Palast der Republik Berlin im Zeichen des "Zweifels"
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09. Oktober 2018, 11:09 Uhr
Während ganz Deutschland vom Rückbau des Palastes der Republik sprach, hatte der Künstler Lars Ø. Ramberg eine Lücke auf dem Dach ausgefüllt: Sechs Meter hohe Neon-Leuchtbuchstaben bildeten das Wort "Zweifel".
"Als die Buchstaben auf dem Dach vollständig angebracht waren, war der Palast der Republik endlich vollkommen und harmonisch", sagte der norwegische Künstler. Seine Installation "Palast des Zweifels" war eines von vielen Projekten, das von 2003 bis 2005 in dem ehemaligen DDR-Kulturpalast und Parlamentsgebäude besichtigt werden konnte. Vorangegangen war eine jahrelange Debatte über die Zukunft des geschichtsträchtigen Gebäudes. Nachdem 2003 der Bundestag den Abriss beschlossen hatte, dieser aber erst 2006 beginnen sollte, war die Idee einer temporären Nutzung entstanden. Theater, Ausstellungen und interaktive Projekte sollten die Leere des Palastes kreativ füllen.
Kreative Ideen für leere Hülle
Vom ehemaligen Prunkbau der DDR war nicht mehr viel übrig: lediglich die nackte Stahlkonstruktion und die bronzefarbenen Fenstergläser auf der vorderen Front. Doch die Vorstellung, dass hier einst Vertreter der DDR aus Politik, Kultur und Gesellschaft, aber auch einfache DDR-Bürger ein- und ausgegangen waren, machte die kalte Stahlkonstruktion für Künstler einzigartig.
Lars Ø. Ramberg, der 1998/99 erstmals nach Berlin gekommen war und die kontroverse Abrissdebatte verfolgte hatte, entschied sich für ein Projekt, das den Streit um das Gebäude widerspiegeln sollte. Er war der Meinung, "dass es nicht um den Palast selbst ging, sondern um die Frage der nationalen Identität". War Deutschland wiedervereint oder bestand es immer noch aus West und Ost? Diese Frage habe er sich gestellt, ohne ein Urteil darüber fällen zu wollen, sondern weil er in der Debatte ein neues Deutschland entdeckte. Sechs Jahre und eine Million Euro brauchte Ramberg, um sein Projekt fertigzustellen. Die zehn Tonnen schweren und sechs Meter hohen Buchstaben ragten wie drei Stockwerke in den Himmel. Fünf Monate lang stand Berlin im Zeichen des "Zweifels".
Das Projekt 'Zweifel' zeichnete die deutsche Kultur aus und stellte das humanistische und transparente Deutschland dar.
Doch nicht nur auf dem Dach, sondern auch im Inneren des Palastes hatten sich Künstler ans Werk gemacht. Im Foyer war beispielsweise ein künstlicher Teich angelegt worden. "Die Fassadenrepublik" nannte sich dieses Projekt, das von der Interessengemeinschaft für Architektur "Raumlabor" und den Berliner Architekten Elke Knöß und Wolfgang Grillitsch entwickelt wurde. In roten, blauen, grünen oder gelben Schlauchbooten konnten die Besucher eine Rundreise zu verschiedenen Inseln unternehmen. Wer lieber diskutierte wollte, ließ sich zum "Parlament" paddeln, wer hingegen seinen Hunger stillen wollte, angelte sich eine der schwimmenden Plastikschalen, die mit Sushi gefüllt waren.
Impulsives Leben im stillgelegten Palast
Ein weiteres von insgesamt 916 Projekten war Frank Castorfs Inszenierung "Berlin Alexanderplatz". Die "taz"-Autorin Ester Slevogt Frank beschrieb die fünfstündige Inszenierung, in der Castorf sogar eine hupende Limousine durch den Palast fahren ließ, als "überhöht und schrill, mit viel Krach und viel Sex, und trotzdem ein Abend mit herzzerreißenden, sentimentalen Momenten". Das Bühnenbild von Bert Neumann war besonders eindrucksvoll: eine 50 Meter lange Straßenzeile, in der Mitte ein Imbiss, über dem mehrere Reihen roter Glühbirnen leuchteten. Castorf holte mit seiner Inszenierung einen Hauch des impulsiven Berliner Lebens in den stillgelegten Republikpalast.
Symbol der Transformation
Aber was blieb nach diesen drei Jahren des kulturellen Szenetreffs? Im Jahr 2005 erschien die Broschüre "Zwischennutzung des Palastes der Republik – Bilanz einer Transformation". In ihr resümierten die damaligen Veranstalter den Bedeutungswandel des Gebäudes: vom Legitimationsgebäude einer Diktatur zum Symbol der Transformation Ostdeutschlands und der Wiedervereinigung. Diese Aussage begründeten sie mit der Gegenüberstellung der vom "Mauerbau traumatisierten" Generation, die den Palast so schnell wie möglich abreißen lassen wollte und der jüngeren Generation, die ein "völlig neues Verhältnis zu dem Ort" entwickelt habe. "Vom leeren Palast haben wir lange genug Abschied genommen, ein genutzter Palast lässt ihn endlich im Heute ankommen, teilhaben am gesellschaftlichen Wandel – wenn auch nur für kurze Zeit", sagte der damalige Kultursenator Thomas Flierl.
Anfang 2006 wurde der Palast wie geplant abgerissen wurde - für den Künstler Lars Ø. Ramberg ein "Skandal". Immer wenn der inzwischen in Berlin lebende Norweger den leeren Platz am Lustgarten sieht, wünscht er sich, dass der Palast der Republik als "Monument der Wiedervereinigung" stehen geblieben wäre.
(zuerst veröffentlicht am 30.09.2010)
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im Fernsehen: MDR Zeitreise | 09.10.2018 | 21:15 Uhr