Mazedonien Verfassungskrise ruft starkes internationales Echo hervor
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09. März 2017, 13:13 Uhr
Der Sozialdemokrat Zoran Zaev will mit Hilfe von Abgeordneten der albanischen Minderheit an die Macht kommen. Staatspräsident Ivanov sieht deshalb die "nationale Stabilität" gefährdet und bittet EU und Nato um Hilfe.
Anfang dieser Woche setzte sich Mazedoniens Staatspräsident Gjorge Ivanov in seiner Residenz am Berg Vodno hoch über der Hauptstadt Skopje nieder und verfasste einen Brief an die Weltmächte. Er forderte die Europäische Union, die NATO sowie die Präsidenten der USA und der Türkei auf, zur "Wahrung der regionalen Stabilität" auf dem Balkan die "Tirana-Plattform zu verurteilen". So nennt Präsident Ivanov eine zwischen den drei Parteien der albanischen Minderheit in Mazedonien und der sozialdemokratischen Partei SDSM getroffene programmatische Vereinbarung zur Bildung einer Koalitionsregierung. "Sie gefährdet die Souveränität und Unabhängigkeit der Republik Mazedonien und bringt sie in eine unterwürfige Situation gegenüber einem fremden Land", schrieb das mazedonische Staatsoberhaupt.
Albanische Minderheit soll künftig stärker repräsentiert sein
Wie Gjorge Ivanov behauptet auch Nikola Gruevski, langjähriger Ministerpräsident der nationalistischen Partei VMRO-DPMNE, die „Tirana-Plattform“ sei auf Initiative und unter Mitwirkung von Albaniens Ministerpräsident Edi Rama verfasst worden und damit ein Dokument der Einmischung eines fremden Staates in die inneren Angelegenheiten Mazedoniens. Gruevskis Partei war aus den Parlamentswahlen im Dezember 2016 mit 51 Sitzen zwar als stärkste politische Kraft hervorgegangen, mit ihren Bemühungen zur Bildung einer Regierungsmehrheit aber gescheitert. Dagegen gelang es dem Oppositionsführer der sozialdemokratischen SDSM, Zoran Zaev, die achtzehn albanischen Abgeordneten zur Regierungsbeteiligung zu überreden und eine stabile Parlamentsmehrheit von 67 Sitzen zu bilden. Dafür versprach Zaev den Albanern unter anderem die Einführung des Albanischen als zweite Amtssprache und eine Veränderung der staatlichen Symbole - Wappen, Hymne und Flagge. Sie sollen künftig die albanische Minderheit, rund ein Viertel der zwei Millionen mazedonischen Bürger, stärker repräsentieren.
Neue Stufe der Eskalation
Anfang März 2017 weigerte sich Staatspräsient Ivanov unter Hinweis auf die "Tirana-Plattform", SDSM-Führer Zoran Zaev den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. Er hat damit einen verfassungsrechtlich umstrittenen Präzedenzfall geschaffen und die seit Jahren akute politische Krise auf eine neue Eskalationsstufe gehoben. Ivanov ist dafür von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und dem Botschafter der USA in Skopje, Jess Baily, einhellig gescholten worden. Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel forderte den Präsidenten auf, er solle "seine Entscheidung überdenken und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger seines Landes korrigieren", widerspreche sie doch "demokratischen Prinzipien und den europäischen Werten, denen sich das Land verpflichtet hat".
Ein Mazedonien für alle, die in ihm leben
"Die SDSM will um jeden Preis an die Macht, obwohl sie die Wahlen verloren hat", behauptet VMRO-Führer Gruevski und warnt, die Koalition zwischen der SDSM und den Albanern bringe die Minderheit der Albaner an die Macht und dränge die Mehrheit der Mazedonier in die Opposition. Viele Mazedonier denken ebenso, Таusende ziehen allabendlich vom Regierungssitz zum Parlament, um für ein "einiges Mazedonien" zu demonstrieren. Gruevski fordert Neuwahlen, dann könnten die Bürger entscheiden. "Die zweite Option ist, dass sie ihre Plattform aufgeben, dafür werden sie dann unsere volle Unterstützung für die Bildung einer Minderheitenregierung erhalten", sagt Gruevski an die Adresse der SDSM. Sozialdemokrat Zaev beteuert aber, es gehe ihm um "ein Mazedonien für alle, die in ihm leben", anstelle der nationalistischen Maxime "Mazedonien den Mazedoniern". "Ivanov und Gruevski blockieren den Transfer der Macht, um der Strafverfolgung wegen Korruption und Amtsmissbrauch zu entgehen", behaupten er und seine Anhänger.
Destabilisierung Mazedoniens?
Hat der mazedonische Präsident das Recht, mehrheitsfähigen Parlamentsparteien die Bildung einer Regierung zu verwehren? EU, NATO und die USA haben sich eindeutig dagegen positioniert und so Ivanov zur Abfassung seiner Note provoziert. Russland musste Ivanov nicht anschreiben, denn das steht als einzige Großmacht fest auf seiner Seite. NATO und Europäische Union stünden hinter der "Destabilisierung Mazedoniens" und betrieben seine "Föderalisierung", ließ das russische Außenministerium verlauten. In russischer Sichtweise benutzt der Westen die albanische Minderheit für seinen Versuch, der geschlagenen Opposition zur Macht zu verhelfen. Den muslimischen Albanern aber den Status einer staatsbildenden Nation zu gewähren, könne Mazedonien von der europäischen Karte verschwinden lassen und einen neuen bewaffneten Konflikt am Balkan ausbrechen lassen, warnen russische Kommentatoren.
Über dieses Thema berichtet MDR auch in MDR Aktuell 28.04.2017 | 10.55 Uhr