DDR-Kreuzfahrtschiff MS Völkerfreundschaft
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

24. Februar 1960: Jungfernfahrt der "MS Völkerfreundschaft" Traumschiff für die "werktätige Bevölkerung": die "Völkerfreundschaft"

24. Februar 2020, 13:42 Uhr

Traumschiffe gab es auch in der DDR. Am 24. Februar 1960 ging die "Völkerfreundschaft" auf Jungfernfahrt. Einst fuhren Kapitalisten auf solchen Schiffen, heute die Arbeiterklasse, jubelte die SED. Doch nur wenige Menschen kamen tatsächlich in den Genuss solcher Luxusreisen.

Anfang 1960 begann auch in der DDR die Ära der großen Kreuzfahrtschiffe. "Früher sind Kapitalisten und reiche Geldsäcke auf solchen Schiffen gefahren, heute soll die Arbeiterklasse auf solchen Schiffen fahren", hatte ein Arbeiter der Wismarer "Mathias Thesen Werft" 1958 auf dem 5. Parteitag der SED verkündet.

Freilich, der Plan war "ganz oben" gefasst worden – bereits 1953 hatte Herbert Warnke, Chef der Einheitsgewerkschaft FDGB, eine erste diesbezügliche Idee zu Papier gebracht. Mit der Aussicht auf luxuriöse Kreuzfahrten in exotische Länder sollte die teils noch recht aufmüpfige und staatsferne Arbeiterschaft zu höheren Leistungen angespornt werden und endlich zu der Überzeugung gelangen, dass der Sozialismus tatsächlich das sozialere System sei. Selbstredend sollte es auch ein Signal in Richtung Westen sein, wie SED-Chef Walter Ulbricht unumwunden zugab: "Wir müssen beweisen, dass unser Wohlstand wächst."

Die kleine Kreuzfahrtflotte der DDR

Auf der "Mathias Thesen Werft" in Wismar schrubbten die Arbeiter Ende der Fünfzigerjahre reichlich Überstunden, um außerhalb des Plans "ein Schiff für die Werktätigen der DDR" zu bauen. Am 1. Mai 1961 war der erste Luxusdampfer der DDR fertig gestellt und konnte dem FDGB übergeben werden. Getauft wurde er auf den Namen "Fritz Heckert".

Zu dieser Zeit schipperte bereits ein anderes "FDGB-Urlauberschiff" mit etwa 500 "Verdienten Aktivisten" und "Bestarbeitern" übers Mittelmeer – die "MS Völkerfreundschaft". Diesen Luxusliner hatte die DDR Ende 1959 in Schweden gekauft. Er war damals eine weltweite Berühmtheit, weil er drei Jahre zuvor – noch unter dem Namen "MS Stockholm" fahrend - den fast doppelt so großen italienischen Luxusliner "Andrea Doria" versenkt hatte. Am 3. Januar 1960 war die robuste "Völkerfreundschaft" dann zu ihrer Jungfernfahrt unter der Flagge der DDR aufgebrochen. Und das "Neue Deutschland" zeigte Bilder von Arbeitern, die sich auf dem Sonnendeck räkelten, im Tanzsaal schwoften und unter Palmen spazieren gingen. Fleiß und stete Planerfüllung lohnen sich, dies sollten die Bilder den Daheimgebliebenen unmissverständlich vor Augen führen.

Nach dem Mauerbau kein Landgang mehr im Westen

Die "Fritz Heckert" stach im Mai 1961 zum ersten Mal in See. Es ging nach Riga, Leningrad und Helsinki. Drei Monate später erteilte Walter Ulbricht den Befehl zum Mauerbau. Kreuzfahrten auf den FDGB-Traumschiffen waren von nun an die einzige Möglichkeit für DDR-Bürger, in fernere Gegenden der Welt zu gelangen – ins Mittelmeer, an die Adria, in die Karibik oder in die norwegischen Fjorde. Landgang gab es allerdings nur noch in den sozialistischen Ländern. Trotzdem gelang es bis 1989 weit mehr als 200 Urlaubern und Besatzungsmitgliedern, via Kreuzfahrtschiff in den Westen zu gelangen - sie sprangen in der Ostsee über Bord, um sich vom Bundesgrenzschutz aufsammeln zu lassen oder kletterten im Bosporus, in der Meerenge bei Istanbul, über die Reling. Für die SED waren diese Fluchten stets eine große Blamage, weswegen beispielsweise ab Mitte der sechziger Jahre auf Fahrten durch den Bosporus sicherheitshalber nur noch gestandene Funktionäre und ältere Herrschaften mitgenommen wurden, denen man den Sprung ins Wasser nicht mehr zutraute.

Urlauber schauen vom Kreuzfahrtschiff "Völkerfreundschaft" auf das Meer. 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Das Schiff muss sich auch amortisieren!"

Doch noch ein anderes Problem gab es mit den Traumschiffen. Sie rentierten sich einfach nicht. Walter Ulbricht hatte das bereits nach den ersten Ausfahrten der "Völkerfreundschaft" bei den Verantwortlichen des FDGB moniert: "Ich sympathisiere durchaus mit den Mittelmeerreisen, das ist gar nicht die Frage, aber die Frage ist doch: Wer zahlt es?" Ulbricht forderte: "Das Schiff muss sich auch amortisieren!" Amortisiert hatte sich die Traumschiffflotte der DDR allerdings zu keiner Zeit. Zwar wurden die Ticketpreise nach Ulbrichts Einlassung kräftig erhöht, trotzdem verschlang allein die "Völkerfreundschaft" Hunderte Millionen an Subventionsgeldern, allein zwischen 1975 und 1980 kamen an die 60 Millionen DDR-Mark zusammen. Ulbrichts Nachfolger Erich Honecker wollte sich durch solide kaufmännische Überlegungen aber keineswegs einengen lassen: Für ihn waren die Kreuzfahrtschiffe ein Ausdruck der erfolgreichen "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik". Und so durchpflügten die FDGB-Urlauberschiffe bis ans Ende der DDR die Weltmeere. Traumschiffe, die vor allem die Illusion von einer mondänen DDR aufrecht erhalten sollten.

(Der Text basiert auf der Studie: Andreas Stirn, Traumschiffe des Sozialismus. Die DDR-Urlauberschiffe 1953 bis 1990, Metropol-Verlag Berlin 2010)

(Zuerst veröffentlicht am 29.07.2009)

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: Zur See – Als der Osten das Traumschiff erfand | 06.01.2019 | 20:15 Uhr