Interview mit dem Gagarin-Bewunderer Walter Famler Ein Raumschiff auf vier Rädern
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14. Juni 2011, 09:10 Uhr
Mit einem kleinen roten Steyr Puch 500 begaben sich der Wiener Verleger Walter Famler und der Slawist Herwig Höller 2007 auf eine ganz spezielle "Wallfahrt" von Wien nach Moskau und ins sogenannte Sternenstädtchen, das Ausbildungszentrum für Kosmonauten.
Mit dem zum "Raumschiff auf Rädern" umgebauten Gefährt waren die beiden unterwegs, um die Lebensstationen und Wirkungsstätten des sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin aufzusuchen. Im Interview erzählt Walter Famler, woher seine Begeisterung für den sowjetischen Kosmonauten kommt und was ihn zu dieser Russlandtour bewegte.
Sie sind Jahrgang 1958. Als Juri Gagarin 1961 als erster Mensch ins All flog, waren Sie gerade mal drei Jahre alt. Woher kommt Ihre Begeisterung für den russischen Kosmonauten – noch dazu als Österreicher?
Als die Amerikaner auf dem Mond gelandet sind, hat uns unser Vater zu nachtschlafener Stunde geweckt. Er meinte, das wäre ein welthistorisches Ereignis, das wir nicht verpassen sollten. Und als die Amerikaner dann den Mond betraten, hat mein Vater das Gerät abgedreht und gesagt: "So, Burschen. Offensichtlich sind die Amerikaner jetzt am Mond gelandet, aber eines müsst ihr euch immer merken: Der erste Mensch im Kosmos war ein Sowjetrusse – Juri Gagarin." Das war tief im Bewusstsein bei sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Genossen. Ich selbst habe mich dann als Politaktivist in den 1970er-Jahren nicht für die Raumfahrt interessiert, war eher sehr distanziert gewesen.
Was war dann der Auslöser für Ihre Gagarin-Begeisterung?
Als ich 1997 in Moskau auf der Suche nach der Buchmesse war, wurde ich zufällig Zeuge, wie die große Weltraumausstellung im "Pavillon Kosmos" geräumt wurde. Da kam ich spontan auf die Idee, den Kopf Juri Gagarins – eine Aluminium-Büste - zu retten. Die Spontan-Aktion scheiterte, deshalb habe ich sie ins Virtuelle übertragen und hab die "Bewegung Kosmos" gegründet – deren Ziel ich in der dadaistisch gewendeten Agitprop-Formel zusammengefasst habe, das Lächeln Gagarins weltweit in die Antlitze der Frauen zu zaubern.
Warum hat Sie diese Museumsauflösung so bewegt?
Für mich war die Situation sehr stark symbolisch aufgeladen, weil man quasi in kondensierter Weise wahrnehmen konnte, wie die Symbole eines Weltreiches entsorgt wurden. Wir Österreicher sind dafür besonders sensibilisiert, weil das ja in Österreich 1918 auch passiert ist.
Warum haben Sie ausgerechnet 2007 die Tour mit Ihrem "Auto-Raumschiff" gestartet?
2007 war einfach der perfekte Zeitpunkt: 50 Jahre Sputnik, 100 Jahre Koroljow (sowjetischer Konstrukteur von Raketen und Weltraumpionier - Anm. d. Red.) 150 Jahre Ziolkowski (Begründer der modernen Kosmonautik - Anm. d. Red.).
Die Fahrt war ein völlig autonomes Recherchevorhaben, das so ausgestattet war, dass man die Reise medial weitervermitteln konnte. Zu dieser drei-wöchigen Tour gibt es inzwischen einen Film, der am 16. April in Berlin Premiere feiert, ein Hörfunk-Feature und mein Buch "Wostok 1 landet auf dem Roten Platz und fliegt weiter zum Sternenstädtchen".
Übrigens, das kleine Auto, mit dem wir unterwegs waren hatte das amtliche Kennzeichen "Wostock 1". Ich bin also der einzige Mensch auf der Welt, der dasselbe Fahrzeugkennzeichen wie Juri Gagarin amtlicherseits hält.
Das hört sich schon fast nach Personenkult an. Was begeistert Sie so an der Person Juri Gagarin?
Mich interessiert Gagarin als Stoff. Mit der Figur Juri Gagarin lässt sich die europäische Geschichte in der Zeit zwischen 1957 bis 1968 erklären. Das war eine Zeit, in der ideologisch und politisch vieles offen war. Gagarin stand symbolisch für einen anderen Sozialismus, für die Tauwetter-Periode. Und er war der einzige sowjetische Popstar – völlig konträr zur Ideologie dieses Systems, die ja auf das Kollektiv setzte. Durch seinen frühen Tod ist er natürlich zum Mythos geworden. Das ist der Zugang, der mich interessiert.
Ist den jungen Russen Gagarin heute noch ein Begriff?
Ja, er ist selbst bei den jungen Menschen tief im Bewusstsein verankert. Und je weiter wir uns Moskau näherten, umso mehr Begeisterung schlug uns entgegen.
Und wann folgt der "Austronaut" Walter Famler seinem Idol zu den Sternen? Kurz gesagt, wann fliegen Sie ins All?
Eigentlich wollten wir eine Art Weltraumlotterie veranstalten mit einem Flug ins All als Hauptgewinn. Aber die entscheidenden Personen konnten wir nicht von unserer Idee überzeugen. Um die Wostok-1 Kapsel in unsere Ausstellung nach Wien zu bekommen, hatte ich sogar zweimal bei Putin persönlich vorgesprochen.
Wie steht es mit Ihrem Vorhaben, das Lächeln Gagarins weltweit in die Antlitze der Frauen zu zaubern, zum 50. Jahrestag des ersten bemannten Weltraumflugs?
Ich bin sicher, dass zum Jahrestag dieses Gagarinsche Lächeln nicht nur in den Antlitzen der Frauen zu sehen sein wird.
Welche Ziele setzt sich die Bewegung Kosmos nach dem Jubiläum?
Am 12. April werden wir die Bewegung auflösen und in den Untergrund gehen.
Zur Person: Walter Famler, geboren 1958 in Bad Hall/Oberösterreich, ist Generalsekretär des Kunstvereins "Alte Schmiede" in Wien und Herausgeber der Literaturzeitschrift "Wespennest". Als Kommandant der Bewegung Kosmos/Gruppe Gagarin hat er sich der Verherrlichung der frühen bemannten Raumfahrt verschrieben.
Buchempfehlung: Famler, Walter: Wostok 1 landet auf dem Roten Platz und fliegt weiter zum Sternenstädtchen Wien, 2008, Verlag Sonderzahl; ISBN : 978-3-85449-288-7