Gräfin Anna Constantia von Cosel
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(1680-1765)
05. August 2011, 10:12 Uhr
Als Anna Constanze von Brockdorff kommt die nachmalige Gräfin Cosel am 17. Oktober 1680 in Depenau bei Plön zur Welt. Seit ihrer Kindheit ist sie an chemischen Phänomenen interessiert. Später, in ihrem eigenen Labor in Pillnitz, stellt sie - wie selbst noch in Stolpen - Medikamente und Kosmetika her. Sie destilliert das Wasser für die Pflege ihrer Gesichtshaut, ist unterrichtet in Sprachen, bewandert in Mathematik, sowie in antiker Geschichte, ist bibelfest, kann Branntwein brennen und Bier brauen, ist trink- und sattelfest, ist eine selbständige Geschäftsfrau und eine glänzende Ökonomin. Sie liest Zeitung, analysiert genauestens Europas politische Strömungen. Eine charismatische Frau!
Der dreiunddreißigjährige August begegnet der um zehn Jahre Jüngeren am Dresdner Hof. Die aus holsteinischem Landadel stammende Anna Constantia, schießend und reitend wie ein Kerl, bildschön, geistreich, witzig und geplagt von Hoym, ihrem brutalen Ehegatten, ist sogleich an den König verloren, so wie er ihr verfallen ist. Die junge Amazone passt besser zu dem schönen, starken Mann, der Hufeisen zerbrechen kann, als all die empfindlichen Frauenzimmer bei Hofe, die, ständig einer Ohnmacht nahe, sich auf hohen Stöckelschuhen kaum aufrecht halten. Doch der König erkennt ihren Charakter. ("Schönheit lockt mich, Charakter widert mich an.") Er bekommt sie nicht, ohne Sicherheiten festzuschreiben, finanzielle sowie moralische. Er gibt nach: In einem heimlich geschlossenen Ehevertrag wird neben einer enormen jährlichen Pension, fast so hoch wie die der Königin, das Versprechen des Königs schriftlich festgelegt, die Cosel nach dem Tode seiner angetrauten Frau Eberhardine als Kurfürstin und Königin öffentlich anzuerkennen und die mit ihr erzeugten Kinder als legitime Nachkommen zu behandeln.
Taschenbergpalais und Pillnitz als Hochzeitsgeschenk
Nach vollzogener Scheidung ihrer Ehe mit Hoym tritt die Urkunde in Kraft. Die Cosel erhält das Taschenbergpalais sowie Pillnitz zum Geschenk. Nunmehr steht sie im Range über den Ministern. Eine Frauenherrschaft am Hofe August II. nimmt ihren Anfang, die länger währen soll als alle anderen vor und nach ihr. Der König ist stolz auf sie. Eine der schönsten und geistreichsten Frauen des 18. Jahrhunderts nennt er nun sein eigen. Keine seiner Mätressen hatte je solche Befugnisse und den König so fest an ihrem Gängelbande.
Die gebildete Frau führt bald ihren eigenen Hofstaat und ist bestrebt, ihre Einflusssphären in vielerlei Hinsicht ständig zu erweitern. Sie ist immer beim König, ist beteiligt an seinen politischen Reformen und wendet sich schließlich gegen diejenigen, die über sie ihren Einfluss auf den König geltend machen wollen. Ein langwieriger Kampf am Hofe setzt sich in Gang, und ihre Feinde respektieren durchaus das eigene Format der Cosel.
Der "Abstieg" der Gräfin
Als August die polnische Krone wiedererlangt und nach Polen geht, wendet sich das Blatt. Mit politischer Weitsicht argumentiert die Cosel gegen Augusts Polenpolitik. Doch ihm liegt viel an der polnischen Krone. Wenn er sie zum zweiten Mal aufgibt, hat er Ruhm und Ehre für immer verloren. Er braucht nun seinen Minister Flemming mehr, als dass ihm die Cosel nützlich sein kann. Eine polnische Mätresse muss her, die August enger an das Land bindet und die Cosel und den König endlich entzweit. Sie ist bald gefunden, der Sturz der Cosel wird mit Macht betrieben und man drängt sie, Dresden zu verlassen. Sie weigert sich. Niemand hält mehr zu ihr.
Aber da ist der geheime Ehevertrag. Die einzige Waffe, die sie noch hat. Als man diesen von ihr zurückfordert, flieht sie nach Berlin. Dort hält sie Hof und nicht hinter dem Berg mit ihrer Meinung über den sächsischen Kurfürsten. Sie droht wiederholt, ihn zu erschießen, falls er sie verlassen sollte. In Sachsen weiß jedermann, dass die Cosel mehrere Gewehre und Pistolen besitzt und damit umgehen kann. Bei Jagden und Wettspielen hat sie es mehrfach bewiesen. Am Dresdner Hofe wittert man Verrat von Staatsgeheimnissen und zwingt sie, an die Grenze von Preußen nach Halle zu gehen. Dort wird sie arretiert und von Friedrich Wilhelm I. gegen preußische Deserteure ausgeliefert.
Neun Jahre war sie des Königs Geliebte, dann wurde sie, die Mutter seiner drei Kinder, in der Blüte ihrer Jahre, 36 Jahre alt, vom Dresdner Königshof verbannt. Ganze 49 Jahre verbrachte sie in Festungshaft, ohne dass selbst dem "treugehorsamen" Ministerium bekannt war, welches Verbrechen die Cosel eigentlich beging, das eine Verurteilung zu ewiger Gefängnisstrafe gerechtfertigt hätte. Selbst für Augusts Sohn und Nachfolger war sie so gefährlich, dass sie bis zu ihrem Tode in Festungshaft blieb.
Am 31. März 1765 starb sie 85-jährig auf Burg Stolpen.