Die Geschichte der Hatecore-Bewegung
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05. Januar 2016, 09:31 Uhr
Ihre Ursprünge hat die Hardcore-Bewegung im amerikanischen Punk der 1970er-Jahre. Die Texte der Subkultur waren gesellschaftskritisch, emanzipatorisch, fordernd. Als Weiterentwicklung des Hardcore entstand später der sogenannte Hatecore, dessen inhaltliches Markenzeichen eine schroffe Aggression war, mit der sich die Künstler ihrem Publikum präsentierten. Auf die noch für den Punk typischen Elemente von Stimmungs- und Partymusik wurde komplett verzichtet, was nicht nur für Melodien und Liedtexte gilt. Auch dem exzessiven Drogen- und Alkoholkonsum der Punkszene setzt der Hatecore eine "Straigth Edge"-Lebensführung als Ideal entgegen. Nicht Selbstzerstörung, sondern Verantwortung für den eigenen Körper sowie Natur und Gesellschaft gehören zu den Botschaften. Straight Edge-Anhänger nutzen als subkulturelles Merkmal ein schwarzes "x" auf dem Handrücken. Insgesamt erinnert die Ausrichtung an eine Art Selbstdisziplinierung für kommende gesellschaftliche Auseinandersetzungen, die in den Liedern rüde herbeigesungen werden. Namensgeber des "Hatecore" ist die links-alternative amerikanische Band "SFA", die 1990 den Begriff "Hatecore" erstmals auf der Rückseite ihres Debütalbums "The New Morality" nutzt. "Hate" war abgeleitet von den wütenden, verbalen Angriffen der Musiker auf die sozialen Missstände in den USA. Knapp 15 Jahre nach dem Entstehen der Hardcore-Bewegung in den 70ern sind es rechtsextremistische Musiker in den USA, die in der Musikrichtung eine Chance zum Transport ihrer rassistischen und antisemitischen Inhalte sehen. Zu den wichtigsten rechtsextremistischen Hatecore-Bands zählt die amerikanische Gruppe "Blue Eyed Devils". Beispielhaft für die Radikalität der Texte steht die CD "Retribution", auf dem Tonträger wird ein neuer Genozid propagiert. Als Soldat für Rasse und Nation sei es die Aufgabe der Weißen, "unsere Kultur von dieser jüdischen Misere zu säubern".
Rechtsextremistischer Hatecore in der Gegenwart
Mit eigenständigen Konzerten, Vertrieben und Fanstrukturen gehört die Hatecore-Bewegung heute zu den bedeutsamsten Rekrutierungsfeldern des Rechtsextremismus. Im Gegensatz zur Skinheadszene sind Outfit und Rythmen des Hatecore zeitgemäß. Die Unterschiede zu den eher tumben Skins zeigt sich unter anderem in der Kleidung: Die bunten T-Shirts der Hatecore-Bewegung zeigen lodernde Flammenmuster, Billardkugeln und Graffiti-ähnliche Schriftzüge. Statt schwerer martialischer Stiefel tragen Hatecore-Fans modische Turnschuhe, statt der tristen Kahlköpfe ist das Hatecore-Outfit von Spitzbärten und Piercings geprägt. Dazu kommen trendige Jacken von Hatecore-Firmen wie Hate-Hate. Und auch die Covergestaltung vieler deutscher Bands wie Eternal Bleeding (Altenburg), Hope for the weak (Dresden) oder Path of Resistance (Rostock) überwindet die bisherige Stilgebung des deutschen Rechts-Rock. Auf ihren bunten CD-Covern finden sich vermehrt Elemente des Punk und des HipHop und selbst die in der Neonazi-Szene verpönten Graffitis dienen den rechten Hatecore-Bands zur Gestaltung der Booklets. Inhaltlich präsentiert sich die Hatecore-Bewegung sozialkritisch und antikapitalistisch. Die Texte dokumentieren eine wachsende inhaltliche Grauzone zu linken Protestbewegungen. Im Interview mit dem rechtsextremistischen Szeneheft "Der Panzerbär" fordert die prominente deutsche NS-Hatecoreband "Moshpid" aus Thüringen, die "Bewegung" vom "alten Dumpfrassismus & Futterneid zu trennen". Die Grenze verlaufe nicht "zwischen rechts und links, sondern zwischen oben und unten".
Literaturtipp:
- Rainer Fromm: "We play NS Hardcore" - Neue Tendenzen am rechten Rand - zwischen Protest und Extremismus, in: BPJM aktuell 01/2008