Spezialeinheit Anti-Terror-Truppe der DDR
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22. September 2021, 13:31 Uhr
Am 18. Oktober 1977 befreite die BRD-Spezialeinheit GSG-9 die Geiseln des entführten Lufthansa-Flugzeugs "Landshut" in Mogadischu. Auch in der DDR gab es eine Anti-Terror-Truppe, die für einen solchen Fall trainierte.
Mit dieser Tupolew Tu-134A übte die Spezialeinheit der DDR Anti-Terror-Einsätze. Die Truppe gehörte zum Ministerium für Staatssicherheit, mit dem sperrigen Namen: "Arbeitsgruppe des Ministers, Aufgabenbereich S". Das "S" steht für die Abkürzung "Sonderaufgaben". Teilweise wird es auch mit ihrem langjährigen Leiter Heinz Stöcker assoziiert. Zu den Aufgaben der MfS-Eliteeinheit gehörte die Bekämpfung von Terrorismus mit militärischen und geheimdienstlichen Methoden.
Tupolew statt Boeing
Die Spezialkräfte waren im Nahkampf ausgebildet und trainierten unter anderem für einen möglichen Anschlag in der DDR. Während die Ost-Elitetruppe die Rückeroberung eines entführten Flugzeugs in der ausgemusterten, sowjetischen Tupolew probte, benutzte die GSG-9 eine Boeing der Lufthansa für ihr Training.
Und tatsächlich stürmte ein GSG-9-Kommando bei der Befreiungsaktion im somalischen Mogadischu am 18. Oktober 1977 um 00:05 Uhr (MEZ) eine solche Boeing 737. Neben Lösegeld, damals 15 Millionen Dollar, forderten die Entführer des Flugs LH 181 unter anderem die Freilassung von elf in Deutschland inhaftierten RAF-Terroristen.
Terror und Wirklichkeit
Ganz im Gegensatz zur BRD unter dem RAF-Terrorismus, trat ein solcher Anschlag in der DDR nie ein. Um nicht ins Visier der Terroristen zu geraten, unterstützte die DDR-Führung sogar arabische und westdeutsche Attentäter wie die RAF. Sie ließ Terroristen an ihren Grenzen gewähren und bildete sie teilweise aus. Dazu erklärt Tobias Wunschik von der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen: "Seit mehr als zehn Jahren gab es eine kleine Gruppe, die den riesigen BRD-Fahndungsapparat zum Narren hielt. Insofern schien die Gruppe der Stasi als hochgefährlich. Es war der Paranoia der Stasi geschuldet, dass sie sich mittelfristig im Visier der RAF sahen. Solange man ihnen aber Unterschlupf bot, war die Gefahr geringer. Die Denke war: Für Reisemöglichkeit und Aufenthalte in der DDR verschonen sie uns vor Anschlägen."
Einsatz beim UEFA-Pokal
In den 70er- und 80er Jahren wurden die DDR-Elitekämpfer in diversen Bereichen eingesetzt: zum Teil bei der Bekämpfung von Schwerkriminellen und als Flugsicherheitsbegleiter nach Prag oder Budapest. Andererseits sicherten sie Großveranstaltungen ab, wie das UEFA-Pokalspiel von Lok Leipzig gegen Fortuna Düsseldorf am 12. Dezember 1973 in Leipzig. Im Gepäck der Einheit: Scharfschützengewehre, Maschinenpistolen, Ampullen mit Tränengas und Kampfmesser.
Das Anti-Terror Handbuch
Ausgebildet werden die Kämpfer auf Grundlage des sogenannten AGM/S-Handbuchs. Darin "wurde mit aller Deutlichkeit definiert, was unter 'offensiven tschekistischen Kampfmaßnahmen' in den Planspielen des MfS zu verstehen ist: der Übergang vom Kalten Krieg zum verdeckten Krieg, erreichbar z. B. mittels Zerstören, Vernichten, Beschädigen, Lahmlegen, Stören, Behindern, Desorganisieren, Demoralisieren, Verunsichern sowie durch Ausschalten und Liquidieren von Personen", schreiben Doreen Hartwich und Bernd-Helge Mascher von der Behörde für Stasi-Unterlagen in einem BStU-Fachbeitrag.
Auf Grundlage der geheimen Verschlusssache 005-389/73 verweisen die Autoren zudem auf Lehrinhalte, die das Thema Sprengungen betreffen: "Mit Hilfe von Skizzen wird dargestellt, wo z. B. Sprengladungen an Schienen und Stützpfeilern anzubringen sind, um den größten Effekt zu erzielen. Bei der Sprengung von Eisenbahntunneln wird darauf hingewiesen, dass eine Sprengung nur dann durchgeführt werden soll, wenn ein Zug in den Tunnel gefahren ist." Auch der Umgang und die Verwendung mit Brandmitteln und Napalmwerfern seien dort Bestandteil des Ausbildungsmaterials, so Hartwich/Macher.
Neue Heimat für Tupolew
Die geschichtsträchtige Tupolew Tu-134A, an der die DDR Anti-Terror-Einheit ihre Einsätze übte, hat seit dem 17. Oktober 2017 ein neues Zuhause im Flugplatzmuseum Cottbus. Zuvor stand sie in einem Obst- und Gemüsegarten in Grünz, Kreis Vorpommern-Greifswald. Der Besitzer ließ das 29 Tonnen schwere Flugzeug Anfang der 90er-Jahre aus einer geheimen Stasi-Kaserne in der Umgebung abschleppen und wollte darin ursprünglich ein Café einrichten.
Über dieses Thema berichtete das ZEITREISE-Magazin: TV | 26.01.2016 | 21:15 Uhr