Sportfliegen bei der GST Sportfliegen in der DDR: Mit gestutzten Flügeln
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Gesellschaft für Sport und Technik
16. September 2022, 05:00 Uhr
Wer in der DDR hoch hinaus wollte, für den gab es fast nur eine Möglichkeit: Segel- und Motorflieger innerhalb der "Gesellschaft für Sport und Technik" (GST) zu werden. Denn als fliegendes Mitglied konnte man die DDR von oben sehen und bei der NVA später eine gute Laufbahn absolvieren. Doch 1979 war es dann auch für die Flieger vorbei mit der Freiheit. Denn dieses Jahr gilt als schwarzes Jahr für den Flugsport in der DDR.
Zwischen dem Mauerbau 1961 und 1979 gelang nur fünf Mal die Flucht aus der DDR mit einem Segelflieger. Doch Ende der 1970er-Jahre wurde die Lage im Land angespannter. Zwei extreme Kälteeinbrüche Anfang 1979 und die prekäre Versorgungslage sorgten für Unmut in Teilen der Bevölkerung.
Spektakuläre Flucht mit einem Ballon
Zwischen Mai und September 1979 häuften sich daher auch die Republikfluchten. Die wohl spektakulärste Flucht am 16. September 1979 gelang mit einem Ballon. Die beiden Ehepaare Petra und Günter Wetzel sowie Doris und Peter Strelzyk flohen mit ihren jeweils zwei Kindern in einem selbstgebauten Heißluftballon aus der DDR. Sie hatten monatelang verschiedenste Stoffbahnen zusammengenäht, bis der damals größte Ballon Europas fertig war. Die Flucht im Ballon dauerte nur 28 Minuten und endete in Bayern im oberfänkischen Naila.
Absolutes Startverbot für GST-Flieger
Auch die "Gesellschaft für Sport und Technik" geriet in den Fokus der Staatssicherheit. Nach einer Flucht am 24. August 1979 erging vorübergehend ein absolutes Startverbot an sämtliche Flugplätze der GST. Und nicht nur das: Von damals 77 Flugplätzen mussten 42 schließen.
Nur in Schönhagen und Jahnsdorf blieben zwei Fliegerschulen für den Motorflug weiter in Betrieb. In Halle-Oppin durfte die Ausbildung von Fallschirmspringern weitergeführt werden, da diese für das Militär wichtig waren. Erich Honecker persönlich ordnete "Ordnung und Einhaltung der staatlichen Sicherheit" innerhalb der GST an. Ausbildungsstätten und damit auch Flugplätze durften nur noch von zugelassenen Personen betreten werden. Damit wurden diese zum Sperrgebiet. Wer fliegen wollte, brauchte eine Kaderbestätigung und musste eine den Flugbetrieb sicherstellende Funktion haben.
Da gute Flieger beim Militär gebraucht wurden, musste trotz des Fluchtrisikos weiterhin ausgebildet werden. Um deren Überwachung zu gewährleisten, wurden verschiedene Mitglieder, Fluglehrer und angestellte GSTler als inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit eingesetzt. Fliegen durfte daher nur noch, wer keine "Westverwandtschaft ersten Grades" hatte und auch sonst nicht "negativ" auffiel.
Aber trotz der verschärften Auflagen gelangen noch Fluchten auf dem Luftweg. Zum Beispiel am 16. Juli 1980: Wolfgang Schmelzer schaffte es im Schleppflugzeug vom Typ "Wilga" im Tiefstflug nach Bayern.
Eine neue Sportart sorgt für Unruhe
Aber nicht nur die Republikfluchten mit dem Segelflieger führten zur Schließung der Flugplätze. Ein weiterer Vorfall ereignete sich 1979, der dem Flugsport den Wind aus den Segeln nehmen sollte. Seit Mitte der 1970er-Jahre verbreitete sich unter den rund 60.000 Segelflug-Interessierten (von denen nur ein Zehntel in der GST-Mitglied war), ein neuer Trend: das Drachenfliegen. Da es aber nirgends Schulungsmöglichkeiten gab, übten viele den neuen Flugsport ohne professionelle Ausbildung aus. Am 28. Juli 1979 kam es zum ersten schweren Drachenunfall, der eine politische Diskussion über den Sinn und Zweck dieser Sportart auslöste.
GST lehnt Ausbildung von Drachenfliegern ab
Teile der Staatsregierung, darunter Chef der Staatssicherheit Erich Mielke und Innenminister Friedrich Dickel sind dafür, das Drachenfliegen der GST zu unterstellen. Diese ist gegen eine Zulassung des Drachenfliegens: Der Kreis der Interessenten decke sich nicht mit den jugendlichen Altersgruppen der vormilitärischen Ausbildung. Aus diesem Grund lehnten es GST, Volksarmee und Innenministerium ab, das Drachenfliegen professionell anzuleiten und zu lehren.
Erhebliches Sicherheitsrisiko durch Drachenflieger
Schnell wurde so auch den Verantwortlichen im Staatsdienst klar, dass der Drachenflugsport ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die DDR bedeutet. Denn anders als die Flugzeuge, konnten die Drachen schnell zerlegt, wieder aufgebaut und zusätzlich motorisiert werden. Die Fluchtgefahr mit einem solchen Gerät war um einiges höher als mit einem Segelflieger.
Ob Fliegen oder Gleiten - die Regierung hat die Startbahn nicht mehr freigegeben. Bis auf wenige Ausnahmen blieb die Bevölkerung von nun an am Boden.
Der Artikel erschien erstmals im März 2019.