Angelica Domröse: Die "Kultpaula" der DEFA
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24. April 2020, 12:06 Uhr
Beim Namen Angelica Domröse denkt man automatisch an "Die Legende von Paul und Paula". Dabei hat sie in über 50 DEFA-Filmen mitgespielt - obwohl sie ursprünglich einmal ganz andere Berufspläne hatte.
Angelica Domröse wird 1941 im Kriegsberlin geboren. Sie leidet unter den Repressalien ihres Stiefvaters. Daher will das junge Mädchen möglichst schnell von zu Hause weg und lässt sich zur Stenotypistin ausbilden. Bei einem Casting für den Film "Die Verwirrungen der Liebe" wird sie 1958 vom Regisseur Slatan Dudow entdeckt und unter 1.500 Bewerberinnen ausgewählt. So steht sie schon als 17-Jährige vor der Kamera und erlernt danach an der Filmhochschule Babelsberg und unter Helene Weigel am Berliner Ensemble das Schauspiel-Handwerk von der Pieke auf.
50 prägende Filmrollen - überstrahlt von "Paula"
Angelica Domröse ist die Effi Briest im gleichnamigen Spielfilm (1971), die Gräfin Palvner in der Fernsehserie "Wege übers Land" (1968), die Fleur Lafontaine im gleichnamigen Film: Doch trotz mehr als 50 prägender Filmrollen und deutlich mehr Theaterauftritten ist und bleibt sie für die meisten vor allem einfach die Paula aus Heiner Carows Kultfilm von 1973.
"Die Legende von Paul und Paula" macht sie zur Legende. Schlagfertig, klug, selbstbewusst und eigenständig - aber auch romantisch, unvernünftig und verträumt - eine junge Frau, die als alleinerziehende Mutter im Realsozialismus trotzdem voller Lebenshunger und Lust auf die Liebe ist. Im Film entscheidet sich Paula nicht für die Sicherheit einer gut versorgten Existenz sondern für die unsichere Liebe zu einem 'noch' verheirateten Mann. Ihr kurzes Leben außerhalb jeder sozialistischen Norm ist denn auch zum Bersten voll mit Emotionen, Leben und Liebe.
Rausschmiss aus dem Theater, Alkoholsucht, Tiefpunkt
Auch im wirklichen Leben geht sie durch viele berufliche, gesundheitliche und private Höhen und Tiefen. Als Weigel sie 1966 aus dem Berliner Ensemble wirft, bricht für Domröse eine Welt zusammen. Doch sie rappelt sich wieder auf und macht an der Volksbühne unter Benno Besson und seiner damals ganz neuen Art der Regieführung weiter. Nach der Trennung von ihrem alkoholkranken Mann Jiří Vrštála heiratet sie 1976 den Schauspieler Hilmar Thate, der ihr in den 1980er- und 1990er-Jahren durch und aus ihrer eigenen Alkoholsucht hilft.
Jetzt gehört's ja eigentlich zu einem wie die Geburt (…) oder die vielen Misserfolge, die ich auch hatte …
Biermann-Ausbürgerung und eigene Ausreise
Gemeinsam unterzeichnen Angelica Domröse und Hilmar Thate 1976 die Resolution gegen die Biermann-Ausbürgerung. Und nachdem die Angebote und Engagements dauerhaft immer karger werden, wählen beide gemeinsam schweren Herzens die Übersiedlung in die Bundesrepublik. Zur gemeinsamen Ausreise nach Westberlin im Jahr 1980 sagt sie:
Und damals hat man dringesteckt und hat gezittert und hat geweint und hat Freunde verloren - und war auch ein bisschen krank.
Der Neustart bringt beruflich erst einmal keine überzeugenden Angebote mit sich. Doch ihr Engagement am Schillertheater bildet eine gute Basis für Domröse im Westen. Sie steht zusätzlich auch in Stuttgart, Hamburg, Bochum und Wien auf der Bühne. Bald taucht sie auch wieder in Filmen auf: so zum Beispiel in Helmut Dietls "Kir Royal" (1986), in der Serie "Der Alte" (1988/1990) oder als Kommissarin Vera Bilewski im "Polizeiruf 110" des SDR (1994-1998). Sie arbeitet als Dozentin an der Filmhochschule "Ernst Busch" und als Regisseurin an verschiedenen Theatern.
"Überschwängliche Lebensfreude und zarte Zerbrechlichkeit"
Im Jahr 2003 erscheint ihre Autobiographie "Ich fang mich selber ein", in der sie spannend, mutig und ehrlich von ihrem Leben als Schauspielerin zwischen Kunst und Politik erzählt. Ihre eigene Persönlichkeit ist dabei ebenso wie die meisten ihrer Filmrollen von einer Mischung aus überschwänglicher Lebensfreude und zarter Zerbrechlichkeit geprägt. Gerade das macht es so spannend ihr immer wieder zuzuschauen:
Ich bin ja oft an der Kippe der Melancholie und der fast krankhaften Zerreißproben. Für die Kamera ist das natürlich ein Fressen, weil die Kamera alles sieht. Alles. Für das Leben ist das natürlich nicht immer leicht.
Wie die meisten der von ihr verkörperten Filmfiguren möchte Angelica Domröse noch immer hinter die Fassaden schauen und trotz ihrer inzwischen 79 Jahre in dieser Welt noch voller Kraft und Courage zu den Träumen ihres Lebens stehen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 27. April 2020 | 23:05 Uhr