Rumänen gehen wieder auf die Straße
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05. September 2017, 08:55 Uhr
Geht es um den Antikorruptionskampf in Rumänien, ist die Stimmung schnell gereizt. Jetzt hat Justizminister Toader mit seinem Gesetzentwurf eine neue Debatte entfacht, ob und wie die Politik ihren Einfluss auf die Justiz sichern will. Vor dem Regierungssitz in Bukarest kam es deswegen am Sonntag zu neuen Protesten.
Am Sonntagabend haben in Bukarest rund Tausend Rumänen ihren Unmut über eine anstehende Justizreform im Land geäußert. Vor dem Regierungssitz demonstrierten nach Angaben des rumänischen Nachrichtenportals Hotnews damit rund 2.000 weniger als noch eine Wochenende zuvor. Die Protestler riefen Slogans wie "Diebe", "Justiz, keine Korruption", "PSD - rote Pest". Zudem forderten die Demonstranten den Rücktritt der Regierung Tudose und von PSD-Parteichef und dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Liviu Dragnea.
Zum Protest hatten Gruppen wie "Coruptia ucide" ("Korruption tötet“) und "Insistam" ("Wir insistieren") über Facebook aufgerufen. Ihren Protest begründeten sie mit den Worten:
Die Zivilgesellschaft wird niemals einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz gewähren. Wir sind nicht Russland und wir werden nicht zulassen, dass eine Handvoll Diebe mit Rumänien tut und lässt, was sie will.
Mehr Machtbefugnisse für das Justizministerium
Justizminister Tudorel Toader hatte Ende August angekündigt, mehr als 13 Jahre alte Gesetze evaluieren zu wollen, die Statuten für Richter und Staatsanwälte betreffen, die richterliche Organisation sowie den Obersten Magistraturrat CSM - die zentrale Berufsaufsicht über Richter und Staatsanwälte.
Alles Fachfragen, doch geht es dabei auch um viel Macht. In den Vorschlägen von Toader wird sein Ressort künftig deutlich mehr Kompetenzen erhalten. So soll die bisherige autonome Dienstaufsicht, die bei möglichen Rechtsverstößen von Juristen ermittelt, wieder dem Justizministerium unterstellt werden - wie schon 2005. Experten erinnern in diesen Tagen gerne daran, welch düstere Zeiten das waren, als eine politische Einflussnahme auf Staatsanwälte und Richter möglich war.
Staatspräsident bleibt außen vor
Auch sollen die Machtbefugnisse des Staatspräsidenten beschnitten werden, wenn es um die Ernennung und Abberufung leitender Staatsanwälte der Antikorruptionsbehörde DNA und der Antimafiabehörde DIICOT geht. Einen Teil der Rumänen stimmt das missmutig. Sie erwarten von ihrem direkt gewählten Präsidenten einen führungsstarken, charismatischen Amtsträger, der vor allem ein mächtiger Gegenspieler zur derzeitigen sozialliberalen Regierung ist. Die Macht aber wird ihm nun teils genommen. Staatschef Klaus Johannis reagierte dieser Tage heftig auf den Vorstoß und verglich ihn mit einem "Angriff auf den Rechtsstaat".
Politik kungelt Posten aus
Seit Jahren gibt es in Rumänien einen Machtkampf um die Antikorruptionsbehörde DNA und der Antimafiabehörde DIICOT, weil deren Ermittlungen politische Karrieren abrupt beenden können. 2013 kungelten der damalige Premier Victor Ponta und der einstige Staatschef Traian Basescu unverblümt die Besetzung beider Behörden aus - Favoriten, die ihnen politisch genehm waren, statt dass sie per Auswahlverfahren nach juristischer Kompetenz ausgesucht wurden. Experten vermuten daher, dass hinter den Kulissen der Ermittlungsbehörden bis heute gesteuert wird, welcher Gegner politisch erledigt werden soll.
Eliten wandeln sich nicht so schnell
Immer wieder versucht auch das Parlament, den Antikorruptionskampf zu schwächen, da die Abgeordneten häufig im Visier der DNA stehen. Im vorigen Jahr 2016 erhob die Sonderstaatsanwaltschaft Anklage gegen mehr als 1.300 Amtsträger, darunter mehrere Minister und Parlamentarier. Die setzen in den Medien alles daran, die Arbeit der DNA zu denunzieren und geben sich gern als politisch Verfolgte aus. Ein Teil der Rumänen glaubt das inzwischen.
Solange einige Parteien meinten, Kapital aus dem Antikorruptionsthema zu schlagen, solange gebe es auch politischen Druck auf die einheimische Justiz, schrieb dieser Tage die Politikexpertin Alina Mungiu-Pippidi im Blogportal "Romania Curata" ("Sauberes Rumänien"). Schon nach den Massenprotesten zu Jahresbeginn mahnte sie an, dass es nicht um ein paar Gesetzesänderungen, sondern um eine grundsätzlich andere Art der Regierungsführung gehen müsse. Wer hier einen schnellen Wandel erwarte, der werde enttäuscht: "Alternative Eliten sind nichts, was man leicht oder über Nacht erreichen kann", sagte Mungiu-Pippidi im Interview mit dem europapolitischen Nachrichtenportal euractiv.
Auch Geheimdienst mischt sich ein
Als Strippenzieher in der Justiz versucht sich aber nicht nur die Politik, sondern auch der Inlandsgeheimdienst SRI, denn jahrelang ermittelte die DNA - trotz massiver Kritik von Menschenrechtsgruppen - ihre Beweise per großem Lauschangriff. Massenhaft hörte der Geheimdienst die Telefonate von Tatverdächtigen ab und brachte damit manche Ermittlung gegen Politiker überhaupt erst einmal ins Rollen. 2016 schob das Verfassungsgericht dieser fragwürdigen Praxis einen Riegel vor. Der Geheimdienst könne nicht die Rolle von Kriminalermittlern übernehmen, die die DNA schon selbst stellen müsse, hieß es vom Obersten Gericht.
Kövesi zur Heldin stilisiert
Die Antikorruptionsbehörde DNA in ihre Schranken zu weisen oder nur einfach zu kritiseren, trauen sich aber die wenigsten in Rumänien. Sie wollen nicht korrupten Politikern in die Hände spielen, die sich nichts sehnlicher wünschen als eine schwache Ermittlungsbehörde. So schrieb der rumänische Journalist Horatiu Pepine im Mai in einem Kommentar, dass die DNA-Chefin Laura Kövesi in vielen Redaktionen ein Tabuthema sei, auch weil die Medien sie als eine "für Gerechtigkeit sorgende Heldin" idealisiert hätten.
Kövesi, deren Amtszeit als DNA-Chefin bis Mai 2019 läuft, könnte jetzt aber früher abgesetzt werden, sollte das Ernennungsprozedere - wie im jüngsten Justizreformpaket vorgesehen - abgeändert werden.
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im: Radio | 28.08.2017 | 23:30 Uhr