20. Februar 1967 Die DDR führt eine eigene Staatsbürgerschaft ein
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20. Februar 2022, 05:00 Uhr
"Es gibt nur eine deutsche Staatsangehörigkeit" heißt es in der Verfassung der DDR von 1949. Am 20. Februar 1967 führt die DDR dennoch eine eigene Staatsbürgerschaft ein. Das Land will damit seine eigene Souveränität bestärken, doch die Bundesrepublik weigert sich bis zum Schluss, die DDR-eigene Staatsbürgerschaft anzuerkennen.
Die "gesamtdeutsche Staatsbürgerschaft", die in der DDR-Verfassung von 1949 verankert ist, und noch auf einem Reichsgesetz von 1913 beruht, ist 1967 aus DDR-Sicht Vergangenheit. Stattdessen erhalten alle DDR-Bürger, die bei der Gründung der Republik 1949 deutsche Staatsangehörige waren und zu dieser Zeit ihren Wohnsitz in der DDR hatten, automatisch die neue Staatsbürgerschaft. Kinder, die fortan auf dem Gebiet der DDR geboren werden oder deren Eltern bereits die Staatsbürgerschaft besitzen, werden ebenfalls zu DDR-Bürgern. Eine Möglichkeit, auf die DDR-Bürgerschaft zu verzichten, ist nicht vorgesehen – auch ehemaligen DDR-Bewohnern, die in den Westen geflüchtet sind, wird nachträglich die neue Staatsbürgerschaft zugeschrieben. Bei einer Rückkehr in die DDR, selbst bei einer Transitfahrt durch die DDR nach West-Berlin, drohen ihnen damit strafrechtliche Konsequenzen. Erst 1972 wird diese Praxis mit dem "Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsbürgerschaft" abgeschafft.
Keine Rückkehr nach Republikflucht – trotz DDR-Staatsbürgerschaft
Ein besonderes Problem stellen "Rückkehrer" dar, die nach einer "Republikflucht" wieder in ihre Heimat zurückkehren möchten. Obwohl sie nach dem neuen Gesetz DDR-Bürger sind, haben sie kein verbrieftes Recht auf die Rückkehr – jeder konkrete Fall wird von den "zuständigen Organen" einzeln bewertet. Bereits 1955 äußert sich Willi Stoph als Minister des Innern zu dieser Problematik: "Rückkehrer und Erstzuziehende, die durch ihr Verhalten offensichtlich zeigen, dass sie sich nicht in das gesellschaftliche Leben in der DDR einfügen, sind nach Westdeutschland zurückzuschleusen." Menschen, die zuvor durch unliebsame politische Aktivitäten oder gar mehrfache Republikflucht aufgefallen sind, wird eine Heimkehr damit unmöglich gemacht.
Nachträglich aberkannt wird die Staatsbürgerschaft nur sehr wenigen DDR-Bürgern, die eine "grobe Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten" begehen. Vor allem unliebsamen Oppositionellen wie Wolf Biermann oder politischen Gefangenen wie Roland Jahn wird auf dieser Grundlage die Staatsbürgerschaft der DDR entzogen.
Verhältnis der DDR zur Bundesrepublik
Bereits wenige Tage nach der Einführung der DDR-Staatsbürgerschaft bezeichnet ein Journalist des westdeutschen "Spiegel" die Neuregelung als "Staatsakt ohne Beispiel". Er kritisiert, dass auch Personen, die längst nicht mehr im Land leben, nachträglich gegen ihren Willen zu DDR-Bürgern erklärt würden. Das Gesetz sei "Munition für Sperrfeuer gegen gesamtdeutsche Hoffnungen".
Die Bundesrepublik erkennt, trotz aller später erreichten Annäherungserfolge, die DDR-Bürgerschaft nicht an. Im Westen gelten DDR-Bürger weiterhin als "Deutsche im Sinne des Grundgesetzes". Diejenigen, die in den Westen reisen dürfen, haben deshalb die Möglichkeit, einen westdeutschen Pass zu beantragen. Dieser ermöglicht es ihnen zumindest theoretisch, in andere Länder zu reisen, für die der DDR-Pass keine Visa bereithält.
Erst in den späten Achtzigern wird in Westdeutschland häufiger darüber diskutiert, die DDR-Bürgerschaft anzuerkennen – doch dazu kommt es nie. Eine zentrale und ständig wiederholte Forderung von Erich Honecker an die Bundesrepublik bleibt damit unerfüllt. Mit der Wiedervereinigung 1990 ist das Problem gelöst – die DDR-eigene Staatsbürgerschaft hört auf zu existieren.
Dieses Thema im Programm: Lexi TV | 20. Februar 2017 | 15:00 Uhr