Das Kolumbarium auf dem Gertraudenfriedhof, umrandet von einer durch Bögen durchbrochenen Ziegelsteinmauer und in der Mitte der Grünfläche durch eine Skulpturengruppe verziert
Der Gertraudenfriedhof in Halle Bildrechte: MDR/Torben Tanne

Orte der Ruhe Halle: Vier sehenswerte Friedhöfe voller Geschichte und Kultur

15. November 2024, 04:00 Uhr

Die Friedhöfe in Halle sind nicht nur Orte der letzten Ruhe, sondern bieten auch Raum, um in sich zu gehen und nachzudenken. Beeindruckend ist ihre Architektur, die Meilensteine der Stadtgeschichte markiert. Von den 14 kommunalen Friedhöfen, die Halle (Saale) insgesamt hat, stellen wir eine Auswahl vor, wo zum Beispiel August Hermann Francke, Gründer der Franckeschen Stiftungen und die Eltern von Georg Friedrich Händel begraben sind.

Stadtgottesacker: Meisterwerk der Renaissance

Der älteste Friedhof Halles gilt bei vielen auch als der schönste. Der Stadtgottesacker wurde ab 1350 bereits für die Beisetzung von Pest-Toten genutzt und ab 1557 nach Vorbild italienischer Friedhöfe im Camposanto-Stil erweitert, bekannt für seine hofartige und von Bögen gesäumte Gestaltung. Vom Stadtpark kommend eröffnet sich ein verspielt verwunschener Anblick mit Torturm, allerlei Rundbögen und Verzierungen.

Das ist nicht selbstverständlich, denn nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg war der Stadtgottesacker lange verwaist. Erst nach Anstrengungen von Vereinen, Bildhauern und nicht zuletzt einer Privat-Spende von Marianne Wittler, Tochter des in Halle geborenen Chemikers und Nobelpreisträgers, Karl Ziegler, konnte die denkmalgeschützte Anlage renoviert werden.

Kolonnaden auf dem Stadtgottesacker in Halle
Der Stadtgottesacker ist der älteste Friedhof von Halle an der Saale. Bildrechte: imago/STAR-MEDIA

Einige verloren gegangene Gruft-Bögen wurden dabei durch zeitgenössische Gestaltungen ergänzt – in Zusammenarbeit zwischen Studierenden der Kunsthochschule Burg Giebichenstein und der Denkmalschutzbehörde. Eine in dieser Form einzigartige Zusammenarbeit in Deutschland.

Architektonisch interessierte und auch historisch bewanderte Besucher und Besucherinnen kommen gerade auf dem Stadtgottesacker nicht zu kurz, so sind Ruhestätten zahlreicher Persönlichkeiten der halleschen Stadtgeschichte zu finden. Um nur einige zu nennen: Die Grabstelle des pietistischen Theologen und Gründer der Franckeschen Stiftungen, August Hermann Francke, des Unternehmers und Stadtrates Ludwig Wucherer und die Grabstelle der Eltern des wohl berühmtesten Sohnes der Stadt, Georg Friedrich Händel.

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Stadtgottesacker
Gottesackerstraße 7
06108 Halle (Saale)
befindet sich im Stadtpark

Öffnungszeiten

Januar und Februar täglich von 8 bis 17 Uhr
März täglich von 8 bis 18 Uhr
April täglich von 8 bis 19 Uhr
Mai bis August täglich von 8 bis 20 Uhr
September täglich von 8 bis 19 Uhr
Oktober täglich von 8 bis 18 Uhr
November täglich von 8 bis 17 Uhr
Dezember täglich von 8 bis 16:30 Uhr

Nordfriedhof: park-ähnlich mit seltenen Baum-Arten

Der 1850 als zweiter städtischer Friedhof errichtete Nordfriedhof zeichnet sich durch seine park-ähnliche Gestaltung und zahlreichen Erb-Begräbnis-Anlagen entlang der Hauptwege aus. Zuerst benannt als "neuer Friedhof vor dem Steintor", erstreckt sich der Nordfriedhof über eine Fläche von 14 Hektar.

Das Gelände in unmittelbarer Nähe zum Wasserturm lädt ein zu flanieren und zu verweilen mit seinen knapp 1.000 Bäumen, darunter seltene Arten wie der Chinesische Blauglockenbaum, das Chinesische Rotholz und der Taschentuchbaum, die aufgrund ihrer Blätter und Rinden-struktur als besonders gelten. Neben den orts-prägenden Linden werden der Amberbaum, Ginkgobaum und Tulpenbaum als sogenannte "Klimabäume" bei den Neu-Pflanzungen bevorzugt verwendet.

Eingegrenzt von der aus vulkanischen Porphyr-Bruchstein bestehenden Mauer, findet sich auf dem Gelände eine auf dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes errichtete spätklassizistische Aussegnungs-Halle.

Weiterhin sind verschiedene Gräber hallischer Ehrenbürger zu finden, so wie das Familiengrab der Bethckes. Der kinderlose Ludwig Bethcke finanzierte mit seinem Nachlass die Etablierung einiger Einrichtungen für Kinder sowie die Eröffnung der als am fortschrittlichsten geltenden Frauenschule Preußens im Jahr 1911. Auch der Professor und "Vater der modernen Landwirtschaft", Julius Kühn, fand auf dem Nordfriedhof seine letzte Ruhe.

Das Familiengrab von Ludwig Bethcke auf dem Nordfriedhof in Halle (Saale): eine niedrige graue Mauer umringt eine begrünte Fläche, in der Mitte ein Steinkreuz
Das Familiengrab von Ludwig Bethcke und seiner Frau Emilie auf dem Nordfriedhof in Halle (Saale). Bildrechte: MDR/Torben Tanne

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Nordfriedhof
Am Wasserturm 12
06114 Halle (Saale)
Direkt an der Haltestelle "Am Wasserturm"

Öffnungszeiten

Januar und Februar täglich von 8 bis 17 Uhr
März täglich von 8 bis 18 Uhr
April täglich von 8 bis 19 Uhr
Mai bis August täglich von 8 bis 20 Uhr
September täglich von 8 bis 19 Uhr
Oktober täglich von 8 bis 18 Uhr
November täglich von 8 bis 17 Uhr
Dezember täglich von 8 bis 16:30 Uhr

Südfriedhof: Zeitzeuge der Industrialisierung

Nachdem die Stadt Halle weiter gewachsen ist, war neben Nord- und Gertraudenfriedhof ein weiterer städtischer Friedhof vonnöten. Der seit 1887 in Betrieb genommene Südfriedhof ist ein Zeitzeuge der Industrialisierung, abzulesen an den zahllosen Gräbern von Industriellen aus Halles Süden.

Unter den rund 30.000 Grabstätten ist auch die des Reinhold Rusche. Er soll große Teile der Flächen, die heute den Südfriedhof Halle ausmachen, der Stadt verkauft haben. In Originalgröße steht eine Statue seiner Person über seinem Grabstein und blickt auf den Friedhof im Wandel der Zeiten.

Dabei erwehrt sich der Ziegelbau im Eingangsbereich dem historischen Kontext. Dieser 25 Meter hohe mausoleums-artige Kuppelbau ist an die italienische Renaissance angelehnt, fügt sich allerdings in den ehrfürchtigen Gesamteindruck der Anlage.

Die Friedhofskapelle auf dem Südfriedhof in Halle (Saale)
Ein echter Hingucker: Die Friedhofskapelle auf dem Südfriedhof. Bildrechte: MDR/Torben Tanne

Nach einem Spaziergang unter den Platanen ist ein echter Teil sowjetischer Erinnerungskultur anzutreffen. Neben dem Ehrengräber-Feld der in Deutschland gefallenen sowjetischen Soldaten und ehemaligen Stationierten mit ihren Familienangehörigen befindet sich das Denkmal des Alexander Matrossow. Die einstmals im Stadtpark errichtete Statue wurde Halle von seiner Partnerstadt Ufa geschenkt und ehrt den "Helden der Sowjetunion" wegen seiner Verdienste im Zweiten Weltkrieg.

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Südfriedhof
Huttenstraße 25
06110 Halle (Saale)

Öffnungszeiten

Januar und Februar täglich von 8 bis 17 Uhr
März täglich von 8 bis 18 Uhr
April täglich von 8 bis 19 Uhr
Mai bis August täglich von 8 bis 20 Uhr
September täglich von 8 bis 19 Uhr
Oktober täglich von 8 bis 18 Uhr
November täglich von 8 bis 17 Uhr
Dezember täglich von 8 bis 16:30 Uhr

Gertraudenfriedhof: Zweckmäßigkeit und Würde

Der während des Ersten Weltkriegs errichtete und mit 47 Hektar größte Friedhof in Halle ist unter Stadtbaurat Wilhelm Jost entstanden. Jost ist im wahrsten Sinne des Wortes eine stadt-prägende Persönlichkeit gewesen. So gibt es noch heute in Halle etwa 50 von ihm verantwortete Bauwerke, unter anderem den Ratshof am Marktplatz.

Auch der Gertraudenfriedhof gilt als ein Highlight seiner Laufbahn. Mit den weiträumigen Alleen und der strengen Monumentalität der an die antike Architektur angelehnten Festhalle wandeln Besucher und Besucherinnen zwischen Leben, Erinnern und Tod. Diese Symbolik tragen auch die durch ein Toten-Relief geschmückten Säulen vor der Aussegnungs-Halle – einst trugen sie sogar die Personifikationen von Leben und Tod. Vor der Festhalle spiegelt sich diese in einem großen Wasserbecken, gesäumt von Pappeln und Sitzbänken, auf denen sich die Szenerie einatmen lässt.

Die Grab-Anlagen sind durch symmetrisch angeordnete Rechtecke von Wegen umgeben und sind durch ihre Kompartimentierung gleichermaßen präsent und versteckt. Aber auch hier lohnt es sich, den Wegen zu folgen, denn hier sind zahlreiche Brunnen anzutreffen. Und auch Werke wie die "Endlose Straße", die in der Mitte des Kolumbariums befindliche Figurengruppe, stellt 25 Menschen verschiedener Berufungen in Begleitung des Todes dar.

Eine Skulpturengruppe auf dem Gertraudenfriedhof in Halle
Die Skulpturengruppe "Die Endlose Straße" von Richard Horn auf dem Gertraudenfriedhof. 25 Menschen verschiedener Berufsgruppen folgen dem Tod auf eine Wanderschaft. Bildrechte: MDR/Torben Tanne

Der zum Gertraudenfriedhof zugehörige und angrenzende "Neue Jüdische Friedhof" ist der vierte und zuletzt entstandene in der Stadt. In ihm spiegelt sich die jüdische Vergangenheit der Stadt, zwischen einer der größten jüdischen Gemeinden zu preußischen Zeiten bis zur Abwanderung, Vertreibung und Ermordung zur Zeit des Nationalsozialismus. Die Gräber zeugen dabei sowohl vom alten als auch vom neuen jüdischen Leben in Halle.

Weitere Informationen zu den Adressen (zum Ausklappen)

Gertraudenfriedhof
Landrain 25
06118 Halle (Saale)

Neuer Jüdischer Friedhof
Dessauer Straße 24
06118 Halle (Saale)

Führungen
Zwischen April und Oktober

Öffnungszeiten Gertraudenfriedhof

Januar und Februar täglich von 8 bis 17 Uhr
März täglich von 8 bis 18 Uhr
April täglich von 8 bis 19 Uhr
Mai bis August täglich von 8 bis 20 Uhr
September täglich von 8 bis 19 Uhr
Oktober täglich von 8 bis 18 Uhr
November täglich von 8 bis 17 Uhr
Dezember täglich von 8 bis 16:30 Uhr

Öffnungszeiten Neuer Jüdischer Friedhof

Sommerzeit
Sonntag bis Donnerstag, 9 bis 18 Uhr
Freitag, 9 bis 17 Uhr

Winterzeit
Sonntag bis Donnerstag, 9 bis 16 Uhr
Freitag, 9 bis 15 Uhr

Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | 04. November 2024 | 19:30 Uhr

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