Erstes Filmstudio der Welt "Filmschmieden" im Osten
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05. Februar 2018, 12:12 Uhr
Ob in Prag, Babelsberg, Budapest oder Sofia – auch im Osten Europas gibt es große und auch international erfolgreiche Filmstudios. Nach 1990 entdeckte Hollywood den Osten – ließ sich hier doch unschlagbar günstig produzieren. Das erste Filmstudio der Welt wurde vor 125 Jahren in den USA gegründet.
Tschechien: Filmstudios Barrandov
Die Filmstudios Barrandov, gelegen auf einem Hügel südlich von Prag, galten bereits seit Mitte der 1960er-Jahre als das "Hollywood East". Bereits damals versuchten die 1931 eröffneten und 1945 verstaatlichten Filmstudios mit Hollywood-Produktionen dringend benötigte Devisen einzufahren. Dennoch waren die meisten der jährlich etwa 40 Filme für die heimischen Kinos und das Fernsehen der ČSSR bestimmt.
Einen guten Ruf hatten vor allem die Märchenfilme, wie etwa das längst legendäre "Aschenbrödel" aus dem Jahr 1973. Nachdem Miloš Forman mit seinem in den Barrandov Filmstudios entstandenen Film "Amadeus" 1984 acht Oscars gewann, wurde jedoch auch die internationale Filmbranche auf die Prager Studios aufmerksam und es entstanden etliche Filme ausländischer Produzenten.
1990 schienen die besten Jahre der Studios freilich vorüber zu sein - die staatlichen Subventionen wurden gestrichen, 1.700 Mitarbeiter entlassen. Dennoch konnten in den folgenden Jahren Produzenten aus aller Welt in die mittlerweile privatisierten Studios gelockt werden – mit vergleichsweise günstigen Preisen, attraktiven Drehorten und hervorragenden Studiomitarbeitern.
Nachdem 1995 mit "Mission Impossible" mit Tom Cruise in der Hauptrolle der erste Blockbuster in Prag gedreht wurde, kamen immer mehr ausländische Filmleute nach Prag: Roman Polanski drehte "Oliver Twist" in den Barrandov Filmstudios (wofür das London des 19. Jahrhunderts nachgebaut wurde) und Andrzey Bartkowski seinen Film "Doom"; es entstanden "Die Chroniken von Narnia" und der Bond-Streifen "Casino Royale".
"Es gibt einen Reichtum an wunderschönen Orten hier und wir waren beeindruckt von den extrem talentierten Technikern", schwärmten die "Bond"-Produzenten nach Abschluss der Arbeiten.
Die Filmstudios Barrandov genießen weltweit einen exzellenten Ruf und sind quasi ausgelastet. Der Anteil ausländischer Produktionen liegt heute bei etwa 80 Prozent. Für Roman Polanski kein Wunder: "Ich habe in praktisch allen Studio der Welt gearbeitet oder kenne sie zumindest", sagte er 2004, "doch ich denke, die Studios in Prag sind die Feinsten."
Deutschland: Babelsberg
Kroatien: Jadran Filmstudios
Die 1946 gegründeten Jadran Filmstudios in Zagreb haben eine glamouröse Vergangenheit – das "europäische Hollywood" wurden sie einstmals genannt. Es war Anfang der 1960er-Jahre, als der jugoslawische Präsident und große Filmliebhaber Josip Broz Tito den Ehrgeiz entwickelte, Hollywood Paroli zu bieten. Er lud internationale Filmproduzenten und Stars wie Sophia Loren und Richard Burton in seine Villa auf den Brionischen Inseln und in die Zagreber Jadran Filmstudios ein und schlug ihnen vor, hier Filme zu drehen. Der jugoslawische Staat, warb Tito, würde sich auch großzügig an den Produktionskosten beteiligen. Die Filmleute zeigten sich begeistert, umso mehr da sie gerade nach kostengünstigen Drehorten in Europa suchten.
Und so entstanden in den folgenden knapp 30 Jahren in den Jadran Filmstudios mehr als 800 internationale Produktionen – Abenteuer-, Kriegs- und Partisanenfilme, Musicals und monumentale Historienschinken. Als Schauspieler agierten in den Studios unter anderem Richard Burton, Yul Brunner, Curd Jürgens, Meryl Streep, Jean Moreau, Romy Schneider oder Orson Welles.
In Deutschland waren die Zagreber Studios vor allem wegen der hier in den 1960er-Jahren produzierten "Winnetou"-Filme mit Pierre Brice und durch Volker Schlöndorffs "Blechtrommel" (1979), die überdies zu weiten Teilen in der Zagreber Altstadt gedreht worden war, bekannt.
Die Jadran Filmstudios, die zeitweise als das wichtigste Exportunternehmen Jugoslawiens galten, verloren durch die Kriege im zerfallenden Jugoslawien in den 1990er-Jahren ihre Bedeutung. Investitionen und Auftraggeber blieben aus, große Teile des Geländes wurden verscherbelt. Heute werden in den Jadran Filmstudios nur noch wenige, zumeist kleine regionale Filme produziert.
Russland: Mosfilm
Das Hollywood der Sowjetunion hieß Mosfilm. In den größten Filmstudios Europas entstanden von 1920 an fast alle Filmklassiker der UdSSR: Sergej Eisensteins "Panzerkreuzer Potemkin", Michail Kalatozows Kriegsdrama "Wenn die Kraniche ziehen", das 1957 die "Goldene Palme" in Cannes gewann, Sergej Bondartschuks "Krieg und Frieden", Elem Klimows "Matjora", Andrej Tarkowskis "Stalker" oder Wladimir Menschows Oscar-prämierter Spielfilm "Moskau glaubt den Tränen nicht".
Mit dem Ende der UdSSR schien dann aber auch die Zeit der staatlichen"Filmschmiede" abgelaufen zu sein – die Studios standen leer, Filme wurden kaum noch produziert. Ende des 2000 investierte der russische Staat gewaltige Summen in die Modernisierung der in die Jahre gekommenen Technik und die riesige Filmstadt, in der im Laufe der Jahre mehr als 2.500 Filme produziert worden waren.
Heute entstehen bei Mosfilm 80 Prozent der russischen Fernsehfilme, Talkshows, Soaps, Musikvideos und Werbeclips. Dabei agiert die "Filmschmiede" allerdings ausschließlich als Dienstleister – sie stellt Technik, Studios, Requisiten und ihre Mitarbeiter zur Verfügung. Eigene Filme wie in der Vergangenheit produzieren die Moskauer Filmstudios, die nun wieder zur größten Filmfabrik Europas aufgestiegen sind, freilich keine mehr.
Bulgarien: Bojana Film Studios
Es ist vor allem ein Film, der sich mit dem staatlichen bulgarischen "Studio für Spielfilme" im Sofioter Vorort Bojana verbindet: mit Metodi Andonovs "Das Ziegenhorn" aus dem Jahr 1972. In dem weitestgehend dialoglosen und archaisch anmutenden Drama aus dem Bulgarien des 17. Jahrhunderts wird die Geschichte eines Mannes erzählt, dessen Frau von den osmanischen Fremdherrschern vergewaltigt und ermordet worden war, und der nun seine Tochter zu einem kalten Racheengel erzieht.
Damals, in den 1970er-Jahren, war auch die Blütezeit des bulgarischen Films. 30 bis 40 Kino- oder Fernsehfilme wurden jedes Jahr in Bojana gedreht, der Staat finanzierte die Projekte. "Wir hatten eine überaus lebendige Filmindustrie", erinnert sich der Filmemacher und Produzent Victor Chuchkow, auch wenn im Ausland davon kaum Notiz genommen wurde. "Heute können wir froh sein, wenn im Jahr drei bulgarische Filme entstehen." In Bojana entstehen sie allerdings nicht mehr.
2006 nämlich verkaufte die bulgarische Regierung die Bojana Filmstudios an den für seine Action- und Trash-Filme berühmt-berüchtigten israelischen Produzenten Danny Lerner und dessen in Kalifornien beheimatete Firma "Nu Image". Der Preis: etwas mehr als 6 Millionen Euro. Kritiker des Deals behaupten, allein die Grundstücke seien das Doppelte wert gewesen.
In seinen neuen Studios, den "Nu Boyana Film Studios", produzierte Lerner fortan durchaus anspruchsvolle Kinostreifen wie etwa Brian de Palmas James-Ellroy-Verfilmung "Black Dahlia" oder Peter Weirs "The Way Back" und "London Has Fallen" (2016) Ansonsten tummeln sich in den Studios in Bojana, die mittlerweile die größten in ganz Osteuropa sind, die Action-Helden der 1980er-Jahre: Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis, Chuck Norris und Jean-Claude van Damme - sehr zum Leidwesen der bulgarischen Filmschaffenden, die mit den Studios im beschaulichen Bojana Erinnerungen an die Blütezeit des bulgarischen Kinos in den Sechziger- und Siebzigerjahren verbinden. Aber diese Zeiten sind ein für alle Mal vorbei.
Ungarn: Mafilm
Die weitläufigen Mafilm-Studios am Rand von Budapest sind die ältesten und renommiertesten des Landes. Neben den großen ungarischen Regisseuren arbeiteten hier Woody Allen, John Irving oder Michael Verhoeven.
Überhaupt erfreut sich Ungarn einer ungebrochenen Beliebtheit sowohl bei europäischen als auch amerikanischen Filmproduzenten: Die Studios sind exzellent eingerichtet, die Kosten für Mitarbeiter, Statisten und Equipment dabei weitaus niedriger als etwa in London, Paris oder Hollywood.
Hinzu kommt, dass Budapest eine beliebte Filmkulisse ist – die Stadt kann als London, Warschau, Moskau, München, Buenos Aires oder Berlin inszeniert werden. Spielbergs "München" wurde zum Teil in der Donaumetropole gedreht und auch Nicolas Cage, Donald Sutherland, Angelina Jolie, Jeremy Irons oder Robert de Niro nutzten in den vergangenen Jahren die Stadt als Kulisse für ihre Filme.
Polen: Kadr Filmstudio
Das 1955 in Warschau ins Leben gerufene staatliche Kadr Filmstudio war das wichtigste im sozialistischen Polen. Gründungsdirektor und langjähriger Leiter war der grandiose Regisseur Jerzy Kawalerowicz, dessen Filme auch ausnahmslos in den Kadr Filmstudios entstanden. Auch der junge Regisseur Andrzey Wajda drehte hier zwischen 1956 und 1961 fünf seiner Filme, darunter "Asche und Diamant" und "Samson".
Nach 1989 verloren die Filmstudios ihre Bedeutung. Es entstanden nur noch wenige und kaum nennenswerte Produktionen. Erst 20 Jahre später versuchten sich polnische Filmleute – und zwar mit einigem Erfolg - an einer Neubelebung der traditionsreichen Filmstudios: Bereits 2009 produzierte der 1973 in Łódź geborene und mittlerweile international höchst anerkannte Regisseur Borys Lankosz in den mittlerweile privatisierten Kadr Filmstudios seine schwarze Komödie "Rückwärts".
Die heimliche Hauptstadt des polnischen Films war und ist jedoch Łódź. Die in der drittgrößten polnischen Stadt 1948 gegründete "Staatliche Hochschule für Film, Fernsehen und Theater" gilt seit ihren Anfängen bis zum heutigen Tag als eine der bedeutendsten Ausbildungsstätten für Regisseure, Kameraleute und Schauspieler weltweit. Absolventen der Hochschule sind unter anderem die Regisseure Andrzey Wajda, Krzyszlow Zanussi, Krzysztof Kieślowski, Roman Polanski und auch Borys Lankosz.
Rumänien: Buftea Filmstudio und Castel Film Studios
In dem kleinen Ort Buftea, 19 Kilometer vom Zentrum Bukarests entfernt, richtete das rumänische Kulturministerium 1950 ein erstes staatliches Filmstudio ein, das seinerzeit zu den modernsten Europas zählte. In den Studios entstanden zahlreiche auch international erfolgreiche Historienfilme wie "Das Gold der Daker", "Der letzte große Sieg der Daker" oder die Weltkriegsdramen "Die Donau brennt" und "Im Wald der Gehenkten". In den 1970er-Jahren wurden dann vor allem Action- oder Western in den Buftea Filmstudios gedreht, aber auch in Koproduktion mit der DEFA, Indianerfilme mit Gojko Mitić.
Nach 1989 kam die Filmproduktion in Buftea fast zum Erliegen. Nur vereinzelt wurden noch kleine Fernsehfilme gedreht. 1998 übernahm die Produktionsfirma "Media Pro Pictures" die traditionsreichen, aber heruntergekommenen Studios und baute sie zu den größten Medien- und Filmfirmen Osteuropas aus.
In diesen Jahren entdeckte die internationale Filmbranche Rumänien – ließ sich in dem armen Balkanstaat doch unschlagbar günstig produzieren. Während beispielsweise ein Komparse in England 150 Euro am Tag verdiente, waren es in Rumänien nicht einmal 15 Euro. Mittlerweile entstehen in dem Medienkomplex auch durchaus ambitionierte rumänische Spielfilme und es gibt sogar ein kleines Filmfestival im traditionsreichen Buftea.
Castel Film Studios
1993 gründete der amerikanische Drehbuchautor und Filmproduzent Charles Band in Bukarest die Castel Film Studios. Der 1951 geborene Band, der sein Geld vorwiegend mit Horror-Filmen verdient hatte, wollte vor allem die Landschaft in Transsylvanien als Kulisse für seine Action- und Horrorstreifen nutzen. Und sein Plan ging auf: Da die Kosten für Schauspieler, Techniker und Equipment in Rumänien noch 30 Prozent unter denen von Prag lagen, konnte Band den weltweit boomenden Video- und DVD-Markt mit seinen schnell produzierten Genrefilmen überfluten. Ab 2002 wurden in den Castel Film Studios freilich auch zwei durchaus ambitionierte Spielfilme realisiert: Anthony Minghellas "Cold Mountain" und "Borat".
Über dieses Thema berichtete der MDR auch in "HIO-Die Reportage" 14.09.2013, 18.00 Uhr