Erdgas fließt über riskante Routen nach Deutschland
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22. Dezember 2016, 10:48 Uhr
Ein Großteil des russischen Gases kommt über Transitländer zu uns. Politische Spannungen und technische Probleme können den Transport gefährden. Vor allem auf einer Strecke kommt es zu Schwierigkeiten.
Ausgerechnet im Rekordwinter 2009 eskalierte der Streit zwischen Russland und der Ukraine um angemessene Gaspreise. Russland drehte der Ukraine einfach den Hahn zu. Die Auswirkungen waren auch in Deutschland zu spüren, durch die ukrainischen Leitungen kam kaum noch Gas in den EU-Staaten an.
Unberechenbare Störfaktoren in den Transitländern
Der Konflikt im Jahr 2009 machte deutlich, dass Spannungen zwischen den Transitländern und Russland bedeuten können, dass es auch in Deutschland zu Lieferengpässen kommt. Von Russland und seinen Erdgasvorkommen trennen uns Tausende Kilometer und mehrere Staatsgrenzen. Kirsten Westphal von der Stiftung "Wissenschaft und Politik" sagt: "In der Regel ist eine direkte Pipeline ohne viele Transitländer besser als eine, die durch mehrere Transitländer geht, weil man da immer Störfaktoren haben kann."
Der Brennstoff aus Russland kommt zurzeit über drei Routen nach Deutschland: Die Unterwasser-Pipeline "Nord Stream" führt durch die Ostsee. Durch "Jamal" fließt Gas über Weißrussland und Polen nach Deutschland. Und die "Transgas" führt über die Ukraine, die Slowakei und Tschechien.
Probleme bei der ältesten der Pipelines
Die älteste der drei Pipelines bereitet auch die größten Probleme: Die "Transgas" wurde 1973 fertiggestellt und war lange die einzige Verbindung zwischen den Abnehmern in West- und Mitteleuropa und den Erdgasvorkommen Sibiriens und Zentralasiens. "Die ukrainischen Leitungen sind recht alt und wohl zu wenig gewartet worden. Der Modernisierungsbedarf ist hoch, wenn man den Transit fortführen will", sagt Politikwissenschaftlerin Westphal.
Politische Risiken
Auch die politischen Risiken sind durch den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland groß. Die Kompressorstationen könnte etwa bei den kriegerischen Auseinandersetzungen im Osten des Landes in Mitleidenschaft gezogen werden. Doch noch kann Russland die Ukraine nicht von der Gasversorgung abschneiden, ohne sich selbst zu schaden — denn dann könnte es weniger Gas an Deutschland und andere EU-Staaten verkaufen.
Während des Lieferstopps 2009 floss durch die "Jamal"-Pipeline weiter Gas durch Weißrussland und Polen nach Deutschland. Doch auch hier können theoretisch politische Spannungen oder Streitigkeiten um Preise zu Lieferstopps führen: Die politische Lage zwischen Polen und Russland ist seit Jahren angespannt. Wahrscheinlich mag es zwar nicht erscheinen, dass Russland einem EU-Land den Gashahn zudreht und sich dadurch gegenüber Europa als unzuverlässiger Lieferant präsentiert. Doch dieses Risiko waren die Russen auch 2009 bereit einzugehen. Der Lieferstopp in die Ukraine betraf schließlich auch zehn weitere europäische Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Italien.
Gas direkt von Russland nach Deutschland
Nur die 2011 fertiggestellte Leitung "Nord Stream“ verläuft direkt von Russland aus nach Deutschland, ohne dabei Transitstaaten zu passieren. Möglich wird dies durch Unterwasserleitungen durch die Nordsee. Doch das Projekt wird vor allem in Osteuropa scharf kritisiert. Zum einen wollen Polen, die Ukraine und die Slowakei auch weiter an den Transitgebühren verdienen. Zum anderen fürchtet man in Osteuropa, das Projekt diene dazu, die Ukraine und andere Länder von der Gasversorgung abzuschneiden.
Sollte das geplante Nachfolgeprojekt „Nord Stream 2“, eine weitere Ostseepipeline zwischen Russland und Deutschland, tatsächlich realisiert werden, dann könnte dieser Befürchtung für die Ukraine wahr werden. Schon jetzt geht die Menge an Gas zurück, die über den krisengebeutelten Staat nach Deutschland und Europa kommt. 2015 war die "Transgas" nur noch zu etwa 50 Prozent ausgelastet. Bis 2019 wollten die Russen das Transitland umgehen, wie sie letztes Jahr ankündigten.