Die Revolution als Serien-Doku
Als man in Polen, Ungarn oder in der DDR längst den Umsturz feierte, lief in Rumänien alles weiterhin nach sozialistischem Gang. Noch im November 1989 ließ sich Machthaber Ceausescu für seine vermeintlichen Errungenschaften auf einem Parteitag feiern. Doch Mitte Dezember 1989 kam es in der westrumänischen Stadt Timisoara zu Protesten gegen die Strafversetzung eines Pfarrers. Die Demonstrationen, die sich auch gegen das Regime richteten, breiteten sich übers ganze Land aus. Bei den mehrtägigen blutigen Straßenkämpfen zwischen Armee und Zivilisten starben über Tausend Menschen, mehr als 3.000 wurden verletzt.
Vor dem Wohnblock der Munteanus fuhren nach dem Sturz des Ceausescu-Regimes mit Lautsprecher bestückte Lastwagen durch die Straßen, von denen die Bukarester aus aufgerufen wurden, die Revolution zu verteidigen. Tourismusmanager Stefan Munteanu kann sich daran nicht erinnern, wohl aber sein Vater Alexandru. Für den Straßenkampf hatte sich der Senior nicht gemeldet, weil er nicht wusste, "wer gegen wen kämpft". Vielmehr dichtete er seine Fenster mit Kopfkissen ab – ein improvisiertes Schutzschild, "um nicht womöglich zu Hause erschossen zu werden". Der 60-Jährige nennt sich rückblickend einen "Fernseh-Revolutionär", der die eigene Wende als eine Serien-Doku konsumierte: Die rumänische Revolution war spektakulär, weil sie nicht nur auf der Straße, sondern auch im Fernsehen stattfand. Politische Hinterbänkler des Ceausescu-Regimes verwandelten das staatliche TV-Studio in ihre Kommandozentrale, gaben vor laufender Kamera Befehle für die Straßengefechte und schürten panische Angst, dass angeblich ausländische Terroristen versuchen würden, die gestürzten Ceausescus wieder an die Macht zu bringen. Soldaten und bewaffnete Zivilisten schossen daraufhin auf jeden, der ihnen verdächtig vorkam. Nach der Revolution stellte sich die Nachricht von den Terroristen als Falschmeldung heraus. Die blutigen Gefechte hätten also verhindert werden können. Wer für die bewusste Irreführung verantwortlich ist, weiß man auch 25 Jahre nach der Wende nicht.