Ungarn und die USA: Enttäuschte Erwartungen
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05. Juli 2017, 10:30 Uhr
Ungarns Regierungschef Orban wartet noch immer auf ein persönliches Treffen mit US-Präsident Trump. Nicht nur das: Die Beziehungen zwischen den Regierungen beider Länder sind deutlich kühler als in Ungarn erhofft.
Viktor Orban hat keine Angst vor politischen Alleingängen. Und so unterstützte er bereits im Juli 2016 als einziger Europäischer Regierungschef den damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Warum er in dem Immobilieninvestor und Reality-TV-Star einen Bruder im Geiste gefunden zu haben glaubt, liegt auf der Hand: Beide propagieren einen Nationalchauvinismus, schüren Ressentiments gegen Flüchtlinge und Migranten und verfolgen eine Politik der Abschottung - wie sie auch in ihrer Vorliebe für Grenzbefestigungsanlagen zum Ausdruck kommt. Beide haben mit liberalen Wertvorstellungen – etwa der Pressefreiheit – nur wenig am Hut, hegen dafür aber tiefe Bewunderung für den autoritären russischen Präsidenten Vladimir Putin. Sie teilen sogar die Feindbilder: So wurde Orbans derzeitiger Lieblingsfeind, der ungarisch-amerikanische Milliardär und Philanthrop George Soros, im Wahlkampf von Trumps Kampagne ebenfalls aufs Korn genommen.
"Er hat mich nach Washington eingeladen"
Und zunächst schien alles nach einem glänzenden Start auszusehen. Bereits im November 2016 telefonierten Orban und Trump und schienen sich gut zu verstehen, wie Orban der ungarischen Tageszeitung Világgazdasság in einem Interview verriet: "Er hat mich nach Washington eingeladen, worauf ich ihm gesagt habe, dass ich dort lange nicht mehr war, weil ich dort als 'schwarzes Schaf' gesehen wurde. Darauf hat er lachend geantwortet, dass es ihm ebenso ergangen sei." Trump sei ein Präsident, den "Erfolg, Effizienz und Ergebnisse viel mehr interessieren als politische Theorie", was, wie Orban damals glaubte, ungarischen Interessen nutzen werde.
Das Ende des Multilateralismus
Mit der Amtseinführung Trumps sah der ungarische Ministerpräsident gar das Ende des Multilateralismus, wie ihn die Europäische Union verkörpert, gekommen und ein neues Zeitalter der bilateralen Beziehungen beginnen: "Wir haben von höchster Stelle die Erlaubnis bekommen, uns selbst an erster Stelle zu setzen. Das ist eine große Sache, eine große Freiheit und ein großes Geschenk", sagte er im Januar auf einer Konferenz in Budapest. Wie Beobachter jedoch bereits im Januar anmerkten, waren Orbans Hoffnungen von Anfang an vielleicht zu hoch gesteckt. Denn der Sprecher der US-Regierung, Sean Spicer, erklärte auch, worin die Trump-Regierung das Problem mit multilateralen Beziehungen sieht: "Wenn man diese multinationalen Verträge eingeht, dann lässt man zu, das jedes Land unabhängig von seiner Größe […] innerhalb des Vertrages im Grunde denselben Stellenwert hat wie die USA". Das klingt nun nicht danach, dass Trump eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit Ungarn vorschwebt.
Enttäuschung in Budapest
Inzwischen hat sich in Budapest Enttäuschung breit gemacht. Offenbar war man in der ungarischen Hauptstadt davon ausgegangen, dass eine Regierung unter Donald Trump – anders als die seines Amtsvorgängers Barack Obama – nicht allzu sehr auf die Einhaltung demokratischer Spielregeln pochen würde. Doch Orbans Versuche, die von Soros mitgegründete und -finanzierte Central European University (CEU) zu schließen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in ihrer Arbeit zu behindern, kamen in Washington alles andere als gut an.
Dissens zwischen Orban und Trump
Nach der Verabschiedung eines neuen Hochschulgesetzes, das die Schließung der prestigeträchtigen CEU zum Ziel hatte, forderte das amerikanische Außenministerium in einem Statement die ungarische Regierung auf, "die Implementierung des Gesetzes auszusetzen", weil es unter anderem die "akademische Freiheit und Unabhängigkeit bedroht". Dieses neue Gesetz verlangte von Universitäten aus dem nicht-EU-Ausland einen Campus in ihrem Heimatland – eine Auflage, die nur die CEU nicht erfüllte. Zudem verlangte Budapest bilaterale Verhandlungen mit den USA über die Zukunft der CEU. Das State Department stellte jedoch klar, dass die CEU selbst der Ansprechpartner sei und die US-Regierung weder zuständig noch gewillt sei, in der Sache zu verhandeln.
Und auch Orbans Vorgehen gegen die NGOs wurde von den US-Behörden durchaus kritisch gesehen. Ein im Juni verabschiedetes Gesetz zwingt alle NGOs, die mehr als 7,2 Millionen Forint (etwas mehr als 23.000 Euro) pro Jahr an Unterstützung aus dem Ausland erhalten, sich gerichtlich registrieren zu lassen. Sie müssen sich zudem in all ihrer Kommunikation – in Pressemitteilungen, Publikationen und im Internet – als "aus dem Ausland unterstützte Organisation" ausweisen. Die NGOs sind Orbans lauteste Kritiker im Land, sie prangern unter anderem Korruption an und streiten für die Rechte von Asylbewerbern und Minderheiten. Damit sind sie der Regierung ein Dorn im Auge – besonders, wenn sie von Soros´ Open Society Foundation unterstützt werden. Bereits im Januar sagte Szilard Nemeth, ein führender Fidesz-Politiker, diese Organisationen müssten "mit allen Mitteln […] weggeputzt werden".
Des einen Freund, des anderen Feind
Aus dem State Department hieß es, die USA seien "besorgt" über diese Gesetzgebung, die dem Teil der Zivilgesellschaft "eine ungerechte Last auferlegen, die gegen Korruption und für den Schutz von Bürgerrechten kämpfen". Diese Gruppen würden so dargestellt, als würden sie gegen die Interessen der ungarischen Gesellschaft agieren, kritisierte das State Department. Dies würde "die Möglichkeit der Ungarn schwächen, sich zu organisieren und ihre Sorgen in einer legitimen und demokratischen Art und Weise auszudrücken." Damit würde sich Ungarn "einen weiteren Schritt von seiner Verpflichtung entfernen, die zentralen Werte und Prinzipien der EU und NATO aufrecht zu erhalten", so die Behörde. Der ungarische Regierungssprecher dagegen sah sein Land als Opfer einer "Lügenkampagne" von internationalen Medien und Soros-Organisationen, durch die "bedauerlicherweise auch das amerikanische Außenministerium irregeführt werden konnte", wie der österreichische Standard berichtet.
Uneinigkeit auch bei der Klimapolitik
Ein regelrechter "Schock" für Viktor Orban – und diesmal war er damit nicht allein – war der Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen. "In Ungarn gibt es einen Konsens darüber, dass der Klimawandel real und gefährlich ist", sagte Orban dem staatlichen Radiosender Kossuth Radio. Und da er ein globales Phänomen sei, brauche es ein globales Handeln, um dagegen vorzugehen. Diese Ansichten stünden in Opposition zu der Entscheidung des Präsidenten, so Orban. Die ungarische Opposition sah das parteiübergreifend genauso.
Warten auf ein persönliches Treffen
Und auch ein persönliches Treffen zwischen Trump und Orban ist noch nicht zu Stande gekommen – trotz großer Bemühungen von ungarischer Seite. Am 9. Juni hat Trump dann ausgerechnet den rumänischen Präsidenten Klaus Johannis als ersten Repräsentanten eines osteuropäischen Landes empfangen. Eine persönliche Begegnung zwischen Trump und Orban gab es aber bereits am Rande des NATO-Gipfels in Brüssel. "Orban kommt endlich in die physische Nähe von Donald Trump" spottete das ungarische Nachrichtenportal Index.hu – und postete das inzwischen berühmte Video von Trump, der den montenegrinischen Ministerpräsidenten Dusko Markovic zur Seite rempelt. Im Hintergrund - lächelnd - Viktor Orban.
Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im TV: MDR | 03.03.2017 | 17:45 Uhr