Frauenfußball in Russland "Ackerland Kiew" und "Lada Togliatti"

24. Juni 2011, 14:14 Uhr

Frauenfußball war auch in Russland lange nur eine Randerscheinung. Von 1973 bis 1987 war er gar verboten. Anerkennung fanden kickende Frauen erst 1992, als eine Meisterschaft eingeführt wurde.

Über die Anfänge des russischen Frauenfußballs ist fast nichts bekannt. Ab den 1890er-Jahren soll es im Zarenreich immerhin eine Handvoll Frauenmannschaften in Moskau gegeben haben. Ein erster Hinweis auf kickende Frauen findet sich erst 1910 in der Zeitschrift "Russkij Sport": "Fußball ist ein reiner Männersport", heißt es dort, denn "abgesehen davon, dass Frauenbeine gewöhnlich schwerer, kürzer und schwächer sind als die der Männer, haben sie nicht die für das Fußballspiel nötige Schnelligkeit und Wendigkeit". Trotz aller Widerstände wurde 1911 eine "Moskauer Liga" ins Leben gerufen, die aber lediglich drei Mannschaften umfasste.

Kurze Blüte nach der Oktoberrevolution

Nach der Oktoberrevolution 1917 erlebte der Frauenfußball eine kurze Blüte. Die Bolschewiki sahen in ihm – wie im Sport insgesamt – eine ideale Möglichkeit, ihre Ideologie zu verbreiten und überdies das zaristische Frauenbild zu überwinden. Seit Ende der 1920er-Jahre - einhergehend mit einer Wiederbelebung des traditionellen Frauenbildes durch Josef Stalin - waren Fußball spielende Frauen bis auf weiteres aber nicht mehr erwünscht.

Valentina Tereschkowa unterstützt Fußballerinnen

Erst in den späten 1960er-Jahren erlebte der Frauenfußball im kommunistischen Riesenreich eine Renaissance. In Moskau, Charkow, Donezk, Kiew, aber auch in den baltischen Städten Riga und Wilna gründeten sich - zumeist als Betriebssportgemeinschaften - Frauenteams, die mehr oder weniger regelmäßig gegeneinander antraten. Und die Resonanz war enorm – so verfolgten beispielsweise über 30.000 Zuschauer 1971 eine Partie zwischen den Spitzenmannschaften Donezk und Wilna, die zudem in voller Länge im Fernsehen übertragen wurde. Ab 1970 gab es dann sogar eine Art sowjetischer Frauenfußball-Meisterschaft – das Turnier um den "Valentina Tereschkowa-Pokal". Und die erste Frau im Weltall übernahm jedes Jahr auch die Auszeichnung der Siegermannschaft.

Frauenfußball befördert "männlichen Voyeurismus"

1973 aber verbot die staatliche Sportkommission der UdSSR die Teilnahme von Frauen an sogenannten Männersportarten, darunter im Fußball. Die Sportfunktionäre erklärten, Frauenfußball würde lediglich den männlichen Voyeurismus befördern. Ansonsten wurden in dem Erlass die altbekannten Stereotype bemüht, die den Frauenfußball von seinen Anfängen in allen Ländern begleiteten:

Physischer Stress, wie er durch Fußball erzeugt wird, kann zur Schädigung geschlechtlicher Funktionen, Krampfadern und Thrombophlebitis führen.

Aus dem Erlass der Staatlichen Sportkommission der UdSSR

"Ackerland Kiew" gegen "Hammer und Sichel Moskau"

Nach diesem Verbot spielte der Frauenfußball in der sowjetischen Gesellschaft 15 Jahre lang keine Rolle mehr - die Frauen kickten in ihrer Freizeit, quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Erst 1987 wurde der Frauenfußball wieder offiziell zugelassen. Die "Komsomolskaja Prawda", die Zeitschrift des kommunistischen Jugendverbandes, veranstaltete noch im selben Jahr ein "Festival des Frauenfußballs", aus dem sich 1989 eine inoffizielle sowjetische Frauenfußballmeisterschaft entwickelte. Das erste Finale bestritten übrigens die Mannschaften von "Ackerland Kiew" und "Hammer und Sichel Moskau".

Kein Geld für den Frauenfußball

Es dauerte aber noch einmal drei Jahre bis eine offizielle Landesmeisterschaft installiert wurde. Acht Mannschaften umfasst die Liga seither und den Ton geben vor allem zwei Teams an: "Energija Woronesh" und "Lada Togliatti", die von Fachleuten immerhin zu den zehn besten europäischen Mannschaften gerechnet werden. Die russische Nationalmannschaft, 1992 ins Leben gerufen, zählt heute zu den stärksten der Welt, auch wenn große Erfolge bislang ausgeblieben sind.

Probleme haben die insgesamt rund vier Millionen Fußballerinnen Russlands vor allem mit der Finanzierung ihres Sports. Denn Geld stellt das "Staatsministerium für Körperkultur und Sport" nur der Nationalmannschaft zur Verfügung, die Klubmannschaften hingegen sind auf Sponsorengelder angewiesen. Aber die gibt es nicht kaum, denn der Frauenfußball verheißt alles andere als üppige Renditen ...


(Quelle: Anke Hillbrenner, Auch in Russland "ein reiner Männersport"?, in: Überall ist der Ball rund, Essen 2006.)