Der Eichsfeldplan der SED
Kurz nach der Gründung der DDR unternahm die Staatsführung einen ersten Versuch, den Sozialismus im Eichsfeld zu verankern. Die Macht der katholischen Kirche sollte gebrochen werden. Das Eichsfeld war arm. Daran setzte die SED an. Der "Eichsfeldplan" des Zentralkomitees der SED von 1959 sah einen kompletten Umbau der Wirtschaft vor. Die sozialistische Produktionsweise wurde eingeführt und mit ihr die beabsichtigten gesellschaftlichen Veränderungen für die Menschen. Schichtarbeit im VEB Baumwollspinnerei Leinefelde bedeutete, nicht mehr regelmäßig am sonntäglichen Gottesdienst teilnehmen zu können. Ausbildung im VEB Solidor in Heiligenstadt hatte zur Folge, dass Jugendliche in der katholischen Pfarrjugend und im sozialistischen Lernkollektiv zu Hause waren. Der Einfluss der Kirche sollte zurückgedrängt werden, so zumindest die Vorstellung der SED.
Gleiches versuchte die Staatsführung mit der Zwangskollektivierung in der Landwirtschaft. Die Bodenreform und der Zusammenschluss zu größeren Landwirtschaftsbetrieben waren wirtschaftlich durchaus sinnvoll. Denn im Eichsfeld gab es kaum große zusammenhängende Flächen. Für den Eigenbedarf erhielt jeder Bauer nur noch ein handtuchgroßes Feld. Wieder wurde von "Oben" etwas aufgezwungen, und wieder leisteten die Eichsfelder Widerstand. Die Kirche machte sich zum Fürsprecher der Bauern, konnte aber die sozialistischen LPGs nicht verhindern. Die Folge war, wie häufig woanders auch, der Rückzug in den privaten und kirchlichen Raum.
Bauernkrieg brachte den Protestantismus ins Eichsfeld
Der Vergleich zu den Asterix-Heftchen drängt sich auf: Ganz Ostdeutschland ist sozialistisch. Ganz Ostdeutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Katholiken bewohnte Region leistet den Eindringlingen Widerstand! Und doch: Beinahe hätte es den Katholizismus im Eichsfeld nicht mehr gegeben.
Um 1525 erhoben sich Bauern gegen Armut und Abhängigkeit von Klerus und Adel. Auch im Eichsfeld brannten Klöster. Der Mühlhäuser Thomas Münzer vertrat öffentlich die Ansicht, jeder Mensch finde auch ohne Kirche seinen Weg zu Gott. Im Zuge der Reformation wandten sich viele Eichsfelder Gemeinden von ihrem Fürsten im katholischen Mainz ab. Die fernen Mainzer Herrscher hatten das Bergland im Norden Thüringens sowieso nur als landwirtschaftlichen Lieferanten gesehen. Da kam die Lehre von Martin Luther gerade recht. Das Eichsfeld wurde eine Zeit lang protestantisch.
Es waren dann Jesuiten, die im 16. Jahrhundert in der Gegenreformation den Katholizismus wieder zurückbrachten. In der Kreisstadt Heiligenstadt kann man in der Kollegiengasse heute noch das alte Jesuitengebäude finden. Einfach dürfte es für die Patres nicht gewesen sein, gilt der Eichsfelder doch als stur. Die Regionalhistoriker Rudolf Linge und Peter Schmidt schreiben: "Zu hart ist das Land, zu verschlossen die Menschen, die es bewohnen." Der Volksmund spricht von einem "kleinen zänkischen Bergvolk". Die Jesuiten agierten geschickt: Sie bedienten sich alter Traditionen aus dem bäuerlichen Milieu, veranstalteten beispielsweise Wallfahrten und Bittprozessionen. Die bekannteste ist heute noch die Palmsonntagsprozession in Heiligenstadt. Am Sonntag vor Ostern werden im Gedenken an den Einzug Jesu in Jerusalem überlebensgroße Figurenbilder aus dem Kreuzweg durch die Stadt getragen.