Sächsische Dampfschifffahrt 1837: Dampfbetriebene Flotte nimmt ihren Betrieb auf
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28. Juli 2022, 11:51 Uhr
In Dresden ankert mit neun historischen Schaufelraddampfern die bis heute größte dampfbetriebene Flotte weltweit. Am 30. Juli 1837 nimmt die Sächsische Dampfschifffahrt ihren regulären Betrieb auf – mit der Jungfernfahrt des Raddampfers "Königin Maria". Seither schippern jedes Jahr rund 640.000 Touristen aus aller Welt über die Elbe: von Seußlitz über Dresden und nach Bad Schandau. Doch die Feierlichkeiten werden von Niedrigwasser, dem Corona-Virus und einem Insolvenzantrag überschattet.
Angefangen hat alles 1836. Die Dresdner Kaufleute Benjamin Schwenke und Friedrich Lange gründen eine Dampfschifffahrt-Gesellschaft. Ihr Fokus fällt dabei vor allem auf den Frachtverkehr. Noch gibt es in Sachsen keine Alternative dafür, denn die erste sächsische Eisenbahnstrecke entsteht erst 1839 zwischen Dresden und Leipzig. Die Verstaatlichung und der Ausbau des Schienennetzes wird noch lange auf sich warten lassen. Der Landweg ist zu dieser Zeit ebenfalls keine komfortable Alternative. So kommt es, dass auch "reisende Passagiere" zu der Kundschaft der beiden Geschäftsleute gehören. Es stellt sich heraus, dass besonders die Personenschifffahrt die Kassen des Unternehmens voll spült.
"Linienverkehr" zwischen Dresden und Tschechien
Die Jungfernfahrt des ersten Dampfschiffes, der "Königin Maria", findet am 30. Juli 1837 statt. Das Schiff dampft von Dresden nach Meißen über die Elbe hinweg. Einen Zwischenstopp gibt es in Rathen, in der Sächsischen Schweiz. Nach seiner Ankunft in Meißen geht es dann wieder zurück nach Dresden. Später kommen Pillnitz und das böhmische Děčín als Zwischenstopps hinzu. 1846 nimmt eine Linie von Dresden nach Litoměřice in Böhmen den Betrieb auf, mit einem Schnellpost-Anschluss Richtung Prag. 1867 wird die von Schwanke und Lange gegründete Reederei in "Sächsisch-Böhmische-Dampfschifffahrtsgesellschaft" (SBDG) umbenannt.
2020: Das Jahr des Schreckens
Im 19. Jahrhundert ist die Elbe noch ein unregulierter Flachwasserstrom mit Klippen, Stromschnellen, sich verlagernden Sandbänken, unzähligen Inseln, treibenden und gesunkenen Baumstämmen. Heute gilt sie als der letzte naturnahe Strom Deutschlands, mit einer geordneten Wasserstraße und einer 40 Meter breiten Fahrrinne in Sachsen sowie Verkehrsschildern an den Ufern. Doch gegen einen starken Feind kämpft die Dampfschifffahrt seit ihrer Gründung: Wetter und Trockenheit. Besonders bei Niedrigwasser können die Touristen-Schiffe ihren Dienst nicht aufnehmen. Das bedeutet finanzielle Einbußen für das Unternehmen.
Mit den Einbußen kann sich die Reederei über die Jahre hinweg arrangieren. Als größerer Feind erweist sich 2020 das Corona-Virus. Keine Schifffahrt bedeutet ausbleibende Touristen und somit weniger Geld. Schließlich meldet die Sächsische Dampfschifffahrt am 03. Juni 2020 Insolvenz an. Am 01. September 2020 wird das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Sächsische Dampfschifffahrt hatte es nie leicht
Dabei ist die Sächsische Dampfschifffahrt seit jeher ein glorreiches Unternehmen. Um 1900 beförderten die 37 Dampfer aus Dresden jährlich 3,6 Millionen Passagiere, vornehmlich Richtung Böhmen. Das Schiff hat zu dieser Zeit seine Bedeutung als Transportmittel zwar längst zugunsten der Eisenbahn eingebüßt, doch die Dampferflotte auf der Oberelbe wird zunehmend für Ausflügler interessant. Es ist die Zeit, in der die romantische Felsenwelt der Sächsischen Schweiz als Reiseziel entdeckt wird.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges ändert sich die Situation schlagartig. Die fröhlichen Ausflügler müssen auf den Schiffen Kartoffeln und Rüben weichen. Die neue Aufgabe der Reederei: der Armee unter die Armee greifen, da die Eisenbahnen mit kriegsbedingter Überlastung zu kämpfen haben. Außerdem wird an der deutsch-österreichischen (heute deutsch-tschechischen) Grenze der Passzwang eingeführt und umfangreiche Aus- und Einfuhrverbote verhängt.
Die Geburt der "Weißen Flotte" und der Lebensretter
Im Juli 1926 wird der Dampfer "Dresden" als Flaggschiff der Flotte in Dienst gestellt. Statt des bislang üblichen grünweißen Anstriches mit sandfarbenen Radkästen bekommt er von Kopf bis Fuß ein strahlendes Weiß verpasst. Die neue Farbgebung kommt so gut an, dass im Frühjahr 1928 alle Personendampfer der Dresdner Flotte diesen Anstrich erhalten. Damit ist die "Weiße Flotte" auf der Elbe geboren – ein Begriff, der für viele Jahrzehnte zum Synonym für Personenschifffahrt überhaupt wird.
Im Zweiten Weltkrieg übernimmt die Flotte eine Rettungsaktion. Während allierte Kampfbomber zwischen dem 25. Juli und 03. August 1943 Bomben auf Hamburg abwerfen, kommen fünf Dampfer aus Dresden zur Rettung. Rund 34.000 Menschen verlieren in dem Angriff ihr Leben. Fast eine Million Menschen sind auf der Flucht. Die Reichsbahn der Hansastadt ist komplett zerstört. Über den Fluss bringen die Dresdener Dampfer bis zu 1.000 Flüchtlinge pro Schiff zu ihrem Heimathafen in Dresden.
Doch auch Dresden bleibt vom Krieg nicht verschont - und somit auch nicht die zivile Flotte. Während der letzten Kriegstage verliert die Flotte eine Vielzahl von Schiffen. Es dauert aber keine zwei Wochen, bis der Schiffsverkehr wieder aufgenommen wird - den Mitarbeitern sei dank. Sie reparieren die Landungsbrücken und richten die übrigen Dampfer, die überall auf der Elbe verteilt liegen, wieder her. Der Kohlemangel bedeutet kurz darauf das frühzeitige Ende der dampfenden Schiffsfahrt.
Flottenverkehr und Kreuzfahrt in der DDR
Ein Teil der Flotte muss am 06. Juli 1946 als Reparationszahlung an die UdSSR abgegeben werden. Dennoch startet nur wenige Tage später der reguläre Betrieb der Dampfschifffahrt. Der Dampfer Lössnitz fährt ab Pfingsten 1946 wieder. Jedoch in Tarnfarben. Seinen berühmten weißen Anstrich erhält der Dampfer erst später wieder.
Doch die Dampfer der Weißen Flotte Dresden sind natürlich nicht die einzigen Schiffe, die die Anlegestellen der sächsischen Metropole ansteuern. In der kleinen DDR mangelt es stets an Ferienplätzen. Zumindest die attraktiven Ziele an der Ostsee, im Harz und im Erzgebirge sind Jahre im Voraus ausgebucht. Um ein wenig Abhilfe zu schaffen, entschießt man sich 1960, mit drei dieselelektrischen Schiffen der Weißen Flotte Ost-Berlin vierzehntägige Touristenfahrten von Potsdam nach Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz durchzuführen.
Zur gleichen Zeit etwa werden Pläne für ein echtes Kreuzfahrtschiff reif. Im regelmäßigen Verkehr werden mit diesem dann Dresden und anderen Binnenhäfen der DDR sowie Prag und Stettin angesteuert.
Die Fahrten auf dem einzigen Flusskreuzer der DDR sind sehr begehrt und stets ausgebucht. Eine siebentägige Kreuzfahrt mit Vollpension nach Stettin kostet Ende der 1970er-Jahre 258 Mark pro Person. Im Speisesaal an Bord gibt es allerlei "Bückware" wie Ananas, Spargel und Radeberger Bier. 1982 ist dann allerdings Schluss mit der Kreuzfahrt auf Elbe, Moldau und Spree - das Schiff wird aus ungeklärten Gründen außer Dienst gestellt. Die andere Dampfer schippen aber weiter auf der Elbe herum.
Hälfte der Flotte rostet im Hafen
Nach dem Ende der DDR fällt der VEB Weiße Flotte Dresden zunächst als GmbH an die Treuhandanstalt, die das Unternehmen privatisieren soll. Von den zehn verbleibenen Dampfern sind aufgrund des schlechten Zustands nur noch fünf fahrtüchtig. Die übrigen Schiffe rosten im Hafen Dresden-Neustadt vor sich hin. Die Weiße Flotte fährt Verluste ein, ihre Zukunft ist mehr als ungewiss. 1992 findet sich dennoch ein neuer Eigentümer, der die Schiffe bis heute betreibt. Immer wieder muss das Unternehmen Einbußen machen, da die Schiffe bei Niedrigwasser ihren regulären Betrieb nicht aufnehmen können. Mit dem Corona-Virus in 2020 kommt eine neue Bedrohung hinzu. Am 01. September 2020 beginnt das Insolvenzverfahren. Danach soll sich zeigen, wie es mit der Dampfschifffahrt auf der Elbe weiter geht.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 28. Juli 2020 | 19:40 Uhr