Geschichte eines Namens Warum die Sachsen Sachsen heißen
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von Dr. Daniel Niemetz
29. Januar 2024, 11:32 Uhr
Sachsen heißen ursprünglich die germanischen Bewohner im heutigen Nordwesten Deutschlands. Doch vor 600 Jahren wandert der Name die Elbe aufwärts ins heutige Sachsen. Woher der Name Sachsen stammt, was er bedeutet und wie er nach Mitteldeutschland gelangt. Ein Rückblick auf mehr als 1.400 Jahre Sachsen-Geschichte.
Ihren Namen verdanken die heutigen Sachsen einem westgermanischen Völkerverband, der ab dem Frühmittelalter in der Norddeutschen Ebene zwischen Rhein und Elbe nachweisbar ist. Schriftquellen des Frankenreichs bezeichnen die dort lebenden Menschen seit dem 6. Jahrhundert als Saxones. Das ist das lateinische Wort für Sachsen. Zwar treten Saxones zwei Jahrhunderte zuvor bereits als Sammelbezeichnung für Seeräuber in Nordsee und Ärmelkanal, als germanische Söldner in römischen Diensten und seit dem 5. Jahrhundert als Besiedler Britanniens in Erscheinung. Jedoch schweigen die Quellen über die geografische Herkunft dieser "Sachsen".
"Leute mit den Messern"
Auch der Ursprung des Sachsen-Namens liegt im Halbdunkel der Geschichte. Nach vorherrschender Meinung besteht ein Zusammenhang mit dem altgermanischen Wort "Sahs" (h = ch) bzw. "Sachs" für Messer oder Dolch. Die Sachsen sind demnach die "Leute mit den Messern". Auch eine Herleitung aus dem lateinischen Wort "Saxum" für Stein oder Fels wird zumindest für möglich gehalten. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende These, dass der Sachsen-Name auf ein einschneidiges Kurzschwert namens "Sax" bzw. "Scramasax" zurückgeht, wird heute stark bezweifelt.
Ob sich alle Bewohner der Norddeutschen Ebene zwischen Rhein und Elbe vor dem ausgehenden 8. Jahrhundert selbst als Sachsen und als Einheit begreifen, ist unklar. Frühere Theorien, wonach die königslosen Sachsen seit dem 3. Jahrhundert den norddeutschen Raum unterwerfen und die dortigen Stämme in einem parlamentarisch regierten "Stammesverband" vereinen, gelten mittlerweile als überholt. Die neuere Forschung geht wie der Magdeburger Mittelalterhistoriker Matthias Springer davon aus, dass "die politische Einheit namens Sachsen" erst mit der Eroberung durch den Franken-König Karl den Großen (747/748-814) entsteht.
Karl der Große und die Sachsenkriege
Sage und schreibe 32 Jahre – von 772 bis 804 – führt Karl der Große Krieg, um die heidnischen Sachsen zu unterwerfen und zum Christentum zu zwingen. Die neuere Forschung sieht in deren politischer Zersplitterung den Grund für den langen Widerstand. Es hätten sich immer nur "einzelne Gruppen", nie jedoch alle Sachsen unterworfen, so der Historiker Matthias Becher. Erst durch die Eroberungen in den "Sachsenkriegen" und die Eingliederung in die fränkische Reichskirche entsteht Sachsen als politische Einheit. Als sogenanntes Stammesherzogtum wird Sachsen ein fester Bestandteil zunächst des Fränkischen, dann des Ostfränkischen und schließlich des Deutschen Reichs. Das gilt auch für den sächsischen Adel, der schon bald zu einer festen politischen Größe im Reichsverband wird.
Könige und Kaiser aus Sachsen
919 wird mit Heinrich I. (876-936) aus dem Hause der Liudolfinger (Ottonen) sogar ein sächsischer Herzog zum König des Ostrankenreichs gewählt. Dessen Sohn und Nachfolger, Otto I. der Große (912-973), wird 962 in Rom als erster Sachse zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt. Er gilt als einer der bedeutendsten Herrscher des Mittelalters. Unter ihm entwickelt sich der östlichste Teil Sachsens (Ostfalen) an Mittelelbe und Saale zur königlichen Machtbasis, mit Magdeburg als glanzvollem Mittelpunkt des Reiches. Doch weder Heinrich noch Otto noch die anderen Herrscher des 1024 aussterbenden Ottonen-Geschlechts sind unumschränkte Herzöge von Sachsen, sondern lediglich Herzöge in Sachsen. Das gilt für alle sächsischen Herzöge bis zum letzten echten Sachsen auf dem römisch-deutschen Kaiser-Thron, Lothar von Supplinburg (1075-1137).
Heinrich der Löwe und die Zerschlagung Sachsens
Erst mit Heinrich dem Löwen (1129/30-1195) aus dem ursprünglich fränkischen Geschlecht der Welfen gelangt das sächsische Herzogtum 1142 an einen Mann, der laut seinem Biographen Joachim Ehlers Sachsen "auf territorialstaatlicher Grundlage" völlig neu organisiert. Allerdings zieht Heinrich, der seit 1156 auch Herzog von Bayern und damit einer der mächtigsten Fürsten des Reiches ist, in den folgenden Machtkämpfen die Gegnerschaft anderer Fürsten sowie seines Vetters, Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1122-1190), auf sich. Nachdem er dem Staufer-Kaiser die Heeresfolge zu einem Italienzug verweigert, entzieht ihm dieser 1180 die Herzogtümer Sachsen und Bayern.
Sachsen wird danach zerschlagen. Der westliche Landesteil Westfalen-Engern kommt zum Erzbistum Köln. Der östliche Teil fällt als Herzogtum Sachsen an Bernhard von Aschersleben bzw. Anhalt (1140-1212) aus dem altsächsischen Geschlecht der Askanier. Dem neuen sächsischen Herzog werden bei der Gelegenheit auch Gebiete um Aken und Wittenberg an der Elbe übertragen. Als sich Heinrich der Löwe 1181 Kaiser Barbarossa unterwirft, darf er seine riesigen Erbgüter (Allodialbesitz) um Braunschweig und Lüneburg behalten. Das Herzogtum Sachsen besteht somit nur noch aus kleineren altsächsischen Gebieten an der Mittel- und Unterelbe sowie aus den neu hinzu gewonnenen Territorien um Wittenberg.
Kurfürstentum unter Askaniern und Wettinern
1295 teilen die Nachfahren von Herzog Bernhard das askanische Sachsen in die Herzogtümer Sachsen-Wittenberg und Sachsen-Lauenburg. 1356 wird den Herzögen von Sachsen-Wittenberg mit der "Goldenen Bulle" durch Kaiser Karl IV. (1316-1378) die Kurwürde verliehen. Sie gehören somit zu jenen ranghöchsten sieben Fürsten des Reiches, die das alleinige Recht zur Wahl (Kur) des römisch-deutschen Königs besitzen. 1422 sterben die askanischen Herzöge von Sachsen-Wittenberg aus.
König Sigismund von Luxemburg (1368-1437) überträgt daraufhin die Kurfürstenwürde und das Herzogtum Sachsen-Wittenberg am 6. Januar 1423 dem damaligen Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen. Das ist Friedrich der Streitbare (1370-1428) aus dem Hause Wettin. Der Name Sachsen geht damit auch auf die meißnischen und thüringischen Besitzungen der Wettiner in den heutigen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen über. Nachdem der Sachsen-Name im 12. Jahrhundert unter den Askanieren zunächst auf das Gebiet um Wittenberg übertragen wird, wandert er ab dem 14. Jahrhundert unter den Wettinern weiter die Elbe aufwärts bis zur böhmischen Grenze hinter Dresden. Es entsteht das Kurfürstentum Sachsen, aus dem 1806 das Königreich Sachsen hervorgeht.
Nachkommen der Thüringer, Franken und Slawen
Auch die Menschen im Kurfürstentum Sachsen und seinen Nachfolgeterritorien werden in der Folge Sachsen genannt. Nachkommen der norddeutschen Altsachsen sind sie jedoch kaum. Die Vorfahren der heutigen Sachsen sind vor allem Thüringer und Franken, die im Zuge der deutschen Ostkolonisation vom 11. bis zum 13. Jahrhundert in die bis dahin slawischen Gebiete der Mark Meißen einwandern und sich mit der dortigen Bevölkerung vermischen. Ortsnamen wie Frankenheim, Frankenberg oder Frankenthal sind Indizien für die Herkunft der frühen deutschen Kolonisten.
Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 wird der letzte sächsische König Friedrich August III. (1865-1932), ein direkter Nachfahre Friedrichs des Streitbaren, zur Abdankung gezwungen. Sachsen wird Freistaat innerhalb der Weimarer Republik, ist zwischen 1945 und 1952 ein Land in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) bzw. DDR und wird 1990 ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Das im selben Jahr gegründete Bundesland Sachsen-Anhalt, das überwiegend aus der vormaligen preußischen Provinz Sachsen besteht, vereinigt altsächsisch-ostfälische Gebiete im Norden mit ehemals kursächsischen Gebieten im Süden. Zumindest ein Teil der norddeutschen Heimat der alten Sachsen zwischen Rhein und Elbe erhält bereits 1946 mit der Gründung des Landes Niedersachsen ein Stück seiner alten Identität zurück.
Dieser Artikel wurde erstmals am 2. April 2023 veröffentlicht.
Literaturhinweise
- Becher, Matthias: Karl der Große, München 2021.
- Capelle, Torsten: Die Sachsen des frühen Mittelalters, Stuttgart 1998.
- Ehlers, Joachim: Heinrich der Löwe. Biographie, München 2008.
- Ludowici, Babette: Die Sachsen, München 2022.
- Springer, Matthias: Die Sachsen, Stuttgart 2004.