Rumänien Ein Deal mit einem sterbenden Ex-König

20. November 2017, 16:07 Uhr

Rumäniens Ex-König Mihai I. liegt im Sterben. Für die Politik offenbar der richtige Zeitpunkt, um dem Königshaus einen Vorschlag zu unterbreiten: Die königliche Familie soll künftig der demokratischen Republik dienen. Ein kühner Plan, der für Kritik sorgt und bei dem unklar ist, ob der 96-jährige Ex-König Mihai ihn überhaupt kennt. Er wäre heute der dienstälteste Monarch, hätte er 1947 nicht unter dem Druck der Kommunisten in Rumänien abtreten müssen.

Die Fernsehjournalistin und Monarchie-Anhängerin Marilena Rotaru ist entsetzt über den jüngsten Vorschlag der Chefs der beiden rumänischen Parlamentskammern. Der Sozialdemokrat Liviu Dragnea und der liberale Politiker Calin Popescu-Tariceanu wollen den Status der einstigen Königsfamilie ändern: Die bislang als Privatpersonen im Land lebende Dynastie soll künftig den Status einer juristischen Person bekommen. Hinter dem kompliziert wirkenden Gesetzesprojekt steckt ein einfacher Ansatz: Die Ex-Königsfamilie soll künftig vom Staat finanziert werden und dem Parlament und Land als Imageträger dienen.

Königshaus als Juwel

Für eine groteske Symbiose hält Marilena Rotaru den Vorschlag, der bereits in der Vergangenheit öfter Thema war. Nun, da er von den Parlamentschefs kommt, gilt eine Abstimmung als sicher und als reine Formsache. Dass die einstigen Monarchen der demokratischen Republik dienen sollen, ist für die Journalistin Rotaru unvorstellbar. Für Royals gehöre sich das schließlich nicht. Auch hält sie es für inakzeptabel, dass "sich ausgerechnet die korrupten politischen Parteien das Königshaus wie ein Juwel ans Revers heften wollen" und das Königshaus nicht einmal etwas dagegen hat.

Immer Kontakt zum Volk

Rumänischer Ex-König Mihai und Journalistin Marilena Rotaru - 1997 bei Drehaufnahmen
Rumänischer Ex-König Mihai und Journalistin Marilena Rotaru - 1997 bei Dreharbeiten. Bildrechte: Marilena Rotaru

Rotaru ist mit ihrer Meinung nicht allein. Ex-König Mihai genießt hohes Ansehen im Land. Man schreibt ihm Attribute zu, die viele Rumänen bei ihren Volksvertretern schmerzlich vermissen: Der Ex-Monarch gilt als bescheiden, als würdevoll, als einstiges Staatsoberhaupt, das allein den Interessen des Landes gedient habe. Fernsehjournalistin Rotaru begleitete Mihai vor Jahren auf einer Reise durch Rumänien, um eine Reportage über ihn zu filmen: "Die Menschen haben angehalten, als er kam. Sie suchten sich am Straßenrand irgendetwas, um damit zu winken – und wenn es Unkraut war. Der König hat immer den direkten Kontakt mit seinem Volk gesucht."

Ex-König fernab der Öffentlichkeit

Mit dem direkten Kontakt ist es aber inzwischen vorbei. Vor knapp anderthalb Jahren - im März 2016 - zog sich der hochbetagte Ex-Monarch aus der Öffentlichkeit zurück, nachdem bei ihm Blutkrebs diagnostiziert worden war. Er wird derzeit in seiner Wohnung im schweizerischen Aubonne von einem Ärzteteam betreut. "Der König stirbt", titelte unlängst das rumänische Blogportal republica.ro. Fast täglich bringt die einheimische Berichte über den todkranken Mihai. Je schlechter es ihm geht, umso besser sind seine Sympathiewerte in den Umfragen. Aktuelle Bilder vom Ex-Monarchen gibt es schon lange keine mehr. In sozialen Netzwerken kursiert deshalb ein makabres Gerücht: Dass die Royals noch auf die Billigung des Gesetzprojektes warten, bis sie Mihais Tod verkünden. Er ist und bleibt die zentrale Figur der Königsfamilie.

Wie Rumänien einen König bekam 1866 spricht sich das rumänische Volk in einem Referendum für den deutschen Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen als neuen Herrscher des Fürstentums Rumäniens aus. Er kommt den Rumänen weniger korrupt als die einheimischen Fürsten vor. Karl kann kein Wort Rumänisch. 15 Jahre später – 1881 – wird er zum König gekürt. Sein Neffe Ferdinand tritt schließlich seine Nachfolge an. Die Monarchie dauert bis 1947, bis König Mihai - der Enkel von Ferdinand - abdanken muss. Mihai spricht nur noch wenig Deutsch. Er verzichtete 2011 auch auf den Namenszusatz "von Hohenzollern-Sigmaringen".

Lebenslange Sprachstörung

Mihais Lebensgeschichte gilt als äußerst wechselvoll. Von Beginn an hat er keinen einfachen Start: Er kommt am 25. Oktober 1921 mit einem deformierten Gaumensegel zur Welt. Ein Leben lang redet er schwerfällig, näselt, nuschelt und wirkt unbeholfen. Nicht die besten Voraussetzungen für einen Kronprinzen, der einmal den Ton angeben soll. Hinzu kommen vertrackte familiäre Probleme. Als sein Vater, ein notorischer Fremdgeher, wegen einer Affäre freiwillig auf den Thron verzichtet, wird Mihai bereits als Fünfjähriger zum König ernannt, amtiert jedoch vorerst nur drei Jahre lang. Als 18-Jähriger kommt er erneut auf den Thron - wieder fehlt ihm die echte Macht, die ab den 1940er-Jahren der rumänische Militärdiktator Ion Antonescu in seinen Händen hält, der Rumänien zum Kriegsverbündeten Hitlerdeutschlands macht.

Wichtigster Auftritt auf der politischen Bühne

Hitler beschreibt den jugendlichen König als "blitzdumm", weil der wegen seiner Sprachstörung lieber schweigt statt spricht. Doch der junge Monarch beschert dem deutschen Diktator eine große Niederlage. Am 25. August 1944 wird Mihai seinen ersten und letzten gewichtigen Auftritt auf der weltpolitischen Bühne haben: Er kündigt das Waffenbündnis mit Hitlerdeutschland auf, Rumänien kämpft von nun an auf der Seite der Alliierten. Was der 23-jährige König mit dem Frontwechsel allerdings nicht verhindern kann, ist, dass die Kommunisten nach dem Krieg die Macht in seinem Land  übernehmen. Ende 1947 zwingen sie Mihai, abzudanken und auf seine rumänische Staatsbürgerschaft zu verzichten. Im Exil in der Schweiz verdingt sich der enteignete König von nun an als Börsenmakler und Testpilot.

Einreise in Heimatland erschwert

Nach der 1989er-Revolution hätte Mihai auf den Thron zurückkehren können, hätten die Rumänen sich eine Monarchie gewünscht. Doch der Ex-König Mihai braucht zu diesem Zeitpunkt als Exil-Rumäne ein Visum, um in sein Heimatland einzureisen. Von den Behörden bekommt er es, wenn überhaupt, nur tageweise. Die rumänischen Postkommunisten erkennen schnell, welche Popularität der Ex-König im Land noch genießt, auch wenn er seit über 40 Jahren seinem Volk nicht mehr begegnet ist. Um eine mögliche Rückkehr zur Monarchie zu verhindern, erschweren die Sozialdemokraten Mihai auf Jahre die Einreise. Ausgerechnet jene Partei, die nun wieder den engen Kontakt zur Königsfamilie suchen.

Lobby-Arbeit statt Anti-Korruptionskampf

Politologe Cristian Pirvulescu, Bukarest
Politologe Cristian Pirvulescu Bildrechte: MDR/Annett Müller

Vorangetrieben wird das Projekt auch von Margareta, der Tochter des Ex-Monarchen. Sicher ist es rühmlich, für das osteuropäische Land zu werben, das ein besseres Image dringend nötig hätte. Erst Mitte November rügte die EU-Kommission die Bukarester Regierung und das Parlament, den Anti-Korruptionskampf schwächen zu wollen. Gegen die beiden Parlamentschefs, die das Royal-Projekt verfolgen, laufen Korruptionsermittlungen. Deswegen zurückzutreten, käme den beiden nicht in Sinn. "Dass ein Imagewechsel des Landes beispielsweise über einen effizienten Anti-Korruptionskampf vor allem innerhalb der politischen Klasse erfolgen kann, daran glauben unsere Politiker nicht. Sie setzen lieber auf Lobby-Arbeit durch die Royals", sagt der Bukarester Politikexperte Cristian Pirvulescu.

Gefährliches Projekt für die Royals

Derzeit bezieht Ex-König Mihai als früheres Staatsoberhaupt monatlich mehr als 1.000 Euro vom Staat und darf gratis in einem teuren Palast in der Innenstadt von Bukarest wohnen. Laut Gesetzprojekt soll das nach seinem Tod auch für Mihais älteste Tochter Margareta als seine Nachfolgerin gelten. Hinzu sollen Millionen Euro für die Lobby-Kampagne kommen, vor allem bei Monarchien, die es immerhin noch in einem Viertel aller EU-Staaten gibt. Dass Margareta das Gesetzvorhaben begrüßt, ist nur allzu verständlich.

Politologe Pirvulescu glaubt hingegen, dass die Idee für die Royals auch nach hinten losgehen könnte. "Wenn sie Lobby-Arbeit für diese Regierung und das Parlament betreiben, riskieren sie, sich zum Accessoires von skrupellosen Politikern zu machen", warnt Pirvulescu. Die hoch geschätzte einstige Königsfamilie könnte dann bald selbst ein Imageproblem bekommen.

Über dieses Thema berichtet MDR Brisant auch im: Fernsehen | 02.08.2016 | 17:15 Uhr