Leidenschaft an der Wartburg Eine Autobauer-Familie aus Eisenach
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05. Januar 2016, 09:31 Uhr
Jede freie Minute stecken Jens und sein Vater Werner Heissig in die Pflege ihres Schmuckstücks: einen Wartburg 353. Von diesem Wagen gibt es weltweit nur noch 25 Stück. Der Medizinwagen ging nie in Serie, wurde nur einmal auf der Leipziger Messe mit all seinen Finessen präsentiert.
Das zum Beispiel, das gab's beim normalen Wartburg nicht: Spezialanfertigungen für den medizinischen Bereich. Dass man die Ausrüstung im Dach verstauen kann. Genauso wie die Halterungen für Infusionsflaschen im Dach.
Der Rettungswagen gehört seit zehn Jahren zum Familienbesitz. Sohn Jens wurde die Autobegeisterung quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater Werner arbeitete seit 1969 im Automobilwerk Eisenach. Dann kam die Wende. Ostautos werden zu Ladenhütern. Am 10. April 1991 läuft in Eisenach der letzte Wartburg vom Band. Das Ende der Traditionsmarke war besiegelt - für Werner Heissig bricht eine Welt zusammen.
Den Neuanfang wagt Werner Heissig unweit des 1992 errichteten Opelwerks bei einem Automobilzulieferer. Die Produktionsabläufe sind hier automatisiert, Roboter geben den Takt vor. Die moderne Arbeitswelt, sie hinterlässt Spuren beim Senior.
Das war eine Arbeit... Die ganze Schicht durch den ganzen Tag: Einlegen, der Roboter hat geschweißt, wieder rausnehmen, wenn's fertig war, einlegen, und immer ein- und dieselbe Bewegung.
Bis zu 200-mal pro Tag wuchtet der ehemalige Autobauer schwere Hinterachsen. Die schwere Arbeit bleibt nicht ohne gesundheitliche Folgen. Wirbelsäule, Hals- und Lendenwirbel halten der Belastung nicht stand. Mit gerade einmal 45 Jahren muss der Senior seinen Beruf krankheitsbedingt aufgeben.
Die Arbeiten am familieneigenen Spezial-Wartburg übernimmt sein Sohn Jens. Und auch beruflich tritt der in die Fußstapfen seines Vaters, kümmert sich zusätzlich um die Familie. Seine Ausbildung beginnt Jens noch bei Wartburg, seit nunmehr 20 Jahren arbeitet er bei Opel im Schichtdienst. Stressiger sei es am Band geworden, doch insgesamt kommt Jens mit der Akkordarbeit gut zurecht.
Ich bin da nicht einer, der so vor sich hinarbeitet. Da hat man auch mal Zeit für eine Unterhaltung oder macht mal ein Späßchen oder reißt mal einen Witz. Das ist so alles, was dazugehört - eigentlich - und das ist das, was einen auch wieder auf das Normallevel bringt.
Jens kann entspannt in seine berufliche Zukunft bei Opel blicken. Denn bis mindestens 2020 ist der Standort Eisenach gesichert. Die Automobilindustrie in der Wartburgstadt hat eine Chance und der personelle Nachwuchs für Opel und Co sitzt bereits in den Startlöchern. Vielleicht tritt irgendwann Alex in die Fußstapfen seines Großvaters oder seines Vaters. Vom Autofieber jedenfalls ist er schon infiziert.