Indianerfilme mit Ideologie Die DEFA-Indianerfilme: "Synthese aus Karl Marx und Karl May"
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02. Dezember 2021, 11:52 Uhr
Im Gegensatz zu den bundesdeutschen Western verfolgten die sozialistischen Indianerfilme eine ideologische Absicht. Eine "Synthese aus Karl Marx und Karl May" - wie es die Filmkritikerin Renate Holland-Moritz einmal auf den Punkt brachte.
Helden der DDR-Filme waren die unterdrückten Indianer, die gegen den Kolonialismus kämpfen. Die DEFA war zudem um historische Genauigkeit bemüht, die in den Karl-May-Phantasien eher zweitrangig bzw. gar nicht vorhanden war. "Die historischen Fakten und die überlieferten Geschichten der Eroberung Nordamerikas und der Vernichtung der Indianer kamen den gesellschaftskritischen Vorstellungen und der Selbst-Legitimation in der DDR und in der DEFA ideal entgegen", schreibt Klaus Wischnewski in seiner Geschichte der Filmstadt Babelsberg. Die Indianer waren gewissermaßen ein Spiegelbild der DDR: umzingelt von Imperialisten, die nur den Profit im Sinn haben und das um Gemeinschaft und Solidarität bemühte Volk am liebsten von der Landkarte verschwinden lassen würden. Die "politisch-korrekten" Indianerfilme waren in den 1960er-Jahren die Rettung für das ostdeutsche Kino, denn nach dem ZK-Plenum 1965 wurden nahezu alle anderen DEFA-Filme verboten.
DEFA-Indianer: Athletischer, körperbetonter, kämpferischer
Gedreht wurden die ostdeutschen Indianerfilme allerdings genau wie die westdeutschen Western hauptsächlich in Jugoslawien. Und genau wie in den Winnetou-Filmen gab es auch bei der DEFA ein eindeutiges Gut-Böse-Schema. Der erste Indianerfilm der DEFA - "Die Söhne der großen Bärin" (1966) – wurde gleich ein Erfolg – allein in der DDR hatte der Film acht Millionen Besucher.
An dem Erfolg hatte Hauptdarsteller Gojko Mitić in der Rolle des Häuptlings Tokei-itoh sicher eine nicht geringe Aktie. Der gebürtige Serbe war viel athletischer und spielte viel körperbetonter und kämpferischer als der blasse, eher friedliebende Winnetou alias Brice und da er alle Stunts selbst übernahm, wirkte er viel authentischer. "Weitspähender Falke dagegen begegnet uns immer mit blanker Brust, zwischen den Muskeln baumelt nur die Kette mit den Bärenzähnen. (…) Während Weitspähender Falke erstmal ein wildes Pferd einfängt, reitet Winnetou vor ein Panorama im Abendlicht und redet wie der Geschäftsführer eines Großunternehmens", vergleicht Essayist Alexander Osang.
Gojko Mitić: "Einmal Indianer, immer Indianer"
Gojko Mitić wurde ebenso wie Pierre Brice zur Kultfigur für die nicht wenigen Indianerfans in der DDR und war vielleicht einer der wenigen Top-Stars des Landes. Aber ebenso wie Brice gelang es ihm kaum, sein Indianer-Image loszuwerden. Er trat als Sänger auf, schrieb Drehbücher und arbeitete als Regisseur und Moderator ("Ein Kessel Buntes"), doch wollten alle immer nur den Indianer. "Einmal Indianer, immer Indianer. Bis heute ist das so, dass man mich gerne erst mal so sehen möchte. Natürlich, ich habe versucht, immer aus dieser Schublade raus zu springen, auch die anderen Rollen gemacht und getan und mache immer noch. Aber Indianer bleiben. Aber das ist okay. Ist nicht die schlechteste Schublade."
DEFA: Historisch-authentische Indianerfilme ab 70er-Jahre
Während die ersten DEFA-Indianerfilme ("Die Söhne der großen Bärin" (1966), "Chingachgook" (1967), "Spur des Falken" (1968), "Weiße Wölfe" (1969) und "Tödlicher Irrtum" (1970) den westdeutschen Karl-May-Filmen noch sehr ähneln, entstand Anfang der 1970er-Jahre mit den historisch-authentischen Filmen wie "Osceola" (1971), "Tecumseh" (1972), "Apachen" (1973) und "Ulzana" (1974) ein fast DDR-spezifisches Genre. Indianer-Fans wie Alexander Osang waren allerdings geteilter Meinung: "Meine Liebe zum DEFA-Indianerfilm erlosch vor gut 35 Jahren, als Gojko Mitić nicht mehr Fantasie-Indianer spielen durfte, sondern nur noch historisch verbürgte Charaktere wie Tecumseh und Osceola, die sich wie wir mit dem US-amerikanischen Imperialismus auseinandersetzen mussten. Bis dahin aber hatte ich mich auf jeden Indianerfilm gefreut wie auf Weihnachten". Gemessen an den Zuschauerzahlen zählten die DEFA-Indianerfilme zur erfolgreichsten Sparte der Filmproduktion der DDR.