Die Olsenbande: Immer noch "mächtig gewaltig"
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19. Dezember 2019, 18:32 Uhr
Die dänische Olsenbande war Kult in der DDR. In den 70er- und 80er-Jahren war die dänische Krimikomödie ein richtiger Straßenfeger. Ihre Popularität verrät viel über das Leben und den Humor im Osten. Ove Sprogøe, der den Egon Olsen spielt, wäre am 21. Dezember 100 Jahre alt geworden.
Es war nur eine Krimikomödie – und doch konnten die Reaktionen darauf in Ost-und Westdeutschland kaum unterschiedlicher sein. In der DDR waren die Olsenbanden-Filme der 70er- und 80er-Jahre ein Straßenfeger. Beim westdeutschen Nachbarn, wo sie unter dem Titel "Die Panzerknackerbande" liefen, floppten sie. Woran lag das?
Die Stimmen müssen stimmen
Beginnen könnte man mit der Synchronisation und Übersetzung der Dialoge. Die – so stellen Publikum und Filmfachleute übereinstimmend fest – gelang dem "DEFA-Studio für Synchronisation" weit besser als den bundesdeutschen Kollegen. Das lag vor allem an Stimmen wie der von Yvonne, synchronisiert in den meisten der 14 Folgen von Margit Bendokat, einer Schauspielerin vom "Deutschen Theater". Mit ihrer hyperknatschigen Stimme gab sie der Yvonne erst den richtigen schrägen Touch. Den Chef der Bande, Egon Olsen, mimte stimmlich in der DEFA-Fassung Karl-Heinz Oppel, ein populärer Filmschauspieler, der auch für das Berliner Kabarett "Die Distel" arbeitete.
Erfolg trotz Textzensur – oder gerade deswegen?
Die Dialoge der dänischen Fassung wurden nicht immer originalgetreu übersetzt. Im zehnten Film ("Die Olsenbande steigt aufs Dach") heißt es beispielsweise: "Die Reichsregistratur bewahrt sämtliche Informationen über Dänemark und die Dänen auf, sowohl gewöhnliche Informationen als auch geheime Informationen, die für die Polizei, die NATO, die EG und befreundete ausländische Mächte von Interesse sein könnten." In der DDR-Synchronfassung wurde daraus: "Hier werden sämtliche Informationen über Dänemark und die Dänen aufbewahrt, wichtige Informationen und völlig belanglose, allgemein zugängliche ebenso wie solche, die so geheim sind, dass niemand weiß, ob man überhaupt wissen darf, dass man das gar nicht wissen darf." Eine vermeintliche Entschärfung, die aber vom Ostpublikum durchaus als Anspielung auf die Geheimniskrämerei der Staatssicherheit verstanden werden konnte.
Bezeichnender noch ist die Floskel "Mächtig gewaltig!". Im Original sagt Benny immer "Skide godt!" – was soviel heißt wie "Scheißgut." Soviel unflätigen Sprachgebrauch wollte das DDR-Fernsehen seinen Zuschauern nicht zumuten – und schuf eine Formel, die bis heute synonym für die Olsenbande steht und für ambitionierte Projekte, die zum Scheitern verurteilt sind.
Klares Schema: Wir da unten – die da oben
Das Gaunertrio um den gealterten Gentleman Egon Olsen gerät immer wieder in Situationen, die von den Drehbuchautoren auch als Sozialkritik gemeint sind. Oft sind es die Reichen und Mächtigen, die auf illegale Weise zu Wohlstand kommen – den will die Olsenbande auch haben, als Akt ausgleichender Gerechtigkeit zugunsten des kleinen Mannes. Das machte sie so sympathisch im Osten, wo alltägliche Beschaffungskriminalität als Pendant zur Mangelwirtschaft funktionierte.
Und dann sind da noch die Tricks der dänischen Kleinganoven, die Genialität und Tollpatschigkeit vereinen. Mit einem ferngesteuerten Spielzeugauto die Alarmanlagen überlisten, Wachmänner mit Pornoheften ablenken, mit dem Stethoskop einen Franz-Jäger-Tresor knacken … Das Muster all dieser improvisierten Tricks deckte sich mit Erfahrungen, die das DDR-Publikum aus seinem Alltag kannte: Mit wenig Aufwand und vorhandenem Material die Widrigkeiten überlisten, dabei viel Geschick und Einfallsreichtum beweisen und auch noch Spaß an der Sache haben. So mancher Eigenheimbauer oder Trabbi-Bastler erkannte sich wieder in Egon, Benny und Kjeld.
Mallorca - Das unerreichbare Fernziel
Yvonne vor allem, und von ihr getrieben auch Kjeld, wollte gern den Rest ihres Lebens auf Mallorca verbringen statt im Knast wie Egon. Jedes Mal, wenn Egon entlassen wurde, hatte er einen Plan – wie die Staatspartei im Osten auch, "Fünf-Jahr-Plan" genannt. Alle wissen: Der Anspruch ist groß, aber es wird schiefgehen. Die Wege zum Scheitern sind’s, die diebische Freude auslösen im Osten – im Westen werden sie als Slapsticks aus ferner Stummfilmzeit wahrgenommen. Außerdem: Wen lockt im Westen der 80er-Jahre noch Mallorca? Für das Ostpublikum dagegen ist Yvonnes Wunschtraum noch unerreichbarer als für das Gaunertrio.
Die Olsenbande im gesamtdeutschen Fernsehen
Ab 1989/90 ließ das ZDF einige der Filme zum Teil neu synchronisieren. Die neuen Titel wurden von einigen Zuschauern im Osten als völlig daneben empfunden: Zum Beispiel wurde aus "Die Olsenbande sieht rot" beim ZDF "Schlagbohrer mit Musik". Die ZDF-Fassung bügelte typisch dänische Gags aus und glättete sie – zum Ärger der Ost-Fans. Ihren Reiz bezogen die Filme in der DDR ja gerade auch aus der Tatsache, dass sie ein authentisches Fenster in eine fremde Welt waren. Der Westen hatte genau das nicht nötig und rieb sich an der beschaulichen Erzählweise der Gangsterfilme, die ganz ohne amerikanische "action" auskamen, ohne Blut, ohne Gewalt. Und so schien die Frage, die ein Teilnehmer auf einem "Olsenbande-Seminar" der Universität Roskilde 1992 aufwarf, ziemlich berechtigt: "Hätte die Vereinigung nicht besser zwischen der DDR und Dänemark vollzogen werden sollen?"
P.S. In Dänemark selbst waren zwar die Filme populär gewesen (und sind es zumindest bei der älteren Generation immer noch) - die Charaktere der Olsenbande allerdings keineswegs. Eine Dänin antwortete auf eine entsprechende Frage: "Die halten uns den Spiegel vors Gesicht. Und was sehen wir? 'Lausige Amateure!'"
(zuerst veröffentlicht am 21.10.2010)