Der Nationalpreis der DDR
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01. November 2010, 11:17 Uhr
Er war die höchste Auszeichnung der DDR, der Nationalpreis. Künstler, Wissenschaftler, aber auch Bestarbeiter und Neuerer gehörten zu den Preisträgern.
"Der Nationalpreis war keine Ehre, sondern ein Politikum. Der Volksmund sprach von der Massenorganisation der Nationalpreisträger", schreibt der Dramatiker Heiner Müller in seiner "Autobiografie" und zitiert den Satz eines Kameramanns der DEFA, der in den 1980er-Jahren zu den Ausgezeichneten gehörte: "Das Geld ist ja ganz schön, aber die Schande!"
Bedeutendste und höchstdotierte Auszeichnung
Der Nationalpreis wurde seit 1949, jeweils am 7. Oktober, dem "Tag der Republik", für "hervorragende schöpferische Leistungen auf den Gebieten Wissenschaft, Technik und Kultur" sowie für die "Einführung neuer Produktionsmethoden" in drei Kategorien verliehen. Er war die bedeutendste und höchstdotierte Auszeichnung der DDR: Für den Nationalpreis 1. Klasse gab es 100.000, für die zweite 50.000 und für die 3. Klasse immerhin noch 25.000 Mark.
Preisträgerliste - das "Who is who" der DDR
Zu den ersten Preisträgern gehörte 1949 der Bergmann Adolf Hennecke, der in einer legendären Schicht im Oktober 1948 die Norm um ein Vielfaches überboten hatte. Mit ihm wurden unter anderem Heinrich Mann und der Dirigent Hermann Abendroth ausgezeichnet. Die Liste der Preisträger liest sich wie ein "Who is who" der DDR. Neben Bestarbeitern und Neuerern gehören der Physiker Manfred von Ardenne ebenso zu den Nationalpreisträgern wie die Künstler Paul Dessau, Gisela May, Gret Palucca, die Schauspieler Erwin Geschonneck, Manfred Krug, Angelica Domröse, der Conférencier O.F. Weidling und die Schriftsteller Christa Wolf, Jurek Becker und Volker Braun. 1982 wurden die "Puhdys" als erste Rockband mit dem Nationalpreis geehrt.
Pragmatisches Verhältnis
Viele Künstler hatten ein pragmatisches Verhältnis zum Nationalpreis. "Es ging nicht um Privilegien, sondern um Arbeit", konstatiert Heiner Müller, der 1986 ausgezeichnet wurde, wenn auch nur "dritter Klasse". "Die Folge des Nationalpreises war, dass kein Funktionär in irgendeiner Bezirksstadt mehr sagen konnte: ‚Müller wird nicht gespielt!’" Etliche Stücke Müllers hatten in der DDR bis dahin Aufführungsverbot. Nach der Auszeichnung war Müller der meistgespielte Autor des Landes.
Verzweifelte Suche nach Preisträgern
Am 3. Oktober 1989 suchte das Politbüro in einer Sitzung verzweifelt nach Kandidaten, dem sie die Nationalpreise verleihen könnte. Vier vorgesehene Preisträger musste sie von der Liste streichen: einer war von einer Dienstreise in den Westen nicht zurückgekehrt, einer hatte sich über Ungarn abgesetzt. Der Regisseur Wolfgang Engel und der Schriftsteller Günther de Bruyn verweigerten aus "Protest gegen die Regierung" die Annahme. Eine Handvoll Preisträger wurden dann aber doch noch gefunden. Am 7. Oktober 1989, zum 40. Geburtstag der DDR, verlieh Erich Honecker zum letzten Mal den "Nationalpreis der DDR". 300 Gäste waren geladen. Einer der Preisträger - der Liedermacher Gerhard Schöne. Es war eine gespenstische Veranstaltung: Im "Palast der Republik" feierte sich die Staats- und Parteiführung, während auf den Straßen der Republik das Volk demonstrierte.
Den Nationalpreis zurückgegeben
Im Herbst 1989 gaben einige Preisträger ihren Nationalpreis zurück. Auch der Leipziger Maler Bernhard Heisig, der sogar zweimal ausgezeichnet worden war. Heisig wollte damit gegen "Korruption und Machtmissbrauch der SED" protestieren. Aber es war nur noch eine müde Geste. Keiner interessierte sich mehr für den "Nationalpreis der DDR" und seine Träger.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch in der TV-Doku "Die ausgezeichnete Republik": 05.12.2004 | 05:00 Uhr