Berüchtigte DDR-Haftanstalt Bautzen II – der "Stasi-Knast"
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14. Juni 2011, 16:15 Uhr
"Ab nach Bautzen!" Dieses geflügelte Wort galt als schlimmste Drohung für den, der sich mit dem Staat anlegte. "Bautzen II" war die meistgefürchtete Haftanstalt der DDR, berüchtigt als der "Stasi-Knast" schlechthin für Regimegegner, Fluchthelfer, Spione, Ausländer, "Republikflüchtlinge". Am Klingelschild stand "Volkspolizeikreisamt" und "Staatsanwaltschaft".
"Wissen Sie, für einen Staat, der sich sozialistisch nennt, ist das eigentlich eine Schande gewesen." Das meinte der Schriftsteller Walter Kempowski in einem Interview über seine achtjährige Haftzeit in Bautzen nach dem Krieg. Er saß im sogenannten "Gelben Elend", dem alten Gefängnisbau aus gelbem Sandstein. Die Sowjets nutzten ihn seit 1945 als Untersuchungsgefängnis und Militärgericht und übergaben ihn 1949 offiziell der DDR. Neben Kriegsverbrechern saßen hier zunehmend missliebige Opponenten des neuen Regimes ein.
Statt 1.100 Häftlingen, wie der Belegungsplan als Obergrenze vorsah, waren im "Gelben Elend" zeitweilig rund 7.000 Gefangene untergebracht. Die Haftbedingungen waren katastrophal, Misshandlungen an der Tagesordnung und selbst Schwerkranke waren vor Übergriffen des Personals nicht sicher. Todesopfer wurden verbrannt, die Urnen im Keller abgestellt. Zwischen 1950 und 1953 sammelten sich insgesamt 89 Urnen an, die man erst vier Jahre später in einer Nacht- und Nebelaktion auf dem Zittauer Friedhof verscharrte. Den Familienangehörigen der Verstorbenen verweigerte man jede Auskunft. 1956 kam es zu einer Neuordnung in Bautzen, das "Gelbe Elend" wurde zur "normalen Strafanstalt". Für die politischen Häftlinge wurde ein altes Gerichtsgebäude mit angegliedertem Zellentrakt mitten in der Stadt umgebaut: Der Name: "Bautzen II".
Bautzen II - Die Sonderhaftanstalt der Stasi
Der Hochsicherheitstrakt mit 200 Plätzen für Regimegegner, Spione und sonstige politische Gefangene spielte eine Sonderrolle für die DDR-Staatssicherheit. Hierhin schickte sie die besonders prominenten oder für das Regime gefährlichen Häftlinge. Nominell blieb das Gefängnis weiterhin dem Innenministerium unterstellt.
Politische Gefangene wurden prinzipiell von der Stasi "betreut". Das konnte soweit gehen, dass – wie im Fall des aus West-Berlin entführten Journalisten Karl-Wilhelm Fricke – Stasi-Chef Mielke eigenhändig den Haftbefehl unterschrieb. Das Strafmaß wurde bei "Politischen" auch mit der SED abgestimmt. Nach dem Urteil und der Einlieferung nach Bautzen war der Häftling der Willkür der Staatssicherheit hilflos ausgeliefert. So berichtet Fricke, dass er eineinhalb Jahre lang weder seiner Mutter noch seiner Verlobten ein Lebenszeichen schicken durfte, mancher Freund ihn gar schon für tot hielt.
In "Bautzen II" saßen über die Jahre zahlreiche prominente Gefangene ein: vom ersten Außenminister der DDR, Georg Dertinger, über den Schriftsteller Erich Loest bis zu den Opfern der politischen Säuberung von 1956, Walter Janka und Wolfgang Harich, und schließlich in einem eigens eingerichteten Isolationstrakt u.a. Rudolph Bahro, Autor des Buches "Die Alternative", der zu acht Jahren verurteilt worden war.
Oft wurden Gefangene aus "Bautzen II" von der Bundesrepublik freigekauft und dann ohne Vorankündigung verlegt. Dieter Hoetger, der wegen eines gescheiterten Fluchtversuchs in Berlin als "Tunnel-Dieter" berühmt geworden war, erinnert sich: "Von Bautzen bin ich in der 'Minna' (Lkw für Gefangenentransport) direkt nach Karl-Marx-Stadt gebracht worden. Habe da noch 14 Tage gesessen. Es gab Jacobs-Kaffee und Schweizer Schokolade." Man wollte die Bautzen-Häftlinge noch etwas "aufpeppen", bevor sie in den Westen entlassen wurden.
Politische Gefangene durfte es nicht geben
Schon in den fünfziger Jahren versuchten SED und Ministerium für Staatssicherheit (MfS), politische Gegner zu kriminalisieren. Gängig waren Anklagen wegen "Kriegs- und Boykotthetze" nach Artikel 6 der DDR-Verfassung von 1949. Die DDR wollte um keinen Preis mit dem Begriff "Politische Gefangene" in Verbindung gebracht werden. Das wurde vom Justizministerium sogar im Jahr 1951 untersagt: "Wer unsere antifaschistisch-demokratische Ordnung angreift, wer den Aufbau unserer Friedenswirtschaft stört, begeht eine strafbare Handlung und wird seiner verbrecherischen Taten wegen bestraft. Die Strafgefangenen dieser Art sind deshalb auch keine 'politischen Gefangenen', sondern kriminelle Verbrecher. Die Bezeichnung dieser Strafgefangenen als politische Häftlinge wird daher hiermit untersagt."
Das Ende des "Stasi-Knastes"
Bis Ende 1989 waren insgesamt 2.350 Gefangene in Bautzen II inhaftiert. Im Wendeherbst nahmen auch die Gefangenen in "Bautzen II" wahr, dass draußen im Lande Demonstrationen im Gange waren. Peter Naundorf, wegen Spionage für den BND zu acht Jahren Haft in Bautzen verurteilt, erinnert sich: "Abends kamen die Wagen angefahren, die großen W 50, und da prügelten die die Demonstranten in die Garagen rein! Und wir haben uns gefragt: Was ist los? Bis wir dann zwei Tage später mitbekamen, dass die einen Aufstand gemacht hatten in Dresden." Was er damals nicht wusste: Es handelte sich um Demonstranten, die festgenommen wurden, als die Züge mit den Botschaftsbesetzern aus Prag durch Dresden rollten.
Nach der Absetzung von Honecker und Mielke stellte die Stasi ihre Arbeit im Gefängnis ein. Von Oktober bis Dezember 1989 wurden nach und nach die politischen Gefangenen durch die neue DDR-Regierung amnestiert. "Bautzen II" ging nach der Gründung des Freistaats Sachsen in die Obhut der dortigen Justizverwaltung über und ist seit 1993 Gedenkstätte.
Häftlingsfreikauf Weihnachten 1962 ließ die DDR 20 politische Häftlinge und 20 Kinder frei und in den Westen ausreisen. Dafür erhielt sie im Gegenzug von der Bundesregierung drei Eisenbahnwaggons mit Düngemitteln. So begann der inoffizielle "Häftlingsfreikauf" zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Inoffiziell, da er im Wesentlichen über das Diakonische Werk Stuttgart lief. Anfangs waren es nur Einzelfälle, ab 1964 wurde daraus ein schwunghafter Handel in barer Münze, der der DDR dringend benötigte Devisen brachte. Anfangs kostete ein freigekaufter politischer Gefangener die Bundesrepublik rund 40.000 DM, gegen Ende der DDR wurden rund 100.000 DM verlangt. Insgesamt konnten auf diesem Weg zwischen 1964 und 1989 33.750 Häftlinge die DDR verlassen. Der Staatskasse der DDR brachte das Devisen von rund dreieinhalb Milliarden DM ein.
Erfassungsstelle Salzgitter Die "Zentrale Erfassungsstelle der Länder" (West) sammelte seit dem 24. November 1961 Informationen über Straftaten in der DDR, die dort nicht als solche verfolgt wurden. Also z. B. zu den Maueropfern, aber auch zu Verschleppungen in die DDR, Misshandlungen von Gefangenen, politische Unrechtsurteile. Als Beweismittel dienten oft Aussagen von DDR-Flüchtlingen, aber auch Informationen Westdeutscher. Die Dienststelle gab nach der Wiedervereinigung insgesamt 40.000 Fälle an die nunmehr zuständigen Staatsanwaltschaften in den neuen Bundesländern ab. 1992 wurde sie geschlossen.