Illegale Taxifahrer in der DDR
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08. Januar 2021, 10:33 Uhr
Taxis waren in der DDR Mangelware. Diese Lücke nutzten clevere DDR-Bürger aus und boten mit ihren Privatautos illegale Taxifahrten an - eine Konkurrenz für die VEB-Fahrer.
In der DDR gab es viel zu wenig Taxis. Der Leipziger Waldi Gehle erinnert sich: "Wenn man einen Taxistand gefunden hatte, dann waren keine Taxis da. Und wenn doch, kam oft die Frage: Wo willste denn hin?" Die Taxifahrer in der DDR nahmen nämlich nicht jeden Fahrgast mit. Grund dafür war die Planerfüllung, an der auch Zuschläge und Prämien hingen. In Ostberlin dürften Taxifahrer zum Beispiel auf 100 Kilometer nur 16 Leerkilometer und zwischen zwei Fuhren höchstens fünf bis zehn Kilometer ohne Kunden fahren. Eine Fahrt in einen entlegenen Stadtteil lohnte sich deshalb oft nicht, weil die Fahrer von dort nur schlecht wieder zurückkamen.
Der Schwarztaxi-Markt boomt
Wie fast jeder sozialistische Mangel, trieb auch dieser seine Blüten. Vorwiegend in der Nacht gingen clevere DDR-Bürger mit ihren Privatwagen auf die Piste, um ihr Gehalt aufzubessern. Das Hobby war lukrativ. Während ein offizieller Taxifahrer 950 bis 1200 Mark netto nach Hause brachte, konnten es bei einem Schwarztaxifahrer um die 150 Mark pro Schicht sein. Waren die Schwarztaxis zunächst in Berlin unterwegs, gab es sie ab spätestens Mitte der 1980er-Jahre in allen größeren Städten der DDR.
Der Dresdner Maik Schilling entdeckte die profitable Lücke durch Zufall: "Ich bin mit meinem uralten F9 in Richtung Hauptbahnhof gefahren und hielt an einer roten Ampel. Auf einmal ging meine Beifahrertür auf, ein älterer Herr klappte die Sitzlehne vor, setzte sich rein und sagte zu mir: 'Wissen Sie was, da muss man erst viele Jahre in Berlin wohnen um mitzukriegen, dass es in Dresden auch Schwarztaxis gibt.'"
Prügeleien unter den Fahrern
Doch die illegalen Taxifahrer lebten nicht ganz ungefährlich. Oliver Wagner, der als junger Mann mit einem Schwarztaxi unterwegs war, berichtet: "Es gab drei Regeln zu beachten. Klaue nie einem normalen Taxi einen Fahrgast. Verlange nie Geld und das dritte war: nicht in fremden Revieren wildern. Denn auch die Schwarztaxihaltestellen waren abgesteckte Reviere. Wenn Disko war, gab es in einer Seitenstraße den Schwarztaxistand und da reinzukommen war nicht so ganz ohne."
Unter den Schwarztaxifahrern und den angestellten Taxifahrern gab es Neid. Die Illegalen zahlten keine Steuern und verdienten dadurch deutlich mehr. Der Konkurrenzdruck führte nicht nur zu verbalen Auseinandersetzungen. Normalerweise ignorierten die Behörden die Schwarztaxis. Doch in einigen Fällen wurden die Schwarztaxifahrer auch mit Hilfe der Polizei von den Taxifahrern gejagt.
Der Staat steuert gegen
Ab 1987 versuchte der Staat den Wildwuchs der Schwarztaxis in den Griff zu bekommen. Zusatztaxi hieß das Zauberwort. Ganz legal und mit Taxischild auf dem Dach konnte Jedermann sein Auto zum Taxi machen. Das war aber mit vielen Einschränkungen verbunden. Pro Monat durften die Taxifahrer maximal 60 Stunden nebenberuflich fahren. Das größte Problem stellte für viele der "Botax" dar. Das Taxameter musste eingebaut und genau danach abgerechnet werden. Außerdem war die Standardkarosse der DDR- Bürger, der Trabant, nicht als Taxi zugelassen. Denn laut Verordnung brauchten Privatdroschken vier Türen. Das führte dazu, dass viele Leute lieber weiter schwarz Taxi fuhren.
Nach dem Mauerfall: Warten auf den nächsten Kunden
Der Taxi-Mangel zu DDR-Zeiten drehte sich nach der Wende ins komplette Gegenteil um. Es wurden massenhaft Konzessionen vergeben. Damals erhielt jeder eine Konzession, der sie wollte. Nun warteten nicht mehr die Gäste auf die Taxis, sondern die Taxis reihten sich in langen Schlangen aneinander.
Das Überangebot führte zu absurden Szenen, wie eine Provinzposse in Leipzig zeigt. Anfang der 2000er-Jahre wollte Leipzig die Taxiunternehmen aus dem Umland aus der Stadt vertreiben. Daraufhin kündigte der Landkreis Delitzsch an, dass keine Leipziger Taxis mehr am Flughafen Leipzig/Halle fahren durften. Der Streit ging vor Gericht. Das Urteil lautete: Alles bleibt beim Alten.