Mazedonien Mazedoniens Regierung will Umbau der Hauptstadt Skopje stoppen
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17. Januar 2018, 16:12 Uhr
Unter dem einstigen Regierungschef Nikola Gruevski wurde Mazedoniens Hauptstadt Skopje von 2010 an in eine kitschige Operettenstadt umgebaut. "Skopje 2014" hieß das kostspielige Projekt. Jetzt wird es revidiert.
Nach monatelanger Verfassungskrise und einem gewalttätigen Parlamentssturm mit Dutzenden Verletzten hat Ende Mai 2017 der Sozialdemokrat Zoran Zaev (SDSM) die Macht in der "Einstigen Jugoslawischen Republik Mazedonien“ (EJRM) übernommen. Zuvor regierte der nationalkonservative Premier Nikola Gruevski (VMRO-DPMNE) das Balkanland ein gutes Jahrzehnt mit eiserner Hand und zuweilen zweifelhaften Methoden. Nun stehen die Zeichen auf Neubeginn in vielen Bereichen. Im Namensstreit mit Griechenland, das seinem westlichen Nachbarn die Selbstbestimmung als "Republik Mazedonien" abspricht, weil es in seinem Norden selber eine Region Mazedonien hat, signalisiert Zaev Bereitschaft zu Zugeständnissen. Durch die baldmögliche Beilegung des Streits will er Griechenlands Blockade von Mazedoniens Beitrittsbemühungen zu NATO und Europäischer Union überwinden. Gelänge es ihm, wäre dies richtungsweisend für die Zukunft der zwei Millionen Mazedonier, von denen rund ein Viertel Albaner sind.
Hauptstadt des "Brutalismus"
Besonders greif- und sichtbar könnte sich der Machtwechsel bald im Weichbild der mazedonischen Hauptstadt Skopje manifestieren, ganz nach dem Motto: "Zurück in die Zukunft". Nach Skopjes fast völliger Zerstörung durch ein verheerendes Erdbeben am 26. Juli 1963, über tausend Menschen kamen damals ums Leben, wurde die Stadt mit großer internationaler Anteilnahme und Unterstützung der Vereinten Nationen wieder aufgebaut. Der japanische Architekt Kenzo Tange entwarf den Masterplan für ein explizit modernes Skopje mit leistungsfähigen Verkehrsadern, großen öffentlichen Plätzen und Gebäuden aus Sichtbeton, die in ihrer Form ihre Funktion unverhüllt zeigten. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich Skopje zu so etwas wie einer Modellstadt des architektonischen Stils des Brutalismus, benannt nach "beton brut", der französischen Bezeichnung für "roher Beton".
Moderne hinter Kitschfassaden
Heute zeugen nur noch wenige Gebäude von Skopjes Bedeutung für die Geschichte der modernen Architektur; der in die Jahre gekommene Bahnhof nach einem Entwurf Kenzo Tanges zählt ebenso dazu wie der Universitätscampus und das Postamt. Vor allem in der architektonischen Megastruktur des Gradski Targoski Centar (GTC) lässt sich der modernistische Geist des damaligen Skopjes noch erfahren. Bei der von Wohntürmen flankierten Einkaufspassage am Ufer des Vardar-Flusses gehen Freiflächen und überdachte Räume fließend ineinander über. Nachdem aber Nikola Gruevski im Jahr 2010 seine städtebauliche Vision "Skopje 2014" verkündet hat, sind viele Gebäude der architektonischen Moderne hinter neoklassizistischen Kitschfassaden verschwunden, darunter das berühmte Kaufhaus NAMA und sogar das einstige Haus der Kommunistischen Partei, der jetzige Regierungssitz. Er wurde vor drei Jahren durch Hinzufügung eines Tympanoms gar dem Weißen Haus in Washington angeglichen.
Grotesker Operettenstadl
Der Nationalist Gruevski wollte mit "Skopje 2014" das nationale Selbstgefühl der Mazedonier stärken und ihre vermeintliche Nachkommenschaft zum antiken Makedonien Alexander des Großen darstellen. Im Ergebnis seines urbanistischen Gestaltungswillens ist das Zentrum Skopjes zum grotesken Operettenstadl geworden, geprägt von sahnetortenartigen Prunkbauten, einem Panoptikum aus Heldendenkmälern und zweifelhaften Volksbelustigungen wie Segelschiffen, die am Ufer des Vardars vor Anker liegen. Schreitet man durch den Triumphbogen Porta Makedonia, gelangt man zum Makedonia-Platz, dominiert von einem gigantischen Reiterdenkmal. Alexander III. wird beim wilden Ritt auf hohem Sockel von Löwen bewacht, vom anderen Ufer des Vardars grüßt sein Vater Philipp II. mit erhobener Faust.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Weder die parlamentarische Opposition noch der außerparlamentarische Protest der sogenannten Bunten Revolution seit dem Sommer 2015 konnten Nikola Gruevski in seinem Cäsarenwahn hindern, die Hauptstadt des Landes nach seinem Gutdünken umzugestalten. Nach dem Amtsantritt der sozialdemokratisch-albanischen Koalitionsregierung Zoran Zaevs könnte er jetzt aber die Quittung dafür präsentiert bekommen. So ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits zu mehreren Objekten, ob bei Auftragsvergabe und Abrechnung alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Waren die Investitionskosten für Skopje 2014 ursprünglich auf 80 Mio € veranschlagt worden, so sollen sie sich bis heute auf rund 700 Mio € belaufen, eine kolossale Summe für das arme Balkanland.
Fehler der Vergangenheit korrigieren
"Wir müssen Skopje 2014 sofort stoppen, denn wie Pandoras Büchse erzeugt es mit jedem Tag neue Kitschmonumente, Skulpturen, Passagen und Kolonnaden, die keiner braucht, für die wir alle aber einen heftigen Preis bezahlen", hat der neue Kulturminister Robert Alagjozovski eine gründliche Revision angekündigt. Diese werde die Schäden aufzeigen, die dieses Projekt dem kulturellen Erbe Mazedoniens und dem öffentlichen Raum in Skopje zugefügt habe. Sanja Regenovic-Jovanovic, frühere Chefin der Mazedonischen Assoziation der Architekten (AAM), fordert im Namen vieler Architekten unverzügliche Rückbau-Maßnahmen. Zunächst sollten das Regierungsgebäude und das Kaufhaus NAMA ihrer neoklassizistischen Hüllen entledigt werden und ihre ursprüngliche moderne Form zurückerhalten. "Es wird natürlich Zeit und Geld kosten, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, wir haben aber keine andere Wahl, wenn wir unsere Reife und Staatlichkeit erweisen wollen", sagt Frau Regenovic-Jovanovic.
Alles offen
Doch so entschlossen sich Regierungschef Zaev im Namensstreit mit Griechenland gibt, um den Beitritt seines Landes zu EU und NATO zu beschleunigen, so vage sind seine Aussagen zu Skopje 2014. "Der Abriss einiger der monumentalen Denkmäler und die Demontage der neuen Fassaden ist kostspielig. Und bevor konkrete Schritte eingeleitet werden können, sind eingehende Analysen anzustellen", warnt er. So bleibt offen, wann das moderne Skopje hinter den antiquierten Fassaden wieder zum Vorschein kommt.
Über dieses Thema berichtete der MDR im TV auch in "Aktuell": 26.05.2017 | 17:45 Uhr