Der Braunkohleabbau im Mitteldeutschen und Lausitzer Revier
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14. Dezember 2020, 14:34 Uhr
Deutschland will bis spätestens zum Jahr 2038 keinen Strom mehr aus Kohle gewinnen. Damit sind auch die Jahre für den Abbau im Mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlerevier gezählt. Das absehbare Aus für die Kohleförderung im großen Stil weckt Erinnerungen an den ersten großen Einschnitt im Braunkohleabbau im Zuge der Wende 1989/1990.
Deutschland zählt zu den Ländern mit den größten Braunkohlevorkommen in der Welt. Die Vorräte werden noch auf 40 Milliarden Tonnen geschätzt. Damit ist Braunkohle der einzige Energieträger, der ausreichend in der Bundesrepublik vorhanden ist. Die Förderung und industrielle Verarbeitung dieses Bodenschatzes hat hierzulande seit mehr als 150 Jahren Tradition. Der Abbau von Braunkohle im großen Stil ging Hand in Hand mit der industriellen Revolution und der Verstädterung ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Wo es Braunkohle gab, bildeten sich bedeutende regionale Industriestandorte wie zum Beispiel das Chemiedreieck Bitterfeld heraus.
Braunkohle hält DDR am Laufen
Besonders intensiv war später die Nutzung der Braunkohle in der DDR. Ohne Braunkohle lief hier fast nichts. Die fossilen Ablagerungen waren mit großem Abstand der Energieträger Nr. 1 im Land. Ob Strom, Dampfkraft, Fernwärme, Brikett und Koks oder Teer, Öl und Gas – aus der Braunkohle wurde gemacht, was sich nur irgendwie gewinnen ließ. Tagebau um Tagebau wurde in der DDR erschlossen und ausgekohlt. Andere Bodenschätze zur Energieerzeugung wie Steinkohle, Erdöl und Erdgas lagen nur in geringen Mengen im Boden der Republik. Das aus der Sowjetunion gelieferte Erdöl wurde in der petrolchemischen Industrie benötigt.
Mit der Braunkohle also musste sich die DDR am Laufen halten. Zahlreiche Dörfer, davon viele sorbische Orte, wurden seit der Gründung des Landes 1949 abgebaggert. Nach Recherchen des MDR verschwanden 250 Orte durch den Kohleabbau. Mehr als 80.000 Menschen mussten umgesiedelt werden. In der Hoch-Zeit der Braunkohleförderung drohte einem Drittel des Bezirkes Cottbus, der auch Energiebezirk genannt wurde, die Abbaggerung. Allein das Kraftwerk Boxberg in der Oberlausitz "schluckte" damals pro Tag rund 100.000 Tonnen Kohle. Im Mitteldeutschen Braunkohlerevier standen die Bagger und Förderbrücken Ende der 1980er-Jahre kurz vor der südlichen Grenze von Leipzig.
Die Folgen für die Umwelt waren enorm. Nicht nur, dass große Landschaftsflächen zerstört wurden und viele Menschen ihre Heimat verloren. Bei der Verwertung der Kohle in Kraftwerken, Brikettfabriken, Schwelereien oder Haushalten wurden aufgrund unzureichender Filterung Unmengen an Kohlendioxid, Schwefeldioxid und Asche ausgestoßen, aber auch Schwermetalle und giftige Dioxine.
Schneller "Teilausstieg" nach 1989
Die Friedliche Revolution im Herbst 1989 stoppte diese Entwicklung. Eine ganze Industrie, die zwei Weltkriege überstanden hatte, wurde binnen weniger Jahre auf einige wenige Tagebaue, Kraftwerke und Brikettfabriken reduziert. Schon vor der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 erreichten Bürgerinitiativen und Umweltschützer, dass der Betrieb in einigen Tagebauen eingestellt wurde, in Cospuden im Südraum Leipzig zum Beispiel im April 1990. In der Lausitz fiel im Februar 1990 die politische Entscheidung, das Dorf Klitten nicht abzubaggern. Tagebau um Tagebau wurde stillgelegt, in der kohleverarbeitenden Industrie wurden zuerst die Schwelereien geschlossen. Für größeres Aufsehen sorgte zur Jahrtausendwende noch einmal der Kampf um Heuersdorf im Mitteldeutschen Braunkohlerevier. Ab 2007 musste der Ort aber doch für den Tagebau Vereinigtes Schleenhain weichen. Die Emmauskirche des Dorfes wurde nach Borna versetzt.
Braunkohle geht vor allem in Kraftwerke
Heute wird im Mitteldeutschen und im Lausitzer Braunkohlerevier immer noch Braunkohle abgebaut. Die LEAG (Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG) fördert in ihren beiden sächsischen Tagebauen Nochten und Reichwalde sowie in den brandenburgischen Tagebauen Jänschwalde und Welzow-Süd jährlich zusammen rund 60 Millionen Tonnen Braunkohle. Es ist nach dem Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands. Mit dem Rohstoff werden vor allem die Kraftwerke Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Boxberg sowie die Heizkraftwerke Berlin-Klingenberg und Chemnitz befeuert.
Noch rund 11.000 Jobs direkt in der Braunkohleindustrie
In den Tagebauen Profen und Vereinigtes Schleenhain holt die MIBRAG (Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH) jährlich rund 18 Millionen Tonnen Braunkohle aus dem Boden. Auch hier geht der größte Anteil in Kraftwerke, vor allem nach Lippendorf und Schkopau.
Ebenfalls im Mitteldeutschen Revier liegt der wesentlich kleinere Braunkohletagebau Amsdorf. Hier fördert die Romonta GmbH jährlich rund eine halbe Million Tonnen Braunkohle, um daraus Montanwachs zu gewinnen. Montanwachs ist ein Grundstoff, der u.a. für die Herstellung von Schuhcreme und Bohnerwachs benötigt wird.
Zum Vergleich: In der DDR wurden jährlich bis zu 300 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert und verwertet – Spitzenreiter in der Welt. Mit etwas mehr als 170 Millionen Tonnen gehört Deutschland derzeit zu den größten Braunkohleproduzenten der Welt.
An der Braunkohle hängen derzeit nach Angaben des Bundesverbandes Braunkohle im Lausitzer Revier unmittelbar rund 8.600 Arbeitsplätze, im Mitteldeutschen Revier noch knapp 2.400 Jobs.
Die neuen Seen sind ein Langzeitexperiment
Der Abbau der Braunkohle hat die Landschaft im heutigen Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt über große Flächen für immer verändert. Mit der Schließung der meisten Tagebaue und den schon vorhandenen Restlöchern entstand hier Anfang der 1990er-Jahre die größte Landschaftsbaustelle der Welt. Für die Sicherung und Sanierung der Bergbaufolgelandschaften wurde aus den Resten der nicht privatisierten ostdeutschen Braunkohleindustrie die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH gegründet. Hunderte Tagebaurestlöcher verwandelten sich im vergangenen Vierteljahrhundert in eine einzigartige Seenlandschaft. Doch der Umbau bleibt ein bisher weltweit einmaliges Langzeitexperiment mit ungewissem Ausgang. Und allein von Naherholungsgebieten und Bergbaumuseen werden die Menschen in den beiden Revieren nach einem Ausstieg aus der Braunkohle nicht leben können. Höchste Zeit für den nächsten Strukturwandel.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise: Nachruf auf die Braunkohle | 08. November 2020 | 22:20 Uhr