Reisen im 19. Jahrhundert Alfred Brehm und seine Afrika-Expedition
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15. Oktober 2020, 16:21 Uhr
Er ist der wohl bekannteste Zoologe Deutschlands: Alfred Brehm. Ursprünglich wollte der Ost-Thüringer Architekt werden. Doch 1847 - mit 18 Jahren - wurde er zu einer Afrika-Expedition eingeladen. Das fünf Jahre dauernde Abenteuer hat Brehms weiteren Lebensweg nachhaltig geprägt.
1847 lädt der 24 Jahre alte Baron Johann Wilhelm von Müller - einer der bekanntesten Ornithologen seiner Zeit - den sechs Jahre jüngeren Alfred Brehm zum großen Abenteuer ein, zur Expedition nach Afrika. Trotz anfänglicher Bedenken seiner Eltern bricht Brehm - gerade 18 Jahre alt geworden - im März 1847 auf: Zu Fuß zum Bahnhof nach Altenburg, mit dem gerade erfundenen Dampfzug nach Dresden, mit dem Dampfschiff nach Prag, dann zu Fuß nach Wien. Dort trifft er den Baron. Gemeinsam fahren sie nach Triest. Brehm sieht das erste Mal das Meer. Von Triest geht's mit dem Schiff nach Alexandria in Ägypten, wo sie Ende Juli eintreffen:
Das Märchenland aus Tausendundeiner Nacht lag vor uns. Das Schaustück war zu neu, als das wir es nicht bewundern sollten.
Die Löwin Bachida
Fünf Jahre dauert die Expedition durch den Nordosten des damals weithin unbekannten Kontinents. Brehm reist durch Nubien und den Sudan, durchquert Wüsten und Savannen, begegnet exotischen Tieren und wird mit 19 Jahren das erste Mal von Malaria heimgesucht. An seinem Krankenlager wacht auch eine junge Löwin. Später schreibt er über sie in einer seiner erfolgreichsten Erzählungen für die "Gartenlaube", damals Deutschlands meistgelesene Zeitschrift:
Bachida liebte mich zärtlich, folgte mir wie ein Hund, liebkoste mich bei jeder Gelegenheit und wurde nur dadurch lästig, dass sie nachts auf den Einfall kam, mich auf meinem Lager zu besuchen und durch Liebkosungen aufzuwecken ...
Sicher auch geprägt durch diese Erfahrung betrachtet er im "Thierleben" die Löwen als die erhabenste Schöpfung des Tierreichs:
Und wenn auch der ordnende Thierkundige diese königliche Würde eben nicht achten will… der Gesammteindruck, welchen das herrliche Thier macht, wird auch den Forscher zwingen, ihm unter allen seinen Verwandten die höchste Stelle einzuräumen. Der Löwe ... ist es, welcher seit den ältesten Zeiten wegen seiner Kühnheit und Kraft, seines Heldensinnes, Adels und seiner Großmuth bekannt geworden ist und den Namen König der Thiere erhalten hat.
Seine Eloge auf den Löwen werden Tierforscher später verwerfen, schläft der männliche Löwe doch fast den ganzen Tag und überlässt er das Schlagen der Beute den Weibchen ...
Brehm alias Chalihl Effendi trifft "Warde" im Sudan
Alfred Brehm überwindet die ersten Anfälle von Malaria, die in bis an sein Lebensende plagen wird. Er entkommt knapp der Attacke von Nilpferden, der Massakrierung durch einen Sklavenhändler und dem Tod durch Ertrinken nach dem Kentern des Schiffes auf dem Nil. Er lernt Land und Leute kennen, schreibt später ebenfalls in der "Gartenlaube" - damals Deutschlands meistgelesene Zeitschrift - von seiner Schwärmerei für ein Mädchen:
Warum entfliehst Du, Licht meiner Augen? Bleibe, ich bitte Dich."
"Ich darf nicht."
"So sage mir wenigstens Deinen Namen, Du liebliche Gazelle!"
"Ich heiße Warde."
Sie war verschwunden; ich wusste genau, das Warde Rose bedeutet; denn ich verspürte den Duft dieser Rose - im Herzen. Ich hätte ja nicht 21 Jahre alt sein müssen ...
Chalihl Effendi nennen die Sudanesen Alfred Brehm:
Chalihl war mein arabischer Name und bedeutet wörtlich 'Gottesfreund'. Später, als ich etwas arabisch lesen und schreiben konnte, setzte man 'Effendi' dazu, denn unter 'Effendi' versteht man einen gebildeten Mann.
Mit seinen Schriften, den ersten Veröffentlichungen in der "Gartenlaube", später im "Thierleben" beeindruckt er einen jüngeren Dichterkollegen offenbar sehr: Karl May, der seinen Stil, aber auch viele seiner arabischen Namen und Ausdrücke übernimmt, inklusiver seiner Fehler darin.
Tod am Nil
Fünf Jahre Afrika mit Hitze, endlosen Regenzeiten, weiteren Malaria-Anfällen übersteht Alfred Brehm. Am Ende steckt die Expedition in einem scheinbar hoffnungslosen finanziellen Dilemma. Baron John Wilhelm von Müller ist inzwischen wieder in Deutschland, schickt weder Geld noch Nachricht in den Sudan. Doch endlich naht Rettung aus der Heimat. Vater Brehm schickt seinen zweiten Sohn Oskar, den angehenden Apotheker, mit Briefen von Vater und Mutter, und vor allem mit Geld vom Baron und Munition. Die Expedition kann fortgeführt werden. Ein halbes Jahr später geschieht das Unfassbare, an einem Tag im Mai 1850, beim Baden im Nil: Oskar, des Schwimmens unkundig, ertrinkt.
Unser teurer Oskar wird nicht mit mir in die Heimat zurückkehren, wird die Freuden des Wiedersehens der Teuren im Vaterlande nicht mit empfinden – er ist nicht mehr! Das unerbittliche Geschick raubte mir den treusten, besten Bruder, raubte mir einen unersetzlichen Freund … Sein Tod war der schwerste Schicksalsschlag, der mich je betroffen hat.
Die Rückkehr
Alfred Brehm muss seinen Bruder im fernen Sudan begraben. Er kehrt nach Hause zurück. Von Afrika bringt er reiche Ausbeute mit. Über 1.000 exotische Vogelbälge, aber auch zwei Affen. Pavianweibchen Attile und das Meerkatzenmännchen Hassan treiben bald ihr Unwesen in Renthendorf. Alfred Brehm schreibt sich 1853 an der Jenaer Universität ein. Er promoviert bereits nach zwei Jahren. Als Doktorarbeit reicht er ornithologische Fachartikel und einige Kapitel seines Buchs "Reiseskizzen aus Nord-Ost-Afrika" ein.
Wer war Alfred Edmund Brehm?
Alfred Edmund Brehm lebte vom 2. Februar 1829 bis 11. November 1884. Brehm wird in Renthendorf/Thüringen geboren. Nach einer Maurer-Lehrer in Altenburg beginnt er in Dresden ein Architektur-Studium. Dies bricht er nach nur zwei Semestern ab, als Baron Müller ihn zu seiner Afrika-Expedition einlädt. Nach fünf Jahren in Afrika studiert er nach seiner Rückkehr Naturwissenschaften und promoviert. 1863 wird Brehm Direktor des Zoologischen Gartens in Hamburg. Später baut er das Berliner Aquarium unter den Linden auf.