1951 - Haft im Gulag Als Spion verurteilt
Hauptinhalt
07. Dezember 2016, 14:33 Uhr
Heinz-Dieter Mendel wurde 1951 unter dem Vorwurf der Spionage verhaftet und zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt. Was er nur allmählich realisierte, war eine der größten Verhaftungswellen, die über die junge DDR fegte. Über 180 Menschen wurden damals als "feindliche Agenten" verurteilt.
Heinz-Dieter Mendel war gerade einmal 18 Jahre alt, als er sich kurz nach seiner Verurteilung beim sowjetischen Geheimdienst im Dresdner Heidehof wiederfand. Nur langsam begriff er, dass er ein verurteilter Saboteur und Spion war. Seine Strafe: 25 Jahre Arbeitshaft in einem Gulag in Sibirien.
Dabei hatte es alles andere als "geheim" oder "staatsfeindlich" angefangen: Mit Mutter und Schwester lebte er nach dem Kriegsende in Bischofswerda. Sein Vater war Gefangener der Sowjets in Sachsenhausen. Der junge Heinz-Dieter hatte seinen Vater all die Jahre nicht gesehen und war fest entschlossen, ihn zu finden.
Um Verschleppte wie Mendels Vater zu finden, gründete sich 1948 in Westberlin ein Suchdienst. Sein Symbol: das "F" für Freiheit. Sein Name: Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit - kurz KgU. Die Organisation war eine Anlaufstelle für Flüchtlinge und Menschen, die aus Speziallagern der Sowjetunion kamen. Hier, in der KgU, konnten sie über ihre Haft berichten und bekamen Informationen über andere in der sowjetischen Besatzungszone vermisste Menschen.
Im Frühjahr 1950 wurde der kranke Vater aus der Haft entlassen, sein Sohn Heinz-Dieter war voller Vorfreude, doch der Vater starb noch vor dem Wiedersehen an einem Hirntumor. Der geschockte Sohn beschloss, dem System, das ihm seinen Vater nahm, Widerstand zu leisten. Mendel war fest entschlossen, etwas zu unternehmen, und machte sich auf den Weg nach Westberlin. Über den "Rias" kannte er die Adresse der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit. Der Empfang dort war jedoch alles andere als herzlich: Längst hatte man vom Suchdienst auf Spionage und Sabotage umgeschaltet.
Denn wenn dir gleich in Hunderten abgepackte Flugblätter mitgegeben werden sollen und eine fix und fertig ausgerüstete Malerrolle mit dem Buchstaben F für Freiheit und ein kleines Fläschchen mit unabwaschbarer roter Farbe, dann merkt man: Das ist nicht ganz so deine Adresse, deine Feldpostnummer. Ich habe die Sachen also gleich, ich glaube schon in Berlin, weggeschmissen.
Ohne das Material, aber mit verbotener Literatur machte sich Heinz-Dieter Mendel auf den Rückweg und hatte mit dem Thema "KgU" eigentlich schon abgeschlossen. Eine Woche später bekam der Oberschüler Nachricht von einem KgU-Mann, doch der Mut hatte den jungen Mann schon verlassen. Angst machte sich bei Heinz-Dieter Mendel breit.
Ich wurde sehr, sehr zaudernd und hab' mir gesagt: Hingehen zur Polizei, den Mann anzeigen kannste nicht, aber halt ihn Dir vom Leibe. Und ja wenigstens ein Paar Nummern von sowjetischen Autos könnt' ich doch mal aufschreiben.' Das hab ich dann auch getan.
Mendel ließ sich überreden, Daten für die KgU zu sammeln. Vor allem Autokennzeichen von Militärlastwagen waren die Informationen, die der junge Mann lieferte. Doch morgens in die Schule und danach spionieren für die KgU - das ging nicht lange gut. Als Heinz-Dieter Mendel im August 1951 mit dem Schulchor zu den III. Weltfestspielen der Jugend und Studenten nach Ostberlin fuhr, ließ die Staatsmacht die Handschellen klicken. Gerade auf dem Weg zu Verwandten in einen der Westsektoren, wurde er von Polizisten angehalten, nach seinen Papieren gefragt und abgeführt.
Da ich mir absolut überhaupt keiner Schuld bewusst war, ging ich friedfertig mit. Ich hätte rennen können. Die Brücke war weder abgesperrt, noch hatte sie einen Zaun, gar nichts. Ich hätte einfach rennen können und wäre drüben gewesen. Aber ich sagte mir: 'Was können die mir wollen?'
Zu diesem Zeitpunkt war die KgU schon mit Spionen der anderen Seite durchsetzt, das Netzwerk war massiv unterwandert. So kannte man auch längst die Identität der "kleinen Fische" wie Heinz-Dieter Mendel, der nach seiner Verhaftung zunächst in das Dresdner Gefängnis Heidehof kam. Nach seiner Verurteilung 1952 wurde er in einen Gulag nach Sibirien gebracht. 25 Jahre Lagerhaft standen ihm bevor. Konrad Adenauer ist es zu verdanken, dass sich Mendels Haftzeit auf drei Jahre verkürzte. Denn als der Bundeskanzler 1955 zu einem Staatsbesuch nach Moskau reiste, konnte er die Freilassung von 10.000 Kriegsgefangenen erwirken.
Nach seiner Freilassung kam Heinz-Dieter Mendel nach Westberlin, die Rehabilitierung durch die russische Militärstaatsanwaltschaft sollte aber noch bis 1995 auf sich warten lassen.
Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU)
Die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit war eine 1948 als Suchdienst gegründete antikommunististische Organisation, die zunächst das Ziel hatte, nach Menschen zu suchten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) verhaftet worden waren. Diese waren in den früheren KZs Buchenwald und Sachsenhausen interniert.
1949 wurde die KgU durch eine Lizenz der Alliierten Kommandantur zur politischen Organisation und nun unter anderem von westlichen Geheimdiensten finanziert. Die KgU warb vor allem junge Menschen an, die in der SBZ und späteren DDR Stimmung gegen die SED machen sollten. Die KgU schrieb Drohbriefe an DDR-Funktionäre und schreckte auch vor Anschlägen auf militärische und zivile Einrichtungen nicht zurück. 1959 löste sich die KgU auf.
Die DDR ging massiv gegen die KgU vor. Am 8. September 1951 begann eine beispiellose Verhaftungswelle von SED-Gegnern in der DDR. Innerhalb kurzer Zeit wurden über 180 Menschen verhaftet, in 42 Fällen wurde die Todesstrafe verhängt, allerdings wurden nicht alle vollstreckt. Die anderen Angeklagten erhielten Haftstrafen zwischen zehn und 25 Jahren Lagerhaft. Die meisten der Verurteilten kamen in den wegen seiner harten Bedingungen berüchtigten Gulag Workuta.