Interview mit Trainer Dietmar Männel "Frauenfußball war eine Randerscheinung"
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29. Juni 2011, 09:26 Uhr
Dietmar Männel ist einer der Pioniere des Frauenfußballs in der DDR. Ab 1983 trainierte er die Frauen der "BSG Rotation Schlema" und wurde mit ihnen zweimal DDR-Meister. 1989 wurde Männel zum DDR-Nationaltrainer berufen und war bis 2002 Trainer der Fußballfrauen vom FC Erzgebirge Aue. Im Interview erinnert sich an die Anfänge seiner Laufbahn als Frauentrainer.
Ende der 1960er-Jahre kam der Frauenfußball auch in die DDR ...
Dietmar Männel: Damals sind überall Frauenfußballmannschaften gegründet worden. Es war ein richtiger Boom. In den Mannschaften spielten Frauen von 14 bis 40 Jahren. Das war eine Zeit, in der man fast nicht hingucken mochte. Erst später trennte sich die Spreu vom Weizen. Da wurde dann langsam Fußball draus.
Welche Rolle spielte der Frauenfußball in der DDR?
Er war immerhin nie verboten gewesen wie etwa in der Bundesrepublik. Aber er war keine olympische Sportart und wurde aus diesem Grund auch nicht gefördert. Mit Frauenfußball konnte man weder Medaillen gewinnen, noch das damit verbundene internationale Prestige erringen. Es mangelte an allen Ecken und Enden an Professionalität – sowohl in den Vereinen als auch im Fußballverband. Frauenfußball war nur eine Randerscheinung. Die Funktionäre in Berlin sagten sich: "Wir wollen mal sehen, wie sich die Sache entwickelt und stufen sie erstmal unter 'Freizeit- und Erholungssport' ein." Die Impulse kamen ausschließlich von den Vereinen selbst. Die forderten ab Mitte der 1970er-Jahre: Wir müssen eine Meisterschaft austragen oder einen Pokal!
Vor der Einführung einer regulären Oberliga hatte es den Sportfunktionären gegraust, und zwar aus ökonomischen Gründen. Ein Funktionär soll damals gesagt haben: 'Dann müssten wir den Frauen ja auch Busse und Bälle zur Verfügung stellen …'
Das stimmt. Mit Ideologie hatte das nichts zu tun, fast alles scheiterte am Geld. Busse gab es nicht. Und mit was für Bällen haben wir denn Fußball gespielt? Klumpen waren das! Und wenn es regnete, waren die schwer wie Wackersteine. Aber wir waren damit zufrieden. Das war eben so. Da mussten wir halt durch.
Woher kamen eigentlich die Fußballerinnen?
Die kamen von der Leichtathletik, vom Handball, vom Volleyball. An vielen war auch ein Junge verlorengegangen, die konnten echt gut Fußball spielen.
Waren Fußballerinnen eigentlich leichter zu trainieren als ihre männlichen Kollegen?
Es ist schon einen riesiger Unterschied im Vergleich zu den Männern. Die Frauen sind mitunter komplizierter. Aber man muss versuchen, sie zu verstehen. Doch das ist nicht immer einfach. Die eine braucht mal den Arm um die Schulter, die andere paar markige Worte. Das kriegt man aber mit der Zeit mit. Und dann passt das schon. Auf jeden Fall sind sie beim Training willensstärker. Also, wenn man da gesagt hat, wir laufen noch drei Runden, dann sind die drei Runden gelaufen. Da haben die nicht gemeckert. Die haben sich immer mächtig reingelegt.
Wie sind Sie denn zu den Auswärtsspielen gereist?
Wir sind immer mit dem Zug gefahren. Beispielsweise nach Rostock. Anstoß war Sonntag, elf Uhr. Da sind wir Samstagabend hier losgefahren mit dem Zug bis Leipzig. Dort umgestiegen in den Zug nach Rostock. Morgens sind wir angekommen, haben noch eine Bockwurst auf dem Bahnsteig gegessen, und sind schnell ins Stadion gefahren mit der Straßenbahn. Nach dem Spiel ging’s sofort wieder zum Bahnhof, rein in den Zug, und Mitternacht waren wir wieder zu Hause. Und Montag hieß es für mich früh halb vier aufstehen und ab in den Schacht. Ich war ja Hauer bei der "Wismut". Der Frauenfußball - das war ja alles ehrenamtlich.
Konnte Rotation Schlema eigentlich bei internationalen Turnieren auflaufen?
Nein, das war kaum möglich. Wir haben Mitte der 1980er-Jahre ein einziges Mal in Polen gespielt. Mehr war nicht. Es fehlten uns einfach die Verbindungen. Aber damals waren wir auch sportlich noch gar nicht so weit. Bei Turbine Potsdam war das anders, die hatten auf Turnieren in der ČSSR, in Polen oder Ungarn auch mal gegen Spitzenmannschaften aus Prag, Eindhoven und Mailand spielen können. Als wir Ende der 80er-Jahre "reif" waren, kam die Wende. 1990 haben wir noch ein Turnier in Zürich gewonnen. Wir haben dort alle wegrasiert, das war vom Allerfeinsten, aber dann war eben Schluss.
Wie kam es zur Gründung der Nationalmannschaft?
Von Frauennationalmannschaften wie es sie in Dänemark, Schweden oder England gab, davon konnten wir nur träumen. Erst 1987 begannen die Vorbereitungen zur Gründung einer Nationalelf. Es wurden die führenden Mannschaften der DDR – Turbine Potsdam und Rotation Schlema – einfach zusammengeführt und praktischerweise die beiden Clubtrainer – Bernd Schröder und ich – zu Nationalmannschaftstrainern ernannt.
Das erste und letzte Spiel ging sang- und klanglos verloren ...
Wir waren bitter enttäuscht nach dem 0:3 gegen die ČSFR. Wir wollten danach eine neue Mannschaft aufbauen und alles besser machen. Aber dann ging nichts mehr ...
Mit Ihrem Verein durften sie als ostdeutscher Meister dann immerhin in der Bundesliga antreten ...
Das war 'ne riesige Umstellung, und wir waren eigentlich noch zu "grün" dafür. In jeder Hinsicht. Wir hatten auch nur sieben, acht Spielerinnen, die auf Bundesliga-Niveau spielen konnten. Unser Kader war einfach zu dünn. Die Spielerinnen, die auf der Bank saßen, die konntest du fast nicht spielen lassen.
Der Abstieg kam denn auch prompt …
Ja, und dann fiel die Truppe komplett auseinander. Wir haben nach dem Abstieg aus der Bundesliga fast die gesamte Mannschaft verloren – die Spielerinnen gingen nach Wolfsburg, Frankfurt oder Sindelfingen. Wir konnten niemanden halten und mussten bei Null wieder anfangen.