1912 - 2001 Erna Kretschmann - ein Leben für den Naturschutz
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13. November 2017, 11:53 Uhr
Erna Kretschmann ist eine der Schöpferinnen der Naturschutz-Eule gewesen. Zusammen mit ihrem Mann Kurt begründet die Pazifistin die Naturschutzbewegung in der DDR nicht nur mit, sondern lebte dieses Ideal auch. Von ihrem lebenslangen Engagement zeugt noch heute das Haus der Naturpflege in Bad Freienwalde.
Eine Frau will ihre Ideale leben
Erna Kretschmann wird am 12. November 1912 in Bollinken bei Stettin als Tochter einer Dienstmagd geboren und kann dank des aufopferungsvollen Einsatzes ihrer Mutter eine Ausbildung als Kindergärtnerin abschließen.
Als inzwischen geschiedene Mutter zweier Kinder lernt Erna Scherff in Rüdnitz bei Bernau Kurt Kretschmann kennen. Dieser war damals mit einem Freund auf dessen Waldgrundstück gezogen, um sich so – quasi als Aussteiger – dem 'Dienst am Nationalsozialismus' zu entziehen. Kurt muss dennoch an die Front und Erna heiratet ihn 1942 in einer sogenannten "Stahlhelmtrauung". Noch im selben Jahr kommt der gemeinsame Sohn Friedhart zur Welt.
Als Kurt Anfang 1945 auf Heimaturlaub ist, desertiert er, unterstützt von Erna. Er gräbt sich ein Loch unter der Gartenlaube der befreundeten Familie Loose und versteckt sich mehr als zwei Monate darin. Erna und die Looses versorgen ihn mit dem Nötigsten.
Neustart 1946 voller Pläne
Nach dem Krieg und Kurts Rückkehr aus der Gefangenschaft müssen die Kretschmanns den Tod ihres jüngsten Sohnes betrauern. Im Jahr 1946 treten beide voller Pläne und Visionen in die KPD ein und engagieren sich politisch: Erna Kretschmann wird als Kreisrätin für Volksbildung aktiv. Sie bekommen einen Teil des Grundstücks der Familie Loose in Bad Freienwalde übereignet und Kurt baut hier ein stabiles Blockhaus, in das die Familie einzieht. Erna wird Kreisrätin für Volksbildung. 1949 wird Kurt Kreisbeautragter für Naturschutz im Kreis Oberbarnim.
Die Naturschutz-Eule wird kreiert
Die Kretschmanns und ihre Mitstreiter merken bald, dass sie ein öffentlichkeitswirksames Symbol für ihre Aktivitäten brauchen. Etwas, das bleibt und für alle sichtbar ist. In dieser Zeit entsteht auch das Symbol der Naturschutzeule. Auch der junge Staat DDR will sich in diesem Bereich engagieren bzw. auf keinen Fall hinter den Aktivitäten im anderen Deutschland zurückstehen. Das führt dazu, dass die Eulen zunächst eher geduldet werden, 1971 dann aber gesetzlich zum Naturschutzsymbol der DDR werden. Bis dahin bringen die Kretschmanns und ihre Mitstreiter die gelben Schilder mit der schwarzen Eule einfach überall an wichtigen Naturdenkmalen an und machen es dadurch in der breiten Öffentlichkeit bekannt.
Erna übt ihre kulturelle und politische Arbeit in vielfältigster Form aus und kommt durch ihre umfangreichen Tätigkeiten viele Jahre fast allein für den Unterhalt der Familie auf.
Kurt hingegen engagiert sich zunehmend ehrenamtlich, da ihm die Durchsetzung seiner Anliegen innerhalb der Mühlen des Staatsapparates nicht schnell und konsequent genug umgesetzt werden. Er baut zusammen mit vielen freiwilligen Helfern den Müritzhof bei Waren in Mecklenburg-Vorpommern aus. Hier entsteht erste Lehrstätte für Naturschutz in Europa - geleitet und beseelt von Kretschmann. Bis 1990 werden hier Generationen von Naturschützern aus- und weitergebildet, die sich für die Einführung und den Erhalt von Naturschutzgebieten in der DDR einsetzen.
Ein Netzwerk der Naturschützer entsteht
Ab 1960 konzentriert sich Kurt Kretschmann ganz darauf, sein eigenes privates Naturschutzbildungszentrum in Bad Freienwalde zu gestalten. Erna unterstützt ihn dabei tatkräftig und rund um ihr Blockhaus herum legen sie einem beeindruckenden Nutz- und Schaugarten an, der für alle kostenfrei zugänglich ist. Ein Netzwerk von Naturschützern, Naturbegeisterten und Naturliebhabern entsteht.
Selbst über die Landesgrenzen und die Mauer hinweg knüpfen die Kretschmanns Kontakte zu anderen Naturschützern. Die europaweit aktive "Arbeitsgruppe Weißstorch" ist nur ein Beispiel dafür.
Erna hält sich in diesen Jahren eher im Hintergrund. Aber dort – bei ihr – laufen die Fäden zusammen. Sie schreibt und redigiert die Artikel ihres Mannes, verfasst und veröffentlicht eigene Schriften, führt den Haushalt, rackert im Garten und ist der Gute Geist des Hauses für Familie und Gäste.
Späte Ehrungen
Im Jahr 1982 überlassen die Kretschmanns ihr "Haus der Naturpflege" und den dazugehörigen Lehr- und Schaugarten aus Altersgründen der Stadt Bad Freienwalde. Ein Verein pflegt das Anwesen und setzt die Arbeit der Kretschmanns fort.
1989, kurz vor dem Ende der DDR, wird Erna mit der Ehrenmedaille zum 40. Jahrestag der DDR ausgezeichnet. Und wenige Jahre nach der Wiedervereinigung 1993 erhält sie zusammen mit ihrem Mann den Europäischen Umweltpreis. Fünf Jahre später bekommt Erna die Goldene Ehrennadel des NABU und ihr Mann wird dessen Ehrenpräsident. Beide werden zu Ehrenbürgern von Bad Freienwalde ernannt.
Am 6. Januar 2001 stirbt Erna Kretschmann und fast genau sechs Jahre später am 20. Januar 2007 folgt ihr Kurt nach.
Die Oberschule Bad Freienwalde trägt seit 2009 zur Erinnerung an das engagierte Naturschützer-Ehepaar den Namen "Erna und Kurt Kretschmann-Oberschule.
(sub)
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Radio: MDR FIGARO | 28.02.2004 | 19:05 Uhr