Interview Krim: "Unerklärliche Spannungen zwischen Sonntag und Dienstag"
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11. August 2016, 16:40 Uhr
Die Ukraine hat ihre Truppen an der Grenze zur Krim in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die Führung in Kiew reagiert damit auf Vorwürfe Russlands, ukrainische Terroristen seien auf die Halbinsel vorgedrungen, um Anschläge zu verüben. Wir haben mit dem ukrainisch-russischen Journalisten Denis Trubetskoy gesprochen. Er hält sich gerade auf der Krim auf.
Ein vereitelter "Terroranschlag" wird als Auslöser für die momentane Eskalation genannt. Was bedeutet das?
Das ist eine gute Frage. Im Moment ist noch wenig bekannt. Der russische Geheimdienst FSB hat gestern mitgeteilt, dass ukrainische Saboteure versucht haben, auf die Krim zu gelangen, laut FSB waren es sieben Leute. Dabei sollen auch ein FSB-Agent und ein russischer Soldat ums Leben gekommen sein. Ansonsten ist es sehr schwierig, mehr dazu zu sagen. Die Information ist noch unbestätigt. Klar ist, dass es in den letzten Tagen verstärkte Militärpräsenz der russischen Armee gibt: An einigen Checkpoints auf der Krim haben russische Polizisten die Pässe kontrolliert. Es sah so aus, als würden sie nach jemandem suchen. Eine insgesamt angespannte Lage, die im Moment noch ziemlich unerklärlich ist.
Was heißt diese "Alarmbereitschaft" auf Seiten der Ukraine - und wie nehmen Sie vor Ort auf der Krim die Situation wahr?
Das bedeutet im Prinzip, dass die Truppen der ukrainischen Armee sowohl an der Grenze zur Krim, als auch an der Demarkationslinie im Donbass kampfbereit sein sollen, eine eigentlich logische Folge der Entwicklungen der letzten Wochen. Das spricht nicht gerade dafür, dass der Konflikt sich in eine gute Richtung entwickelt. Es ist eine große Anspannung da und es ist ein weiterer Nervenkrieg zwischen Moskau und Kiew. Es ist eine weitere Eskalation nach der Stromkrise Ende 2015, nach der Krim-Annexion von 2014. Mein Eindruck ist, dass die Menschen auf der Krim ziemlich bedrückt und besorgt sind, und dass sie ein bisschen müde von diesem politischen Konflikt sind.
Die Spannungen sind schon lange da. Wie war das in den vergangenen Wochen, wie hat sich das zusammengebraut?
Einerseits geht es um die Lage im Donbass. Sie hat sich in den letzten Tagen und Wochen verschlechtert, also die Kämpfe werden heftiger, und Medienberichten und Augenzeugen zufolge gibt es dort eine Verstärkung der russischen Truppen an der ukrainischen Grenze. Das ist etwas, was Sorgen bereitet hat. Kremlchef Putin hat vor wenigen Tagen gesagt, dass neue Verhandlungen über die Ostukraine im sogenannten "Normandie-Format" beim nächsten G20-Gipfel sinnlos wären. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Verhandlungen nicht gerade rundlaufen.
Man muss sagen, es gab wirklich unerklärliche Spannungen zwischen Sonntag und Dienstag. Sie wurden offiziell nicht kommentiert und das macht Sorge, weil wenn jemand sagt, dass ein Terroranschlag geplant war und wir erfahren davon erst am Mittwoch, dann ist das unerklärlich und man versteht das nicht. Aber das passt in das Bild, das wir hier in den letzten Tagen sehen.
Ist das das Hauptthema für die Leute?
Ja. An der Krimgrenze, wo viele Menschen zwischen Sonntag und Dienstag 20 bis 30 Stunden warten mussten, um auf die Krim oder auf das ukrainische Festland zu gelangen, gab es unterschiedliche Stimmungen. Viele Leute, der Großteil der Krimbewohner, glauben der offiziellen russischen Darstellung. Andererseits ist auch deutlich zu spüren, dass der Konflikt um die Krim, die ständigen Spannungen, die Menschen müde macht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Denis Trubetskoy stammt aus Sewastopol auf der Krim. Er arbeitet als freier Journalist für verschiedene ukrainische und deutschsprachige Medien, darunter den MDR, die FAZ und Spiegel Online.