Stilisiertes Portrait von Anton Bruckner
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Zum 200. Geburtstag Anton Bruckner: Antiheld der Romantik

13. September 2024, 15:42 Uhr

Anton Bruckner kommt von einem anderen Stern. Jedenfalls will es vielen seiner Zeitgenossinnen und -genossen so erscheinen. In das ausgehende 19. Jahrhundert passen er und seine Zukunftsmusik einfach nicht hinein. Seine Sinfonien sind gewaltig, gebaut wie Kathedralen, mit gewagten Harmonien und kompromisslos knorrigen Themen. Und dieser kleine, schrullige Kauz soll sie geschaffen haben? Gegensätze vereinen sich in ihm: ein schlichtes Gemüt kollidiert mit höchster musikalischer Meisterschaft.

Bruckner ist ein Künstler, den man heute als "Original" bezeichnen würde. Die Hosenbeine stets zu kurz, damit sie ihm beim Orgelspiel nicht in die Quere kommen, unterwürfig gegenüber Obrigkeiten, gutmütig naiv und gleichzeitig auch etwas bauernschlau.

Frühes Leben

Wie Franz Schubert wächst Bruckner als Kind eines Dorfschulmeisters auf. Der kleine "Tonerl", wie ihn die Mutter nennt, hat eine große Begabung. Nach dem Tod des Vaters bringt sie den Jungen zum nahen Benediktinerstift Sankt Florian, wo Bruckner als Sängerknabe aufgenommen wird und das Orgelspielen erlernt.

Der ehrgeizige junge Mann verlässt Sankt Florian mit 24 Jahren, trotz fürstlicher Bezahlung und seiner Ernennung zum Stiftsorganisten. "Unser Stift behandelt Musik und folglich auch Musiker ganz gleichgültig", klagt er. "Ich kann hier nie heiter sein". Brucker wird Domorganist in Linz und versichert sich nebenbei durch zusätzlichen Unterricht immerzu seiner eigenen Meisterschaft. Erst nach 30 Jahren erklärt er seine musikalische Ausbildung für beendet. So lange und so verbissen hat selten ein Komponist an sich gearbeitet.

Durchbruch in Leipzig

In der von musikalisch-konservativen Cliquen beherrschten Musikmetropole Wien hat man für Bruckners Werke zunächst kein Ohr, allenfalls für seine gefeierten Orgelimprovisationen. Neben Wien wird aber auch Leipzig eine Schicksalsstadt für ihn. Dort wird seine Sinfonie Nr. 7 triumphal uraufgeführt. Bruckners enges und gutes Verhältnis zu Leipzig beginnt am 27. Dezember 1884, als er mit dem Kurierzug aus Wien in der Stadt eintrifft.

Lange ist nicht klar, ob es überhaupt zu einer Aufführung kommt, die Proben und der Termin für das große Ereignis sind zuvor immer wieder verschoben worden. Zum Glück aber wirkt am Stadttheater der junge Dirigent Arthur Nikisch. "Ich halte es von nun an für meine Pflicht, für Bruckner einzutreten", lautet sein Entschluss, nachdem er Bruckners Siebte kennengelernt hat.

Seine Musik ist danach in der Stadt kein Selbstläufer, doch Nikisch versucht jahrzehntelang alles, um sie durchzusetzen. Der Komponist dankt es ihm: "In Ewigkeit wird es dir zum Ruhme gereichen, dass du dein großes, hohes Genie für mich Verkannten und Verlassenen leuchten ließest! Gott vergelte es dir!" Im Gewandhaus erklingt Bruckners Musik ab 1895, und viel später, in der Spielzeit 1919/20, dirigiert Nikisch dort auch den ersten Bruckner-Zyklus überhaupt. Reihen mit Bruckner-Sinfonien werden fortan in Leipzig zu einer Tradition.

Der Kampf um Anerkennung

An Bruckners Sinfonien lässt sich ablesen, wie sich der Komponist an den Ansprüchen und dem Wohlwollen des Publikums, der Kritiker und der Freunde abarbeitet. Die Geschichte der Fassungen dieser Werke ist eine Wissenschaft für sich. Gegen die dritte Sinfonie gibt es in Wien Hasstiraden. Danach aber wendet sich dort das Blatt für den Komponisten. Die Vierte, die jemand später die "Romantische" genannt hat, wird Bruckners Durchbruch, ein kompositorischer Gipfelpunkt ist dann mit der fünften Sinfonie erreicht. "Halleluja", schreibt er unter die Partitur der apokalyptischen Achten.

Büste von Anton Bruckner im österreichischen Steyr.
Bruckner war seiner Zeit voraus. Bildrechte: IMAGO / CHROMORANGE

Bruckners letzte Tage

Anton Bruckner verbringt im sogenannten "Kustodenstöckl" des Wiener Schlosses Belvedere von Prinz Eugen seine letzten Tage. Während einer Aufführung seines "Te Deums" zeigt er sich ein letztes Mal in der Öffentlichkeit, herzkrank, zittrig, nervös und matt. In Belvedere skizziert er mit unsicherer Hand die letzten Noten des Finales seiner neunten Sinfonie. Sie bleibt unvollendet.

Dieses Thema im Programm: MDR KLASSIK | MDR KLASSIK am Morgen | 04. September 2024 | 08:40 Uhr

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