Handel mit Kohlen Heizen mit Briketts - ein Kohlenhändler erzählt
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12. Oktober 2022, 11:00 Uhr
Ukraine-Krieg und Energiekrise. Es wird wieder mit Kohle geheizt. Nicht nur in Kraftwerken, sondern auch in Privathaushalten. Ist das, was für viele in der DDR lästiger Alltag war, jetzt ein neuer Trend? Wir haben 2014 mit dem Leipziger Kohlenhändler Hendrik Ebert gesprochen.
Herr Ebert, Kohlenhändler heutzutage? Werden nicht längst alle Häuser mit Fernwärme, Öl oder Gas beheizt?
Wegen der hohen Preise für Öl und Gas heizt so mancher wieder seinen Ofen. In den letzten Jahren verkaufe ich wieder mehr Kohlen.
Was wird heute noch mit Kohle beheizt?
Die klassischen Berliner Kachelöfen, kleine Automatiköfen, Forsterheizungen im Keller.
Wer kauft bei Ihnen Kohlen?
Zu 99 Prozent sind das Privatleute. Wenige Gewerbetreibende. Ab und an eine kleine Werkstatt – ein Schmied, der sich mal einen Zentner Koks holt.
Was kostet ein Zentner Kohle?
Je nach Jahreszeit zwischen zehn und 13 Euro. Die Kohle kostet heute in etwa so viel wie in der DDR. Da hat sie der Kunde nur billiger bekommen, weil sie vom Staat gestützt worden ist.
Wie viele Kohlenhändler gab es vor der Wende in Leipzig?
Genau kann ich das nicht sagen. Ich schätze, es waren 60 oder 70 Händler. Es gab ja schon im Stadtbezirk Südwest 25. Mein Vater war Kommissionshändler. Er hatte einen Kommissionsvertrag mit dem VEB Kohlehandel Leipzig. Der teilte die Gebiete ein und gab die Kohle an die Händler ab. Mit dem Einkauf hatten wir damals nichts zu tun. Die Tageseinnahmen wurden jeden Tag an den VEB Kohlehandel gezahlt. Einmal im Monat wurde dann eine Provision auf den Umsatz ausgezahlt.
Wie viele Kunden hatten Sie?
Da muss ich schätzen. Ich denke, so zweieinhalb Tausend Kunden werden es gewesen sein.
Wie wurden die Kohlebriketts in der DDR ausgeliefert?
Mein Vater hatte einen Traktor, einen alten Pionier, und da kam ein Hänger dran, der mit Kohlen beladen war. Damit sind wir in unserem Stadtbezirk zu den Kunden gefahren und dann haben wir die Kohlen in Körben, in die 50 Kilo passten, in die Keller getragen. Manchmal wurden die Briketts auch über eine Metallrutsche durch das Kellerfenster in den Keller geschüttet. Das war in Leipzig immer schon so. Anderswo nicht. In Markranstädt wurden die Kohlen mit dem Multicar angeliefert und vor dem Haus auf die Straße gekippt. Wir waren insgesamt fünf Leute: Mein Vater und vier Kohlenträger.
Wo kam die Kohle her und wie war ihre Qualität?
Die Kohle, die wir verkauft haben, kam damals überwiegend aus dem mitteldeutschen Raum. Also aus den Tagebauen im Südraum von Leipzig zum Beispiel. Die Kohle von dort war sehr schwefel- und salzhaltig. Die Qualität der Briketts war unterschiedlich. Wenn sie fünfmal zwischengelagert und immer wieder verladen wurden, dann waren sie sehr bröckelig. Mitunter waren sie aber auch so gut wie heute.
Gab es Engpässe bei der Versorgung?
Sobald der Winter kam, war erstmal ein, zwei Tage Ruhe. Da sind die Weichen an den Schienen und die Bahnwaggons eingefroren. Aber zu Versorgungsproblemen ist es bei uns nie gekommen. Gefroren hat niemand. Wir hatten immer eine Reserve auf dem Hof. Und dann hat eben nicht jeder Kunde 30 oder 40 Zentner Kohlen bekommen, sondern nur zehn Zentner. Und wenn sich die Lage stabilisiert hatte, konnten wir nachliefern.
Wurde in der DDR über die Umweltverschmutzung nachgedacht?
Nein, ist mir jedenfalls nicht bekannt. Die Rathäuser haben im Winter ja selber jeden Tag eine Tonne Kohle verfeuert.
1989 die Wende. Eine Wende auch für Sie?
Nicht sofort. Aber ab etwa 1993 kam der große Einbruch. Da verloren wir Stück für Stück die großen Kunden. Wir hatten ja Schulen, Krankenhäuser, Behörden, LWB-Blocks. Die haben ungefähr die Hälfte unseres Jahresumsatzes ausgemacht. 1995 oder 1996 musste mein Vater alle Mitarbeiter entlassen. Wir haben nur noch zu zweit weitergemacht. 1997 habe ich das Geschäft übernommen. Und dann wurden die ganzen Wohnhäuser saniert: Schornsteine weg, neue Heizungen rein. Und so sind bis zum Jahr 2000 pro Jahr auch nochmal zehn Prozent unserer Kunden weggefallen. Danach hat sich das Geschäft eingepegelt. Und seit 2006 beobachte ich sogar einen kleinen Trend nach oben.
Wie viele Kunden haben Sie heute noch?
Heute beliefere ich ungefähr noch 250 Kunden. Die Hälfte davon sind Stammkunden. Viele kenne ich schon lange.
Was sind das für Menschen?
Meine Kunden kommen aus allen sozialen Schichten: Es sind Rentner, Studenten, Angestellte, Harz-IV-Empfänger…
Viele wohnen in Häusern, die zwar saniert sind, aber noch Kachelöfen haben.
Wie hat sich Ihre Arbeit verändert?
Die Fahrzeuge haben sich geändert. Das ist eigentlich alles. Heute liefere ich die Briketts mit einem einen LKW aus. Aber ich trage sie nach wie vor in Körben oder Säcken in die Keller. In der Regel arbeite ich alleine. In Stoßzeiten habe ich eine Aushilfe.
Woher beziehen Sie Kohle heute?
Die Briketts, die ich heute verkaufe, kommen aus der Lausitz. Die haben weniger Schwefelgehalt.
Wie viele Kohlenhändler gibt es noch in Leipzig?
Ich schätze vier oder fünf. Mehr nicht. Zwei, drei, die das nebenbei machen und zwei, die das, wie ich, hauptberuflich machen.
Warum sind Sie Kohlenhändler geworden?
Weil mein Vater einer war und ich den Betrieb weiterführen wollte.
Heute bemühen sich viele Menschen um ökologisch korrektes Verhalten. Haben Sie als Kohlenhändler ein schlechtes Image?
Nein. Wenn ich meine Kunden treffe, freuen die sich. Das ist ein bisschen so wie beim Friseur: Dann erzählen sie mir, was so los ist. Zu mir hat noch nie jemand gesagt: das ist ja der, der die Umwelt verseucht. Und das Kuriose ist, dass ja viele Alternative und Grüne von mir Kohlen kaufen.
Womit heizen Sie?
Ich heize mit Gas. Und natürlich auch mit Kohlen.
Wie lange wird es noch Kohlenhändler geben?
Ich schätze, 2030 ist Schluss.
(voq)
(zuerst veröffentlich am 20.11.2014)
Über dieses Thema berichtet MDR Zeitreise auch im TV: Nachruf auf die Braunkohle | 16.06.2019 | 22:00 Uhr