Einen Monat vor der WahlWie die russische Provinz auf die Präsidentschaftswahl blickt
Einen Monat vor der Präsidentenwahl wird auch hier im Ural Wahlkampf gemacht. Auf dem Wahlplakat von Wladimir Putin steht: "Starker Präsident - starkes Russland".Bildrechte: Roman Schell
Von einem "starken Russland" ist hier allerdings nicht viel zu spüren. Es herrscht eher Perspektivlosigkeit. Vor etwa 20 Jahren zählte die Stadt mehr als 8000 Einwohner. Heute leben hier etwa 4.600 Menschen. Junge Leute verlassen Tscherdyn - Nur die Alten bleiben.Bildrechte: Roman Schell
Das Geld ist knapp in Tscherdyn - Die Einwohner müssen improvisieren und basteln aus Altem Neues. So wurde auch eine alte Kirche in eine Bäckerei umfunktioniert.Bildrechte: Roman Schell
Anatolij (Name geändert) verkauft Kleidung und Walenki (traditionelle russische Winterstiefel aus Filz) auf dem kleinen Markt im Zentrum von Tscherdyn. "Hier gibt es keine Arbeit. Die meisten Leute arbeiten im Schichtdienst weit weg von hier. Für wenige Wochen kommen sie zu ihren Familien nach Tscherdyn und fahren dann wieder für längere Zeit weg.Bildrechte: Roman Schell
Einen Monat vor der Präsidentenwahl wird auch hier im Ural Wahlkampf gemacht. Auf dem Wahlplakat von Wladimir Putin steht: "Starker Präsident - starkes Russland".Bildrechte: Roman Schell
Aleftina ist Rentnerin und wohnt allein in ihrem alten Haus. Die Witwe muss mit etwa 200 Euro Rente im Monat zurechtkommen: "Das Geld reicht mir grade zum Leben, aber nur weil ich sehr sparsam bin. Das kaputte Dach in meinem Haus kann ich nicht reparieren. Ich habe den Eindruck, dass unsere Kleinstadt langsam ausstirbt. Die Behörden wollen hier bald sogar das Krankenhaus schließen!"Bildrechte: Roman Schell
Obwohl es ihrer Stadt so schlecht geht, will Aleftina bei der kommenden Präsidentschaftswahl für Wladimir Putin stimmen: "Ich bin eine Patriotin und bin stolz darauf, dass wir die Halbinsel Krim geholt haben. Für die Probleme im Innland ist vor allem die Regierung verantwortlich. Es gibt kaum Verbesserungen, aber Putin hat damit aber nichts zu tun“, meint sie. Bildrechte: Roman Schell
Putin-Gegner Alexander ist anderer Meinung: "Wir kämpfen hier ums Überleben. Der Kreml kümmert sich nicht um die einfachen Menschen im Land. Putin ist ein Geizkragen! Wofür brauchen wir denn so viele Panzer und Raketen, wenn die Leute hier bei uns beim Essen sparen und die Krankenhäuser geschlossen werden? Die meisten Menschen hier sind für Putin, weil sie keine Alternative sehen". Bildrechte: Roman Schell
Alexander meint weiter, dass die Wahlbeteiligung in Tscherdyn sehr gering ausfallen wird. Die Leute interessieren sich überhaupt nicht mehr für die Politik. Er selbst geht nicht zur Wahl. Über den Oppositionellen Alexey Nawalny hat in der Stadt auch kaum jemand etwas gehört. Im Staatsfernsehen wird sein Name nicht erwähnt.Bildrechte: Roman Schell
Irgendwo im Nirgendwo an der Grenze zwischen Europa und Asien führt die Landstraße nach Tscherdyn. Die Kleinstadt im Ural liegt 1.700 Kilometer nordöstlich von Moskau. Stundenlang hat man hier gar keinen oder einen sehr schlechten Handyempfang.Bildrechte: Roman Schell
Die erste Erwähnung der Stadt Tscherdyn stammt aus dem Jahr 1451. Hier sind noch viele Altbauten erhalten geblieben. Eine Kirche wurde nach alten Baumustern wiederaufgebaut. Darauf sind die Menschen hier stolz.Bildrechte: Roman Schell
Rund um Tscherdyn gibt es nur Wald. Die Einheimischen genießen die saubere Luft und die Ruhe. Die Region Perm wurde in der Sowjetzeit als "Republik der Gefangenen" bezeichnet, da hier die ersten "GULAG's", also Straf- und Arbeitslager geschaffen wurden. Die Gefangenen in den Arbeitslagern wurden vor allem bei der Abholzung von Wäldern eingesetzt.Bildrechte: Roman Schell
Die Temperaturen in Tscherdyn können im Winter schon unter -50 Grad fallen. Obwohl überall in der Stadt meterhohe Schneehaufen liegen, sagen die Bewohner:"Es hat in diesem Winter voll wenig geschneit".Bildrechte: Roman Schell
Und mitten im Zentrum von Tscherdyn steht die öffentliche Toilette, ein schlichtes Plumpsklo. Bildrechte: Roman Schell
In Tscherdyn stehen viele Häuser leer. Russland erlebt eine beispiellose Landflucht. In den letzten 20 Jahren sind mehr als 20.000 Dörfer von der Karte verschwunden. Menschen in Tscherdyn befürchten, dass ihre Stadt auch irgendwann leer stehen wird.Bildrechte: Roman Schell
Insgesamt spielt der Wahlkampf bei den Einwohnern keine große Rolle, wie man auf der Anzeigetafeln im Zentrum von Tscherdyn erkennen kann. Links: Eine Info über die kommende Präsidentschaftswahl. In der Mitte: Ein Zirkusplakat. Rechts ist eine private Anzeige: "Ich würde Elchhörner kaufen".
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio | 06.12.2017 | 16:00 UhrBildrechte: Roman Schell