von Symbolen. So bringt sie Frauen, die ein Kopftuch, Hidschab oder eine Burka tragen, in kräftigen Farben im Pop-Art-Stil auf die Leinwand oder zeigt sie mit Masken, wie sonst nur Superhelden zu sehen sind. Auf diese Weise will die 37-Jährige zum Austausch zwischen den Kulturen anregen.
Leipziger Maler Hartmut Kiewert zeigt die Welt ohne Massentierhaltung
Wie könnte eine Welt aussehen, in der wir keine Tiere mehr essen, die Massentierhaltung abschaffen und zum Beispiel vegan leben? Der Maler Hartmut Kiewert aus Leipzig entwirft solch eine Zukunft in seinen Bildern: zu Ruinen verfallene Fleischbetriebe, Schweine an der Bushaltestelle oder Picknicks mit Kühen. Kiewert will zum Nachdenken anregen: "Ich möchte andere Perspektiven auf diese sogenannten Nutztiere zeigen. Sie alle sind Individuen, Subjekt ihres eigenen Lebens, die auch als solche behandelt werden sollten und nicht als Ressourcen und als Waren.
Redaktionelle Bearbeitung: Valentina Prljic
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 20. Oktober 2022 | 22:10 Uhr