Interview mit Peter Gotthardt "Zu Paula passte nur Popmusik"

17. Dezember 2021, 11:01 Uhr

"Geh zu ihr" und "Wenn ein Mensch lebt" – die Filmlieder wurden Hits und schoben die Karriere der Puhdys an. Geschrieben hat die Songs Peter Gotthardt, der ursprünglich Musik von den Bee Gees verwenden wollte.

Wie kamen Sie eigentlich als Komponist zur "Legende von Paul und Paula"? Wer hat Sie engagiert?

Das fing schon ein paar Jahre vorher an. Bei der DEFA gab es Ende der 1960er-Jahre einen alten Tonmeister, den ich gut kannte. Und der hat mich an den Regisseur Heiner Carow empfohlen. Ich habe dann die Musik zu "Die Russen kommen" gemacht, ein Film, der dann leider verboten wurde. Aber so entwickelte sich die Zusammenarbeit. Und als Carow die Regie von "Paul und Paula" übernahm, stand von Beginn an fest, dass ich die Musik mache.

Wie gestaltete sich denn die Zusammenarbeit mit Heiner Carow?

Wunderbar. Er hat mir vollkommen vertraut. Er besaß damals ein großes Haus in Babelsberg, wo ich mit eingezogen bin. Ich bekam dann ein Zimmer mit Klavier. Und abends, wenn die Schnittplätze in den Babelsberger Studios frei wurden, sind wir gemeinsam zur DEFA gelaufen und haben angefangen zu arbeiten – die ganze Nacht durch. Wir sind richtig in den Film reingekrochen. Das war unser Projekt. Wir waren wie in Trance. Es gab nichts anderes mehr auf der Welt.

Als Sie das Drehbuch zum ersten Mal gelesen haben, welche Musik kam Ihnen da in den Sinn?

Ich komme aus dem klassischen Bereich, habe klassische Musik studiert und natürlich habe ich bei "Paul und Paula" auch zuerst an Klassik gedacht. Aber was ich auch immer versucht habe, bei den meisten Filmstellen verfehlte das komplett seine Wirkung. Ich habe mir dann überlegt, was zu Paula passen könnte. Sie hat ja ein ziemlich naives Wesen. Dazu passte Lebendigkeit. Dazu passte Pop. Also genau das, wovon ich eigentlich keine Ahnung hatte. Ich hab mich dann mit einem Tonband hinters Radio gehängt, alle möglichen Sender gehört – tage- und nächtelang. Am Ende bin ich bei "Slade" und den "Bee Gees" gelandet. Wir haben das dann über ein paar Szenen gelegt und Carow war begeistert. Das war's. Damit stand die Richtung fest. Jetzt musste ich nur noch Musik komponieren, die die Wirkung von internationalen Superhits hatte.

Und darüber sind Sie ausgerechnet auf die Puhdys gekommen?

Ja. Tatsächlich. Irgendwann habe ich dann im Radio den Titel "Geh dem Wind nicht aus dem Wege" gehört. Das hatte genau das, was ich gesucht hatte. Es war naiv und gleichzeitig jugendlich und frisch. Ein Redakteur sagte mir dann, das sei eine völlig unbekannte Band namens "Die Puhdys".

Wie haben denn die Puhdys reagiert, als Sie sie für die Filmmusik angefragt haben?

Die haben natürlich "Hurra" geschrien. Die waren ja damals nicht zimperlich. Ich bin dann mit denen auf Tour gegangen, habe deren komplettes Repertoire studiert und am Ende passende Musik geschrieben. Den Text sollte Wolfgang Tilgner, der Hausdichter der Puhdys, liefern. Der hat dann auf die Musik von "Geh zu ihr" getextet: "Sieger, wo bleibt Dein Sieg". Ich sagte: 'Diesen Text nehm ich nicht.' Dann wurde Plenzdorf damit beauftragt. Der kannte als Autor natürlich den Stoff am besten und wusste, wo man textlich noch etwas dazupacken konnte. Und der kam dann am Ende mit den Bibelzitaten wie "Steine sammeln, Steine zerstreuen". Das war genau das, was der Film brauchte.

Ihre Musik war für die Puhdys der Beginn einer lebenslangen Musik-Karriere. Haben Sie heute noch Kontakt zur Band?

Ich musste denen zweimal den Rechtsanwalt an den Hals hetzen. Aber es ging nicht anders. Ich musste mich da einschalten, weil ständig behauptet wird, die "Paul-und-Paula-Musik" sei von den Puhdys. Und die Band unternimmt nichts dagegen. Das fing schon sehr früh an. Ich hatte noch zu DDR-Zeiten eine Platte gemacht mit meinen Filmmusiken. Und da kamen dann manchmal Leute auf mich zu und fragten, wie ich es mir erlauben könnte, die Musik der Puhdys als meine auszugeben. Denen habe ich was erzählt.

Werden Sie heute noch auf die Musik angesprochen?

Ja, "Die Legende von Paul und Paula" verfolgt mich noch immer. Die ungebrochene Popularität bis heute ist überraschend. Heiner Carow und Ulrich Plenzdorf konnten sich auch nicht erklären, wieso ausgerechnet dieses Buch, dieser Film, diese Musik zu so einem sensationellen Erfolg wurde. Vielleicht lag es daran, dass wir damals alle so euphorisch waren und wirklich voll hinter dem Stoff standen.

(Das Interview wurde zuerst veröffentlicht am 20.03.2013.)

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: 27.04.2020 | 23:05 Uhr