Weihnachten zur See: Mission an Bord der MS "Dresden"
Hauptinhalt
24. Mai 2011, 11:37 Uhr
Mitarbeiter des DDR-Fernsehens gehen im Herbst 1965 in geheimer Mission an Bord der MS "Dresden". Sie wollen die Besatzung mit ganz besonderen Weihnachtsgrüßen überraschen.
Im Spätherbst des Jahres 1965 wurde die MS "Dresden" im Überseehafen Rostock für eine erneute Reise nach Indien beladen. Die Besatzungsmitglieder trafen nach ihrem Urlaub alle langsam wieder auf dem Schiff ein. Und die vor jedem Auslaufen anfallenden Arbeiten wurden in Angriff genommen. Wenige Stunden vor dem Auslaufen wurden noch Passagiere an Bord genommen. Sie brachten auch zahlreiche Kisten mit aufs Schiff, deren Inhalt aber nicht ersichtlich war. Es interessierte uns auch nicht weiter, da ja Passagiere an Bord nicht ungewöhnlich waren. Unmittelbar vor der Auslaufzeit fand die obligatorische Kontrolle durch den Zoll und die Hafenpolizei statt. Dann wurde die Gangway eingeholt, die Schlepper machten fest und die MS "Dresden" verließ Rostock in Richtung Indien.
Schalte nach Bitterfeld
Über Hamburg ging es weiter nach Rotterdam. Zwischenzeitlich hatten wir erfahren, dass es sich bei den Passagieren um Mitarbeiter des DDR-Fernsehens handelt. In Rotterdam angekommen, wurden sie von Mitarbeitern des niederländischen Fernsehens oder Rundfunks empfangen. Erst jetzt wurden wir offiziell darüber informiert, was das alles zu bedeuten hatte: Von der MS "Dresden" sollte eine Weihnachtsfeier im Rahmen der Sendung "Mit dem Herzen dabei" nach Bitterfeld übertragen werden. Der Showmaster war Hans-Georg Ponesky, zur damaligen Zeit einer der beliebtesten Moderatoren in der DDR. Die Vorbereitungen für die Schalte von Bitterfeld auf unser Schiff waren bald abgeschlossen. Damals gab es natürlich nur die Möglichkeit, telefonisch Kontakt aufzunehmen. Am Abend der Sendung wurden alle Maschinen für die Stromerzeugung auf dem Schiff abgestellt und der Strom von Land aus eingespeist. Dadurch sollten Stromschwankungen und Maschinengeräusche ausgeschlossen werden.
Weihnachtsgruß der Patenstadt Dresden
Schließlich durften wir unsere weihnachtlich dekorierte Mannschaftsmesse betreten. Auf jedem Platz stand ein Weihnachtsgeschenk, das die Stadt Dresden - die Patenstadt unseres Schiffes - für uns bereitgestellt hatte. Jedes Besatzungsmitglied bekam einen Dresdner Stollen, eine Flasche Korn, eine Schreibmappe und eine schwarze Aktentasche aus Kunstleder. Dann wurde vom Schiff aus nach Bitterfeld geschaltet. Von dort wurden wir herzlich begrüßt und unsererseits gingen ebenfalls die Grüße nach Bitterfeld. Im Verlauf der Sendung konnte unser Bootsmann mit seiner Ehefrau in Bitterfeld sprechen. Er hatte kurz vor der Reise geheiratet und als Überraschung wurde beiden mitgeteilt, dass die Ehefrau ihren Mann auf der weiteren Reise nach Indien begleiten darf. Außerdem wurde ein Matrosenlehrling für seine guten Leistungen geehrt und auch er durfte seine Mutter auf die Weiterreise mitnehmen.
Heiligabend auf dem Roten Meer
Für uns alle waren diese Momente sehr bewegend und unvergesslich. Die gesamte Sendung wurde dann Weihnachten am 25. Dezember 1965 im DDR-Fernsehen ausgestrahlt, wobei Filmaufnahmen von der MS "Dresden" eingeblendet wurden. Somit konnten unsere Angehörigen an diesem einmaligen Erlebnis teilhaben. Den Heiligabend 1965 feierten wir dann allerdings im Roten Meer bei sehr hohen Temperaturen und leichter Bekleidung. Das wäre aber dann schon wieder eine andere Geschichte.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR Zeitreise | 19.09.2017 | 22:20 Uhr