Rumänien Republik trägt letzten König zu Grabe
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16. Dezember 2017, 20:33 Uhr
Trauer um den verstorbenen rumänischen Ex-König Mihai I.: Er wäre der dienstälteste Monarch in Europa geworden, hätte er herrschen dürfen. 1947 musste er unter den Kommunisten abdanken. Nach 1989 blieb ihm eine Rückkehr auf den Thron in seiner Heimat verwehrt. Am Samstag ist er in der Karpatenstadt Curtea de Arges beigesetzt worden.
Marian Cretu holt nach 22 Jahren ein Foto hervor, das ihn mit dem rumänischen Ex-König in dessen schweizerischen Exilort Versoix zeigt. Der Monarch trägt auf dem Bild eine in die Jahre gekommene Cordhose, auch das Jacket wirkt ein wenig abgetragen. Luxus sieht anders aus. Ein bescheidener Mann sei Mihai I. gewesen, mit dem man "von Mensch zu Mensch" habe reden können, erinnert sich der 73-jährige Cretu an seine Audienz beim Royal im Jahr 1995.
Letzte Ehrung für den verstorbenen Royal
Cretu ist nicht der einzige, der Mihai in diesen Tagen die letzte Ehre erwies. Es sind tausende Menschen, die zum einstigen Königspalast in die Bukarester Innenstadt pilgern, um eine Kerze für den verstorbenen Ex-Monarchen anzuzünden oder eine Blume niederzulegen: Der 96-jährige Mihai war am 5. Dezember nach einem langen Krebsleiden gestorben. Er wäre der dienstälteste Monarch in Europa gewesen, hätte er herrschen dürfen. Doch die meiste Zeit blieb er wegen der geschichtlichen Wirren ohne Krone. In Westeuropa ist er deshalb ein nahezu Unbekannter, in Rumänien kennt ihn hingegen wohl jeder.
Früh auf den Thron
Mihais Karriere begann bereits in seiner Kindheit. Schon als Fünfjähriger musste er 1927 für drei Jahre lang formell als Thronfolger einspringen, weil sein Vater – ein notorischer Fremdgeher und Lebemann – für eine Liebesaffäre kurzzeitig auf die Krone verzichtete. Rumänien florierte damals wirtschaftlich, flächenmäßig vergrößerte sich das Land auf das Doppelte, weil es nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Siebenbürgen und andere Teile zugesprochen bekommen hatte.
Land vor sowjetischen Einfluss retten
Als 18-Jähriger bestieg Mihai im Jahr 1940 ein zweites Mal den Thron. Eine schwierige Amtszeit für den jungen Erwachsenen, denn der Zweite Weltkrieg tobte. Nach schweren Verlusten in der Armee zog Mihai im August 1944 die Reißleine: Er erklärte dem bis dahin verbündeten Hitler-Deutschland den Krieg. Zahlreiche Bukarester strömten nach der Entscheidung zum Königspalast, um Mihai als Helden zu feiern, mit dem sie baldigen Frieden verbanden. Mihai hatte gehofft, dass sein Land damit nicht in die Einflusssphäre der Sowjetunion gelangen würde. Das blieb schlichtweg eine Illusion.
Majestät ins Exil geschickt
Ende 1947 zwang ihn die frisch an die Macht gekommene kommunistische Regierung zur Abdankung, sein Vermögen musste er zurücklassen. Er war der letzte Royal, der in Osteuropa seinen Thron verlor. Mihai ging mittellos in die Schweiz, verdingte sich als Börsenmakler, als Geflügelzüchter und als Testpilot, führte mit seiner Frau und fünf Töchtern ein bürgerliches Leben. Von seinen Schweizer Arbeitgebern und Nachbarn wussten die wenigsten, dass er früher einen ganzen Hofstaat hatte.
Traum von "Marshallplan"
Der Bukarester Marian Cretu steht andächtig vor dem Königspalast, wo in den vergangenen Tagen der Sarg mit den Gebeinen von Mihai I. aufgebahrt war. Cretu ist sich sicher: Wäre Rumänien nach 1989 wieder ein Königreich geworden, hätten andere Monarchien sein Land gewiss "mit einer Art Marshallplan unterstützt“. Rumänien stünde heute ökonomisch besser dar, malt sich Cretu aus. Auch wäre der König ein "lebendiges Beispiel für Anstand" gewesen. "Mihai der I.", sagt Cretu, "war das völlige Gegenteil zu unseren heutigen Regierenden, die mit Villen protzen, die sie mit gestohlenen Staatsgeldern haben bauen lassen“.
Parteikader witterten Konkurrenz
Die Zuneigung und Sympathie, die Mihai in diesen Tagen posthum erfährt, blieb ihm von politischer Seite in seiner Heimat zunächst verwehrt. Die regierenden Postkommunisten verhinderten die Rückkehr zur Monarchie, wiesen alle Forderungen nach einer Volksbefragung zum Thema ab. Zu groß war die Angst der alten Parteikader, die in Mihai einen gefährlichen Konkurrenten um die höchste Macht sahen.
In Interviews mit westlichen Medien erklärte der Ex-König mehrfach, er sei gewillt, den Thron wieder zu besteigen. Als er Weihnachten 1990 - knapp ein Jahr nach der Revolution - mit einem Tagesvisum ins freie Rumänien einreiste, wurde er innerhalb weniger Stunden von den Behörden abgeschoben, wie ein Staatsfeind. Die Machthaber befürchteten spontane Sympathiebekundungen. Die rumänische Tageszeitung "Adevarul" schrieb: "Scher dich zum Teufel, Majestät".
Symbolisch im Exil geblieben
Erst mit den Jahren entspannten sich die Beziehungen. 1997 erhielt Mihai seine rumänische Staatsbürgerschaft zurück, in den Jahren darauf einen Großteil seiner Liegenschaften und Schlösser im Schätzwert von 180 Millionen Euro. Seinen Hauptwohnsitz in der Schweiz gab er aber bis zum Schluss nicht auf. "Er blieb symbolisch im Exil", meint die Bukarester Historikerin Diana Mandache, "weil ihm die Rückkehr auf den Thron in seiner Heimat politisch verweigert wurde".
Auf internationalem Parkett aber warb Mihai für den Beitritt seines Heimatlandes zur EU und zur Nato. 90-jährig lud man ihn zum Diskurs ins rumänische Parlament ein, wo er die politische Elite ermahnte, dass Demagogie und Herrschsucht in den Behörden nichts zu suchen hätten. Seine Kritik hat bis heute nichts an Aktualität verloren.
Beisetzung unter Royals
"Rückkehr für immer", titelte die Bukarester Tageszeitung "Adevarul" in dieser Woche sentimental in ihrer Online-Ausgabe. Die Regierung rief gar eine dreitägige Staatstrauer auf. Am Samstagnachmittag ist Mihai mit Pomp und Ehren in der Kathedrale in Curtea de Arges beigesetzt worden, als habe er in all den Jahren geherrscht. Vertreter von verschiedenen Monarchien nahmen an der Trauerfeier teil: angefangen vom britischen Prinzen Charles, einem Vetter der rumänischen Königsfamilie, bis hin zum früheren spanischen König Juan Carlos und dessen Frau Sofia.
Wie Rumänien einen König bekam 1866 spricht sich das rumänische Volk in einem Referendum für den deutschen Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen als neuen Herrscher des Fürstentums Rumäniens aus. Er kommt den Rumänen weniger korrupt als die einheimischen Fürsten vor. Karl kann kein Wort Rumänisch. 15 Jahre später – 1881 – wird er zum König gekürt. Sein Neffe Ferdinand tritt schließlich seine Nachfolge an. Die Monarchie dauert bis 1947, bis König Mihai - der Enkel von Ferdinand - abdanken muss. Mihai spricht nur noch wenig Deutsch. Er verzichtete 2011 auch auf den Namenszusatz "von Hohenzollern-Sigmaringen".
Was bleibt von Mihai?
An den Königspalast pilgerten in diesen Tagen alle Generationen. Viele Menschen kennen Mihai nur aus den Geschichtsbüchern, von einigen seiner Reisen durchs Land. Und dennoch trauern sie jetzt um ihn. Eine 42-jährige Bukaresterin sagt: "Mihai erinnert uns an noblere Zeiten als die heutigen". Was von ihm bleibt? "Die Sehnsucht“, sagt Historikerin Mandache, "nach einem neuen Machthaber, der so viel Anstand und Würde zeigt, wie einst unser König."
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR AKTUELL | 05.12.2017 | 19:30 Uhr