Geplante Exhumierung "Es geht um Politik und Machterhalt"
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28. Oktober 2016, 14:31 Uhr
Sechs Jahre nach dem Absturz der Präsidentenmaschine sollen die 96 Opfer exhumiert werden. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft treibt die Spaltung Polens voran, findet der polnische Publizist Adam Szostkiewicz.
Die Exhumierungen sind umstritten - warum macht sich das konservative Lager dafür stark? Immerhin geht es unter anderem um ein Präsidenten-Ehepaar.
Die Exhumierung des Präsidenten Lech Kaczyński, seiner Frau und der anderen Opfer des Smoleńsk-Flugzeugabsturzes dienen der politischen Agenda der aktuellen Regierung. Sie schüren das Feuer um Smoleńsk und nutzen dafür Emotionen, Ängste und Vorurteile im konservativen Wählerlager. Durch die öffentliche Aufmerksamkeit wollen sie von ihren politischen und sozialen Fehlentscheidungen ablenken. Dabei ignorieren sie rigoros die Meinung der Familien, die Angehörige im Smoleńsk-Absturz verloren haben und eine Exhumierung ablehnen, weil sie das Trauma nicht noch einmal durchleben wollen. Dass dies dennoch betrieben wird, überrascht viele Katholiken in höchstem Maße.
Was wird die Exhumierung bringen?
Ich sehe keinen rationalen oder wissenschaftlichen Grund für die Exhumierung. Der Absturz wurde bereits von einer staatlichen Kommission untersucht. Diese hat die Verschwörungstheorien nicht bestätigt. Ich bin kein Experte, aber für mich klang der Bericht überzeugend. Es geht also um Politik und Machterhalt.
Viele wundern sich, dass sich die Kirche bislang bedeckt hält ...
Bislang hat sich die katholische Kirche in Polen in der Tat noch nicht zu der geplanten Exhumierung geäußert. Exhumierungen sind nach geltendem Kirchenrecht sowie nach unseren Gesetzen legal. Jedoch sollte sich die Kirche auch für Besonnenheit und - nicht zu vergessen - Einfühlungsvermögen einsetzen. Da stellt sich die Frage: Warum stehen sie den Familien der Smoleńsk-Opfer nicht bei, die nur möchten, dass die Körper ihrer Angehörigen nicht noch einmal ausgegraben werden?
Adam Szostkiewicz Szostkiewicz, Jahrgang 1952, ist ein Sprachwissenschaftler, Übersetzer und Journalist. In den 1980er-Jahren war er Mitglied der oppositionellen Solidarność-Bewegung. Als politischer Kommentator äußerst sich Szostkiewicz regelmäßig kritisch zu politischen und religiösen Entwicklungen in Polen.