Che Guevara: umstrittene Ikone
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17. Dezember 2021, 14:46 Uhr
Sein Gesicht ziert Millionen T-Shirts, Aufkleber und Hauswände: Che Guevara, Arzt, Widerstandskämpfer und Politiker, wurde zum Symbol für die kommunistische Weltrevolution: Ein Held für die einen, ein Verbrecher für die anderen.
Der Mann, den die Welt nur als "Che" kennt, heißt eigentlich Ernesto Rafael Guevara de la Serna. Er kommt am 14. Juni 1928 in der drittgrößten Stadt Argentiniens zur Welt, in Rosario. Seine Eltern stammen aus gutbürgerlichen Verhältnissen, waren diesem Leben aber entflohen und betrieben als Aussteiger eine Mate-Plantage an der Grenze zu Paraguay und Brasilien. Als Ernesto zwei Jahre alt ist, hat er einen ersten schweren Asthma-Anfall. Die Krankheit wird ihn sein Leben lang begleiten und ist auch der Grund dafür, dass der Junge zunächst keine Schule besuchen kann und zu Hause unterrichtet werden muss.
Der reisehungrige Medizinstudent
1946 trennen sich seine Eltern. Mit dem Abitur zieht Che zu seiner Mutter nach Buenos Aires, in die Hauptstadt Argentiniens. Er beginnt, Medizin zu studieren. Schon während der Studentenzeit ist Che häufig auf Reisen - durch Argentinien und andere südamerikanische Länder. 1951 besucht er zusammen mit einem Freund eine Lepra-Station in Peru. Hier lernen die beiden Studenten zum ersten Mal wirkliche Armut und soziale Ungleichheit kennen. Nach seinem Tod werden Guevaras Reisetagebücher aus dieser Zeit unter dem Titel "The Motorcycle Diaries", deutsch: "Die Reise des jungen Che" verfilmt.
Im April 1953 schließt Che sein Medizinstudium ab. Er ist nun Doktor der Chirurgie, aber ihm steht der Sinn nicht danach, als wohlhabender Arzt in einer Klinik Karriere zu machen. Ihn zieht es wieder auf Reisen. Diesmal nach Bolivien und Ecuador, weiter über Guatemala und Panama bis nach Costa Rica.
Dieses ziellose Streifen durch unser riesiges Amerika hat mich stärker verändert als ich glaubte.
Che bereist einen Kontinent im Umbruch. Überall begehren Menschen gegen die herrschenden Verhältnisse auf, es drohen Revolutionen. Die USA befürchten eine Ausbreitung des Kommunismus und bekämpfen jeden noch so kleinen Ansatz.
Che lernt verschiedene politische Systeme und viele Menschen mit revolutionären Ideen kennen. Politisiert und radikalisiert wird der junge Arzt vor allem durch den extremen Gegensatz zwischen Arm und Reich. In Mexiko trifft er 1955 schließlich den für sein weiteres Leben wichtigsten Mann: Fidel Castro.
Eine Begegnung mit Folgen - Che trifft Fidel Castro
Castro hat in Mexiko eine Gruppe von Exilkubanern um sich geschart, die an den Sturz des kubanischen Diktators Batista und die Errichtung eines sozialistischen Staates auf Kuba planen. Che Guevara schließt sich der Mission als Expeditionsarzt an. Die Operation scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Das Trainingslager der Rebellen werden entdeckt und Guevara wird zusammen mit anderen festgenommen. Als er nach zwei Monaten wieder auf freien Fuß kommt, kann er bei Freunden untertauchen.
Ich bin wohlauf und lechze nach Blut. Ganz wie ein richtiger Soldat – ein Gewehr an meiner Seite und, etwas Neues, eine Zigarre im Mund.
Dass das kubanische Regime nun über die Umsturzpläne Bescheid weiß, macht die Aktion nicht leichter. Mit einer Yacht gelingt es den Rebellen aber dennoch, am 2. Dezember 1956 auf Kuba zu landen. Dort geraten sie direkt ins erste Gefecht, in dem viele von ihnen getötet oder festgenommen werden. Che Guevara beweist sich nun auch als Kommandant der Rebellenarmee im bewaffneten Kampf.
Zwei Jahre dauern die Kämpfe, bevor Batista außer Landes flieht und Fidel Castro die Macht übernimmt. Aus dem Kämpfer Che wird nun der Politiker mit dem Ziel, ein von den USA unabhängiges Kuba aufzubauen. Nach dem Vorbild der Sowjetunion und im Sinne der marxistisch-leninistischen Ideologie werden Wirtschaft, Staat und Gesellschaft des Landes umgekrempelt.
Terror gegen Gegner der Revolution
Mit politischen Gegnern wird da nicht zimperlich umgegangen. Ehemalige Batista-Anhänger und "Gegner der Revolution" werden schonungslos verfolgt und in Straf- und Arbeitslager gesteckt. Che Guevara ist als Vorsitzender des Obersten Kriegsrats in Kuba direkt daran beteiligt und für viele Todesurteile verantwortlich.
Dass dabei insbesondere die USA nicht einfach unbeteiligt zuschauen, ist keine Überraschung. Washington reagiert mit Wirtschaftsblockaden und Sanktionen. Deshalb ist es eine der dringlichsten Aufgaben Ches, der nun das Amt des Industrieministers bekleidet, starke Wirtschaftspartner zu finden und den Export anzukurbeln.
Che Guevara besucht die Leipziger Messe
Als Botschafter Kubas reist er um die Welt. Im Dezember 1960 kommt er auch in die DDR und besucht unter anderem die Leipziger Messe. Es gelingt ihm, für Kuba lukrative Wirtschaftsabkommen mit sozialistischen Partnerländern zu vereinbaren. Das ist ungeheuer wichtig. Denn mit der Präsidentschaft von J. F. Kennedy brechen 1961 die ohnehin schwierigen diplomatischen Kontakte zwischen den USA und Kuba komplett ab. Ein Jahr später lässt die Kubakrise die ganze Welt den Atem anhalten.
Wer jetzt noch mit Kuba Handel treibt, macht sich die USA offen zum Feind. Für die DDR spielt das freilich keine Rolle: Ganze Fabrikanlagen liefert das Land nach Kuba und bekommt dafür Südfrüchte wie die "Kuba-Orange". Lange hält es Che Guevara nicht auf dem Ministerposten. Immer öfter gibt es offene Konflikte mit Staatschef Castro über grundlegende Wirtschaftsfragen. Che zieht es außer Landes. Er will, unter anderem im zentralafrikanischem Bürgerkriegsland Kongo, Revolutionen anstoßen und nach kubanischem Vorbild bessere und gerechtere Staaten aufbauen.
¡Viva la revolución! - Der Kampf geht weiter
1966 führt er eine Gruppe von etwa 40 Guerillakämpfern nach Bolivien. Ein Jahr später sind nur noch 14 seiner Männer am Leben. In einen Gefecht mit bolivianischen Regierungstruppen wird Che verwundet und verhaftet. Nach kurzer Gefangenschaft wird er am 9. Oktober 1967 auf Befehl des bolivianischen Präsidenten hingerichtet – ohne Prozess und obwohl die Todesstrafe in Bolivien zu der Zeit gesetzlich verboten war. Lange Zeit hieß es denn auch, Che Guevara sei im Kampf gefallen.
Man trägt die Revolution nicht auf den Lippen, um von ihr zu reden, sondern im Herzen, um für sie zu sterben.
Sein Idealismus im Kampf für eine bessere Welt und sein Tod im Namen der Revolution machen ihn zum Märtyrer und zur Ikone der internationalen Linken. Die schonungslose Gewalt, mit der er vorging, macht ihn aber für andere zum Terroristen. So oder so – Che Guevara fasziniert auch heute noch.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: Che: der private Blick | 10.02.2019 | 22:30 Uhr