DDR-Automarkt in den 1970er-Jahren
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Wartezeiten von bis zu 17 Jahren waren gang und gäbe in der DDR. Mit Dacias aus Rumänien, Ladas aus der Sowjetunion und VW Golf aus der Bundesrepublik versuchte die DDR, seit den 1970er-Jahren die Versorgungsengpässe auszugleichen. Doch viele DDR-Bürger beschafften sich ihr Auto auf dem privaten Gebrauchtwagenmarkt.
Als Erich Honecker 1971 als SED-Generalsekretär die Macht übernahm, versuchte er als erstes die Versorgungssituation der Bevölkerung zu verbessern. Mangelerscheinungen in den Jahren zuvor hatten die Unzufriedenheit in der Bevölkerung deutlich gesteigert. Ein Ansatzpunkt für kurzfristige Verbesserungen sollte der Import von PKW sein, da eine schnelle Ausweitung der heimischen Produktion unrealistisch erschien.
Noch im selben Jahr wurden aus Rumänien Autos der Marke "Dacia" importiert, ein Lizenz-Nachbau des "Renaults 12". Das Importauto kostete 23.500 Mark. Ein Jahr später begann die DDR mit dem Import von "Lada 1200", ein Lizenznachbau von Fiat aus der Sowjetunion, Kaufpreis: ca. 20.000 Mark. Dieser Pkw-Typ erfreute sich besonderer Beliebtheit. Aus der ČSSR kamen bereits seit den 1960er-Jahren verschiedene Modelle der Marke "Škoda" auf den Automarkt der DDR. Sie kosteten zum Teil unter 15.000 Mark, waren aber bei vielen Autofans wegen ihrer Korrosionsanfälligkeit als "Böhmisch-Mährischer Schnell-Roster" verschrien. Vereinzelt waren auf den Straßen der DDR auch Polski Fiat - die in der Beliebtheit noch vor dem Lada Shiguli rangierten - sowie Moskwitsch- und Saporoschez-Modelle aus der SU unterwegs.
Import von insgesamt 10.000 VW Golf I
Ein wirklicher "Paukenschlag" war aber Anfang 1978 der Import von insgesamt 10.000 VW Golf 1. Es handelte sich um ein klassisches Kompensationsgeschäft: Wolfsburg lieferte die Autos, im Gegenzug schickte die DDR Pressen, Werkzeugmaschinen und einen Projektor von Carl Zeiss Jena für das Planetarium Wolfsburg in die Bundesrepublik. Anfänglich wurden die VW Golf über den IFA-Autohandel für einen Stückpreis von 32.000 Mark angeboten. Doch die potenziellen Käufer reagierten skeptisch. Zum einen machten sie sich Sorgen um Ersatzteile, zum anderen war vielen der Kaufpreis zu hoch. So wurde er vom IFA-Handel nachträglich auf 22.500 Mark gesenkt. Importfahrzeuge wurden in den staatlichen Autohandel integriert. Das konnte bedeuten: Man hatte vor Jahren einen Wartburg bestellt und wurde auf einmal vom IFA-Vertrieb gefragt, ob man auch einen VW Golf nehmen würde. Bestellte man aber gezielt einen Importwagen, so gab es dafür reguläre Wartelisten wie bei anderen Neuwagenbestellungen.
Warten, warten, warten
Bei der Bestellung eines Neuwagens – egal, ob es sich um ein DDR-Fabrikat oder um einen Importwagen – musste man in der DDR folgendermaßen vorgehen: Jeder DDR-Bürger ab 18 Jahren konnte sich einmal mit je einem Autowunsch in eine Liste des IFA-Autohandels eintragen. Der IFA-Vertrieb informierte dann, sobald das Fahrzeug bereit stand. Also in der Regel nach vielen Jahren. Da man nicht wusste, wer als erster eine Zuteilung erhielt, trugen sich vorsichtshalber ganze Familien in diese Listen ein.
1965 warteten laut IFA beispielsweise 60.000 Ost-Berliner auf ein Auto, davon alleine 36.000 auf einen Trabant. Im selben Jahr wurden aber im Stadtgebiet nur 4.800 PKW neu zugelassen. Die Wartezeit für einen Neuwagen betrug sieben Jahre. Sie verlängerte sich, je älter die DDR wurde.1989 lag sie schließlich bei geschätzten 16 Jahren. Das bedeutete aber auch, hatte man z.B. einen Trabant 601 mit einer bestimmten Ausstattung bestellt, so bekam man bei der endgültigen Auslieferung eine neuere Ausführung.
Gebrauchtwagenhandel als Ausweg aus der Misere
Noch in den 1960er-Jahren wurde der private Gebrauchtwagenverkauf argwöhnisch von staatlicher Seite beäugt und reglementiert. In einem Beitrag des Fernsehmagazins "Prisma" vom Januar 1965 sprach der Moderator im Zusammenhang mit Gebrauchtwagenverkäufen vom "dunklen Geschäft der Spekulation". Wer nach Meinung der Strafverfolgungsbehörden überteuert verkaufte, konnte dafür ins Gefängnis wandern. Die Reporter des DDR-Fernsehmagazins "Prisma" wollten untersuchen, wie der Gebrauchtwagenmarkt real funktionierte und inserierten unter falschem Namen in Berliner Zeitungen. Auf das Scheinangebot eines gebrauchten Trabis meldeten sich 250 Kaufinteressenten. Die meisten waren bereit zu zahlen, was gefordert wurde.
Zeitwert oder Marktwert?
Deshalb war es noch in den 1970er-Jahren Pflicht, den Gebrauchtwagen vor dem Verkauf einer staatlichen Stelle zur Ermittlung des sogenannten Zeitwertes vorzuführen. Letztlich konnten staatliche Stellen aber nicht kontrollieren, was tatsächlich an Barem bei einem Gebrauchtwagenkauf von Hand zu Hand ging. Allerdings sind Gerichtsverfahren bekannt, bei denen ein Käufer nachträglich den Kaufpreis auf den Zeitwert des erstandenen Autos drücken konnte. Aber die meisten waren einfach nur froh, überhaupt einen halbwegs brauchbaren fahrbaren Untersatz zu finden.
Später ließ die Regierung dem privaten Gebrauchtwagenhandel weitgehend freien Lauf. Für Käufer galt als Faustregel: das Doppelte des Neuwagenpreises minus 1.000 Mark pro Nutzungsjahr. In Fernsehsendungen wie dem beliebten "Verkehrsmagazin" wurden zudem Tipps gegeben, worauf man als Käufer eines Gebrauchtwagens achten sollte, wenn man nicht über den Tisch gezogen werden wollte. Selbst für gebrauchte Reifen wurden Schätztabellen erstellt, wobei sich der Preis nach der gemessenen Profiltiefe richtete.
Gegen Ende der DDR entstanden sogar von staatlichen Stellen geduldete Gebrauchtwagenmärkte, auf denen man seinen Trabi oder Wartburg abstellte, die Seitenscheibe einen Spalt weit herunter gedreht. Dann konnte man in Ruhe einkaufen gehen. Bei der Rückkehr suchte man sich einfach vom Beifahrersitz das höchste Angebot aus, das ein Interessent durch den Fensterschlitz eingeworfen hatte.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise: Mobil im Sozialismus | 24. Mai 2020 | 22:20 Uhr