Eine persönliche Annährung an "Renft" Mit selbstgenähten Jeans zum Konzert
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24. November 2021, 11:35 Uhr
Es war in den 1960er-Jahren, als die Staatsmacht einen Kampf gegen Jeans, Beatmusik und lange Haare führte. Die Helden jener Jahre waren die Musiker der "Klaus Renft Combo" - die "Stones" des Ostens. Die Leipzigerin Katrin Aehnlich (Jahrgang 1957) beschreibt, wie sie sich ihren Idolen Schritt für Schritt näherte und schließlich mit ihnen auf der Bühne stand.
Schon in meiner frühen Kindheit begriff ich, dass von Musik eine ungeheuere Kraft ausging. Ich war sieben Jahre alt, lag mit Bauchschmerzen auf dem Sofa und hörte Polizeisirenen auf der Straße. Die Autos fuhren in Richtung Innenstadt. Es mussten große Autos sein, denn unsere Fensterscheiben vibrierten. Flüsternd sprachen meine Eltern von Flugblättern, die verteilt worden waren.
Schuld waren die Funktionäre der Bezirksparteileitung. Ausgerechnet ein Mann mit dem Namen Paul Fröhlich hatte die Lieblingsgruppe vieler Leipziger Jugendlichen, "The Butlers", verboten. Als meine große Schwester nach Hause kam, verstand ich nur "Polizei, Hunde, Wasserwerfer". Ich stellte mir die von ihr beschriebenen Jagdszenen vor und bedauerte, nicht mitgekämpft zu haben.
Die "Butlers" blieben verboten. Die Musiker mutierten zum "Ulf Willi Quintett" und spielten in den Nachtbars der Stadt. Auch wenn ich älter geworden war, reichte es immer noch nicht, um aktiv am Musikleben meiner Stadt teilnehmen zu dürfen.
"Auch Freiheit hat eine Kleiderordnung"
Die neue Freiheit hieß Gaschwitz. Das Mekka der Beatfans lag wenige Kilometer von der Stadt entfernt, im toten Winkel der Macht. Hier gab es richtige Konzerte, aber leider auch einen Einlassdienst, der das Alter prüfte. Ich stand mit meinem Fahrrad in sicherer Entfernung auf einer Anhöhe und sah, wie der Pilgerzug vom Bahnhof die Landstraße entlang zur Centralhalle zog. Fast jeder Pilger trug eine Bierflasche in seiner Hand. Und auch sonst sahen alle gleich aus: Jeanshose, Jeansjacke und Jesuslatschen. Auch Freiheit hat eine Kleiderordnung.
Und ich wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als älter zu sein und eine Jeans zu besitzen. Der erste Wunsch erfüllte sich, wenn auch viel zu langsam, der zweite blieb ein Problem und konnte nur mit der Nähmaschine meiner Mutter gelöst werden. Das einzige Echte an meiner Hose war das Levis-Schild, das ich mir bei meiner Banknachbarin durch Vorsagen hart erarbeitet hatte.
Nach einigen Jahren Verbannung kehrte das "Ulf Willi Quintett" als "Klaus Renft Combo" aus der Diaspora zurück, und die Titel der Musiker wurden im Radio gespielt. Zur gleichen Zeit kam zu unserer großen Freude der Film "Blutige Erdbeeren" in die Kinos, der uns abschrecken und die Unterdrückung der fortschrittlichen amerikanischen Jugend zeigten sollte.
Wir ergötzten uns an der Musik und konnten uns nicht satt sehen am Bösen. Wochenlang waren die Kinos ausverkauft. Es gab niemanden in meiner Klasse, der den Film nicht mindestens fünfmal gesehen hatte. Und wer glücklicher Besitzer eines Kassettenrekorders war, versuchte, geschützt durch die Dunkelheit im Zuschauerraum, die Töne des Soundtracks zu erhaschen. Beseelt von der Musik band ich mir eine gefärbte Stoffwindel um den Kopf, stahl meinem Vater ein kariertes Baumwollhemd und zog in den Kampf. Ich wollte Universitäten besetzen, Sitzstreiks organisieren, ich wollte "abstimmen, ob wir abstimmen wollten", und vor allem wollte ich, dass dabei gesungen wurde.
Leider hatte ich keinen Feind. Keine Hundestaffeln verfolgten mich, keine Wasserwerfer riegelten die Straße ab. "Ketten werden knapper und sie brechen sowieso, wie junger Rhabarber, wie trockenes Stroh", sang die Gruppe "Renft" im Radio. Und ich wurde endlich 16 Jahre alt. Jetzt hatte ich bis 22 Uhr Ausgang. Ich gründete mit Freunden einen Jugendklub. Das Zauberwort hieß Diskothek. Ich durfte die Lichtorgel bedienen, und bei jedem Titel vier Regler im Takt der Musik hin und her schieben.