Das Projekt Wer beherrscht den Osten?

Geld - Macht - Staat

23. Mai 2017, 10:23 Uhr

1990 ist die DDR am Ende, weil die Mehrheit der Ostdeutschen denen nicht mehr traut, die das Land beherrschen. Das Volk wählt den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland. In Politik, Wirtschaft, Medien, Universitäten und sogar dem kleinsten Sportverein gilt nun, was im Westen Jahrzehnte lang gewachsen ist – und es beginnt ein gewaltiger Transfer von Strukturen und Eliten von West nach Ost.

Teil 1 | 14.03.2017 | 22:10 Uhr | MDR FERNSEHEN (Wd.)

Mehr als 25 Jahre sind seitdem vergangen. Auf den ersten Blick ist die Bilanz eindeutig, denn der Elitentransfer scheint bis heute fortzuwirken. 87 Prozent der Wohnbevölkerung in den neuen Bundesländern sind heute Ostdeutsche, d.h. sie sind aufgewachsen in der Region. In den Spitzenämtern von Wirtschaft, Politik, Sport, Kirchen, Militär und Gesellschaft spiegelt sich das allerdings nicht wider. Im Durchschnitt besetzen Ostdeutsche gerade mal 25 bis 35 Prozent der Spitzenpositionen, in einigen Bereichen ist es lediglich ein Prozent.

Entgegen der anfänglichen Erwartung ist die Dominanz von Amtsträger aus dem Westen nicht vorübergehend. Eine ostdeutsche Kanzlerin kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass bis heute Ostdeutsche kaum in gesellschaftliche Spitzenpositionen eingerückt sind. Mehr als die Hälfte der Staatssekretäre in ostdeutschen Ministerien stammt aus den alten Bundesländern, bei den Abteilungsleitern sind es sogar drei Viertel.

Welche Folgen hat das? Der erste Teil der zweiteiligen Doku-Reihe "Wer beherrscht den Osten?" sucht nach Antworten, indem er tief in das politische Gefüge Ostdeutschlands eintaucht. Viele Menschen haben das Vertrauen in die traditionellen Institutionen der Parteiendemokratie verloren. In punkto Wahlbeteiligung sind die Ostdeutschen bundesweit die Schlusslichter. Und es gibt die Neigung, radikaler zu wählen und zu artikulieren. 

Zu Wort kommen Menschen an der Basis, aber auch Politiker und Funktionsträger, die nach 1990 aus dem Westen in den Osten gekommen und dann sehr unterschiedliche Wege gegangen sind. Mit Bodo Ramelow wurde zum ersten Mal ein Politiker der Linkspartei zum Ministerpräsidenten gewählt. Und Johannes Beermann, lange Jahre Chef der sächsischen Staatskanzlei, ist inzwischen Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Ihr Blick auf den Osten Deutschlands könnte unterschiedlicher nicht sein.

"Wer beherrscht den Osten?" - die Doku-Reihe legt offen, wer wo und warum welchen Einfluss hat und wer nicht. Und sie zeichnet die historischen Entwicklungslinien nach.

Teil 2 | 21.03.2017 | 22:05 Uhr | MDR FERNSEHEN (Wd.)

Der zweite Teil der Dokumentation erzählt von den neuen Netzwerken und Strukturen, vom feinen Geflecht aus Abhängigkeiten, die sich im Osten anders entwickelt haben als im Westen und die heute bestimmen, wie der Osten "tickt".

Die Wirtschaftsstrukturen im Osten sind gänzlich andere als im Westen. Das ist historisch gewachsen. Die DDR-Kombinate wurden zerschlagen oder privatisiert, Großkonzerne im Osten sind eine Seltenheit. Stattdessen wuchs ein starker Mittelstand heran, der bisweilen stärkere Wachstumsraten aufweist als in den alten Ländern. Das bedeutet auch andere Machtstrukturen. Der Mittelstand kann auf sehr direkte Verbindungen zur Politik bauen, denn das Versprechen, Arbeitsplätze in strukturschwache Regionen zu bringen,  hat noch immer erhebliches Gewicht. Starken gesellschaftlichen Einfluss haben auch die Kirchen, obwohl die Mitgliederzahlen eher Machtlosigkeit vermuten lassen. Sie sind heute in vielen gesellschaftlich relevanten Gremien vertreten. Hinzu kommt, dass die Kirchen gerade im Osten über riesige Ländereien verfügen.

Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirche und Sport: Der zweite Teil der Doku-Reihe "Wer beherrscht den Osten?" wirft einen genauen Blick auf das Netzwerk der neuen Mächtigen in Ostdeutschland. Zu Wort kommen Politiker und Funktionsträger wie Claus Weselsky, der nicht unumstrittene ostdeutsche Gewerkschaftschef, und Ex-Banker Hilmar Kopper, der der Deutschen Bank direkt nach der Wende den Weg in den Osten ebnete.

Die Doku-Reihe kommt zu einem bemerkenswerten Ergebnis. Obwohl 87 Prozent der Wohnbevölkerung in den neuen Bundesländern Ostdeutsche sind, spiegelt sich das jedoch an den Schaltstellen der Macht an keiner Stelle prozentual wider. Auch weil viele Ostdeutsche, die heute Schlüsselpositionen einnehmen könnten, nach 1989 den Osten verließen.

Der Trailer

Grafik mit Schachfiguren 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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Do 19.05.2016 13:53Uhr 00:51 min

https://www.mdr.de/heute-im-osten/video-19482.html

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